Near Earth Objects (NEOs)

Eine ganz spezielle Herausforderung zur Beobachtung

 

Immer wieder lesen wir in den Medien von Objekten, meist Asteroiden, die der Erde sehr nahe kommen, unter Umständen sogar näher als der Mond. Aufgrund ihrer potenziellen Gefahr für die Erde schaffen sie es auch in die Massenmedien. Dabei geht von diesen Objekten keine unmittelbare Bedrohung aus. Interessant sind sie, weil sie eine ganz spezielle Herausforderung in der Beobachtung darstellen. Sie sind lichtschwach, aber rasch beweglich. So rasch, dass wir ihre Bewegung sogar beim Blick durchs Fernrohr im Okular erkennen können.

Pro Monat gibt es 10 bis 20 Annäherungen im Schnitt, ein Objekt pro Monat kommt durchaus in die Größenordnung der Mondentfernung.

 

1. Quelle


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Es gibt nur eine ernsthafte Quelle, die alle erdnahen Objekte auflistet und Beobachtungstipps enthält, und das ist die NEO-Seite des Minor Planet Center (MPC) der Internationalen Astronomischen Union (IAU).

Auf dieser Seite sind die folgenden Sektionen wichtig:

  • Ephemerides and orbital elements for currently-observable NEOs - Ephemeriden und Bahnelemente für derzeit beobachtbare erdnahe Objekte; allerdings sind die Ephemeriden nicht auf einen Beobachtungsort bezogen, und bei NEOs ist das wichtig

  • NEO orbit diagrams - Bahndiagramme für derzeit erdnahe Objekte; nicht wichtig für die Beobachtung, aber interessant für eine räumliche Übersicht.

  • Forthcoming close approaches - Bevorstehende Annäherungen von erdnahen Objekten; eine Liste mit allen derzeit bekannten engen Begegnungen der Erde mit kleinen Objekten.

In der Liste der bevorstehenden Annäherungen an die Erde ist natürlich die Distanz interessant. Sie wird in Astronomischen Einheiten (Astronomical Unit, AU) angegeben, das ist die mittlere Entfernung Erde - Sonne; 1 AU = 149,6 Mio. km. Die Entfernung des Mondes von der Erde schwankt zwischen ca. 360.000 und 408.000 km, das sind 0,0024 bis 0,0027 AU. Am 4. Februar 2011 gab es eine Annäherung von 2011 CQ1 auf 0,0000792 AU = 11.848 km, das ist weniger als ein Erddurchmesser!

Weiters interessant ist der Zeitpunkt der geringsten Annäherung (Date of encounter (TT)), die Uhrzeit ist dabei in Terrestrischer Dynamischer Zeit (TT), das entspricht bis auf kleine Abweichungen der UTC, also MEZ - 1 Stunde oder MESZ - 2 Stunden. Dies ist wichtig, denn nur Annäherungen, die bei uns in die Nachtstunden fallen, sind beobachtbar.


 

2. Ephemeride


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Schon beim Mond macht die äquatoriale Horizontalparallaxe rund einen Grad aus. Der Unterschied am Himmel, ob wir den Mond vom Erdmittelpunkt oder vom Erdrand aus betrachten, macht also rund das Doppelte des scheinbaren Durchmessers des Mondes am Himmel aus, der Unterschied vom Nord- zum Südpol also gar das Vierfache. Bei der Erstellung einer Ephemeride ist es also ganz wichtig, diese auf den genauen Beobachtungsort zu berechnen.

Die optimale Quelle für Ephemeriden kleiner Objekte ist der Ephemeris Generator des Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA, erreichbar unter

In der Wahl des Beobachtungsortes reicht es aus, die Koordinaten für Wien zu wählen (zu finden in der Liste der non-US cities). Beobachtungszeitraum wählen zu einige Stunden rund um die Annäherung, Ephemeride erzeugen.

1. Wahl des Objekts


Objektauswahl starten


Wir wählen das Objekt nach seiner Bezeichnung unter Punkt 1 (Quelle)

2. Wahl des Beobachtungsorts

Bei der Wahl des Beobachtungsorts genügt die Nähe zu einer größeren Stadt. Außer bei genauer astrometrischer Vermessung des Asteroiden genügt die Position auf einige Kilometer genau. Bei Astrometrie: GPS-Koordinaten eingeben!


Auswahl des Beobachtungsortes starten


Auswahl Beobachtungsort nach Name, alternativ aus Liste


Wien: Observatorien (auch historische) und Stadtmitte

3. Beobachtungszeitraum wählen


Auswahl des Beobachtungszeitraums starten


Bitte die Anleitung lesen, wie Datum und Zeit richtig einzugeben sind. Bei NEOs: Auf eine Nacht beschränken
und eine sehr kleine Schrittweite wählen, hier 10 Minuten (der JPL Supercomputer wird's verkraften)

4. Ephemeridendaten wählen

JPL Horizons kann sehr viele Daten zu unserem NEO berechnen, für die Beobachtung benötigen wir aber nur einige wenige.


Datenauswahl starten


Ephemeridendaten wählen

Für die Beobachtung eines erdnahen Objekts benötigen wir:

  • 1. Astrometrische Rektaszension (RA) und Deklination (DEC); diese können in einer Sternkarte mit Standardepoche (J2000) übertragen werden
  • 2. Scheinbare (apparent) Rektaszension und Deklination; diese können direkt am Fernrohr eingestellt werden, z.B. auch mit einer Goto-Montierung
  • 3. Die Änderung (rate) von Rektaszension und Deklination, wenn das Fernohr dem NEO nachgeführt werden soll.
  • Wer die Beobachtbarkeit beurteilen will, kann auch 4. scheinbares Azimut (AZ) und Höhe (EL) wählen
  • 9. Die scheinbare Helligkeit (vis. mag.), der andere Wert ist irrelevant, kann aber nicht unterdrückt werden
  • Fürs Interesse: 19. Die Entfernung von der Sonne (Helio range) samt Änderung (rate)
  • Fürs Interesse: 20. Die Entfernung vom Beobachter (Obsrv range) samt Änderung (rate)

5. Ephemeride rechnen lassen


Ephemeride starten

Die Ephemeride wird mit umfangreichen erklärenden Texten ausgegeben, die Interessierte gerne lesen können. Grundlage für die Berechnung ist numerische Integration: Es wird das Mehrkörperproblem (Sonne, Mond, alle Planeten, einige wichtige größere Asteroiden und Zwergplaneten) numerisch gerechnet (eine analytische Lösung ist ja bekanntlich nicht möglich).


Auszug aus der Ephemeride

Unmittelbar hinter Datum und Uhrzeit (in der von uns gewünschten Zeit, in diesem Fall UT = MEZ -1h = MESZ - 2h) folgt eine Information zur Himmelsaufhellung:

  • m ... Mond am Himmel
  • A ... astronomische Dämmerung
  • N ... nautische Dämmerung
  • C ... bürgerliche Dämmerung
  • * ... heller Tag

Das Beispiel 2005 YU55 zeigt einen recht hellen erdnahen Asteroiden, der mit rund 11,2 mag auch in kleineren Fernrohren zu sehen ist. Allerdings beeinträchtigen Mond und Dämmerung die Beobachtung während der größten Annäherung an die Erde.


 

3. Visuelle Beobachtung


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NEOs stellen uns vor zwei Herausforderungen:

  • Sie bewegen sich am Himmel rasch und

  • Sie sind sehr lichtschwach

Der sinnvollste Weg ist, die scheinbare Bahn aus der zuvor generierten Ephemeride in einer Sternkarte zu übertragen und zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu warten. Schnelle NEOs verraten sich wirklich innerhalb von Minuten durch ihre Bewegung, sofern sie hell genug für eine visuelle Beobachtung werden.

Bei der Übertragung in die Sternkarte sind die astrometrischen Positionen aus der Ephemeride (J2000.0) zu verwenden, nicht die scheinbaren (apparent)!


 

4. Fotografie


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Ein NEO hinterlässt eine Strichspur

Die Fotografie von NEOs stellt uns eigentlich nur vor die Herausforderung ihrer raschen scheinbaren Bewegung. Objekte mit einer scheinbaren Helligkeit von 15 bis 16 mag stellen für die meisten modernen Kameras auch dann keine Herausforderung dar, wenn sie sich aufgrund ihrer raschen Bewegung als Strichspur abbilden.

Wir gehen also vor wie bei der visuellen Beobachtung. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort belichten, dann zieht unser NEO durchs Bild und hinterässt eine Strichspur.


Aufnahme nachgeführt am NEO

Kann die Montierung allerdings einem NEO folgen (die Änderung von Rektaszension und Deklination pro Zeit kann mit dem JPL Ephemeris Generator leicht ermittelt werden), dann kann auch am NEO nachgeführt werden. Alle Sterne werden zu Strichspuren und wir können auf diese Art NEOs bis ca. 18 mag leicht erfassen.


 
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