Vereinsausflug nach Kärnten, 27.-29. 10. 2000

Name: Alexander Pikhard (ed.)

Ein kleines Grüppchen von WAA-lern (Silvia Bäs-Fischlmair, Herbert Csadek, Bernhard Dewath, Martin Latschenberger, Hans-Peter Müllner und Pia Strnadl, Johann Pesak, Alexander und Daniela Pikhard, Albert und Gabi Richter und Georg Zotti) hatten sich auf die lange Fahrt von Wien gemacht, um die Einrichtungen der Astronomischen Vereinigung Kärnten  zu besichtigen.

Nachdem Albert in gewohnter Weise alles hervorragend organisiert hatte, ein erster Schock: Das Quartier auf der Kanzelhöhe, ja, das ist frei, aber die Straße, die hinaufführt, ist wegen Bauarbeiten gesperrt. Also total umdisponieren! Wir faßten in Klösterle bei Arriach, im Palzerhof, Quartier (kann man nur empfehlen!). Mir kam der Ort irgendwie bekannt vor. Richtig! Die Talstation der Gerlitzen-Lifte, ich war vor ein paar Jahren hier Schifahren, damals hatte ich auch zum ersten Mal die Sternwarte auf dem Gipfel besucht.

Am Abend des 27. führte uns Wolfgang Puglnig, unser unermüdlicher Führer auf der Gerlitzen, die lange Serpentinenstraße zum Gipfel hinauf. Nach dem Bestaunen des 62cm-RC-Teleskops stellten wir -- wie beim letzten gemeinsamen Wochenende in Mariazell -- als erstes Objekt M57 ein. Der bringt kein Glück... Nebel in der Kuppel, Nebel draußen, Wolken, zu. Aus. Hans-Peter am Boden zerstört, alle anderen betroffen (hörte ich da jemanden sagen, daß man sich wenigstens ausschlafen kann???) So endete der erste Abend. Doch bevor wir abfahren, zeigt uns Wolfgang Puglnig noch Videoaufnahmen von Mond, Jupiter und Saturn, aufgenommen am 62cm RC; sie zeigen erstaunlich viele Details, z.B. einen Durchgang und Schattenvorübergang von Io.

Am 28. stand Klagenfurt auf dem Programm. Wir besichtigten zunächst die schöne Sternwarte auf dem Kreuzbergl. Sie erinnerte an eine Kreuzung aus Urania- und Universitätssternwarte: Hoher Turm mit Kuppel wie auf der Urania, rundherum ein wunderschöner Park mit alten Bäumen, wie in Währing. Den beeindruckenden 22cm Wachter-Coudè-Refraktor konnten wir wegen des Nebels auch nur bestaunen, aber nicht ausprobieren. Die Sonne sollte erst nach dem Mittagessen vom Himmel lachen...


Der Turm der Kruezbergl-Sternwarte: Die relativ moderne Sternwarte ist auf einen über 100 Jahre alten Aussichtsturm aufgesetzt und liegt in einem großen Park. Archivfoto © AVK.


Im Vorführraum der Sternwarte. Vorne das berühmte Baader-Planetarium.


Der Vortragsraum der Sternwarte.


Auf der Terrasse über Klagenfurt im Nebel.


Der beeindruckende 22cm-Coudè-Refraktor von Wachter.


Die Sternwartenkuppel mit dem Coudè-Refraktor.


Der Coudè-Refraktor hat einen fixen Einblick in der Polachse.
Ein Okularrevolver erlaubt rasches und bequemes wechseln der Vergrößerung.

Im Planetarium bestaunten wir dann die neueste Produktion der Astronomischen Vereinigung Kärnten, "Endstation Schwarzes Loch". Und wenn hier von Produktion die Rede ist, dann ist es auch so gemeint. Wer die Führungen aus dem Wiener Planetarium mit ihrem traditionellem, sehr lehrhaften Charakter gewohnt war, wähnte sich hier in einer anderen Welt; Georg Zotti umschrieb es passend als "Universum Spezial, in dem man mitten drin sitzt". Professioneller Sound, professionelle Sprecher vom ORF, Multimediaschau mit fast 400 zum Teil bewegten Dias, Videoprojektion, eigens entwickelte Computeranimationen, künsterlisch gemalte Panoramen vom alten China oder dem England zur Zeit Newtons und ein vollautomatisch gesteuertes Planetariumsgerät ließen keine der rund 50 Minuten zu lang werden. Wobei eindeutig die Show im Vordergrund und das klassische "Sternhimmel Lernen" im Hintergrund stand. Und alles wissenschaftlich korrekt, denn immerhin steckt ein sehr aktiver astronomischer Verein dahinter! Ich kann mir nicht verkneifen, zu sagen, daß solche Shows sicher geeignet sind, Leute für Astronomie zu interessieren. Endstation Schwarzes Loch ist sicherlich eine Vorgabe für das neue Wiener Planetarium... Auch die interaktive Ausstellung im Foyer des Planetariums ist sehenswert. Man kann u. a. ein auf der Erde 3kg schweres Gewicht auf allen Planeten heben!


Das Klagenfurter Planetarium im Europapark bei Minimundus.


Eine gelungene Ausstellung im Foyer des Planetariums.


Das Herz des Planetariums: Zeiss Spacemaster, ein modernes Mittel-Planetarium.


Unsere Gruppe in den bequemen Sitzen des Planetariums. Hoffentlich schläft keiner ein...


Die Schaltzentrale des Planetariums: DDR-Elektronik der 70er gepaart mit modernster Computertechnik.

Mittlerweile hatte sich der Nebel gelichtet und einem wunderschönen Herbsttag Platz gemacht. Wir beschlossen, schnell wieder auf die Gerlitzen zu fahren, um den bevorstehenden Abend und die bevorstehende Nacht zu genießen. Wer den Beobachtungsbericht nicht detailliert lesen möchte, hier geht's weiter!

Beobachtungsbericht, Gerlitzen, 28. 10. 2000

Datum: 28. 10. 2000, 17.00 bis 23.45 Uhr MESZ

Ort: Sternwarte der AVK auf der Gerlitzen

Instrument: 62cm (25") Ritchey-Chrétien, F=5400mm

Bedingungen: Nicht ganz unproblematisch, aber gut. Tief am Horizont im W, NW und NE teils dichtere Wolken, die sich aber dort hielten. Sonst wolkenfrei, mit zeitweise leichtem Dunst (Durchsicht zwischen 1+ und 2 schwankend). Aufhellung von S durch Villach und SE durch Klagenfurt, wegen stärker werdenem Dunst im Tal nicht sehr störend (1-2). Seeing recht gut (1-2). Wind zum Teil lebhaft aus W, kalt.


Die AVK-Sternwarte auf der Gerlitzen in 1900m Seehöhe.


Die Kuppel verbirgt einen 62cm (25") Ritchey-Chrétien mit 5,4m Brennweite.

Am Nachmittag beobachteten wir die Sonne mit einem Protuberanzenfernrohr, wobei die Durchsicht so gut war, daß wir in diesem Rohr - im H-Alpha-Licht! - den Sonnenuntergang beobachten konnten! Am Nordwestrand der Sonne, in der Nähe einer kleineren Fleckengruppe, standen drei große, buschartige Protuberanzen, am SW- und am SE-Rand je eine weitere (die am SE-Rand sah wie ein hohler Pilz aus). Wir konnten sie wie gesagt bis zum Sonnenuntergang beobachten!


Alpenglühen: Die Sternwarte im Licht der untergehenden Sonne.


Wir beobachten den Sonnenuntergang - mit dem Protuberanzenfernrohr!


Ein letzter Sonnenstrahl. Schnell wird es dunkel, die Temperatur fällt.


Abenddämmerung auf der Gerlitzen.

Die Dämmerung wurde zu einer Parade der Wunder: Schlagartig mit Sonnenuntergang war die helle Venus leicht mit freiem Auge zu sehen. Im Fernrohr strahlte sie hell und weiß, mit einer bereits deutlichen Phase. Durch ihre tiefe Stellung beeinträchtigte das Seeing allerings den Anblick. Während sich der Horizont im W und SW zunächst gelblich und dann tief orange verfärbte, während der Himmel ein fast schon kitschiges Türkis aufzog, erblickten wir nur wenige Grad über den zackigen Gipfeln der Lienzer Dolomiten das Neulicht, die nur einen Tag alte, hauchdünne Sichel des zunehmenden Mondes. Im Fernrohr konnten wir bereits Details erkennen! Der Krater Neper war deutlich zu erkennen und die ganze Mondsichel war nicht breiter als dieser Krater! (Siehe Rükl, Karte 38). Im 60mm-Okular des RC nahm der Mond zwei Gesichtsfelder ein und wir fuhren die dünne Sichel auf und ab, bis sie -- vom Seeing total zerrüttet -- unterging.


Venus, strahlend hell über den Karawanken.


Unbeschreiblich: Das Neulicht über der Villacher Alpe!

In der Dämmerung beobachteten wir auch noch zwei von Menschenhand geschaffene Himmelserscheinungen: Einen spektakulären, -8mag hellen Iridium-Flare (die Lichtblitze, die durch Reflexion der Sonne an den Antennen dieser kleinen Satelliten entstehen, werden uns wohl abgehen, sobald die mittlerweile funktionslosen Satelliten allesamt entsorgt wurden) und eine wunderschöne Passage der internationalen Raumstation ISS, die an Helligkeit mittlerweile sogar schon Vega in der Leier übertrifft.

Nun war eine schöpferische Pause angesagt, wir ließen eine Sonderführung für eine Jugendgruppe passieren. Gegen 21 Uhr, es war jetzt schon völlig dunkel, setzten wir unsere Beobachtungen fort; die Venus war schon lange verschwunden, dafür waren Saturn und Jupiter im NE aufgegangen.

Jedes Fernrohr hat seinen eigenen Himmel; das ist so, und je größer ein Instrument, desto "eigener" sein Himmel. Dies erfuhren wir bei unserer langen und -- trotz der recht großen Zahl der Beobachter -- ergiebigen Deep Sky Tour.

Am Anfang stand der Ringnebel, M57 (diesmal brachte er kein Unglück). Den Zentralstern konnte man blickweise erkennen, aber nur bei indirektem Sehen. Wie überhaupt der Ringnebel nicht so brilliant hervorstach, wie wir uns das vorstellten. Grund: Leichter Dunst (siehe Bedingungen). Dieser Dunst dämpfte auch den Cirrus-Nebel, NGC6960. Einmal fuhr ich sogar darüber, ohne ihn zu bemerken (noch beherrschte die Steuerung des Instruments mich und nicht umgekehrt). Und hier zeigte sich auch der Effekt, daß jedes Fernrohr seinen Himmel hat: Für dieses Instrument war der Cirrus-Nebel einfach zu groß. Wir konnten, selbst in Weitwinkelokularen, nur einen ganz kleinen Teil davon auf einmal sehen. Da geht natürlich der Effekt verloren. Also kleinere Objekte ...

M33. Was zu beweisen war. Nur der Kern zu erkennen, dafür aber extrem deutlich und sternartig (den Kern aufzulösen geht definitiv erst ab 16" Duchmesser). Und die beiden H-II-Regionen NGC604 und IC143 stachen mehr als deutlich heraus. Viel deutlicher als in jedem anderen Instrument, mit dem ich bisher M33 beobachtet hatte. Jedes Fernrohr hat ... OK, genug damit. Kleinere Objekte war die Devise:

NGC 891, die schöne Kantengalaxie in der Andromedanebel. Ja, schon viel besser. Fast bildfüllend, länglich, recht geringe Flächenhelligkeit, aber das zentrale Staubband kommt sehr gut heraus. Bei indirektem Sehen wirklich sehr deutlich. Noch kleinere Objekte? Aber bitte, NGC 7662, der "Blue Snowball", ein bekannter planetarischer Nebel in der Andromeda. 22mm Plössl-Okular. Sehr hell, wirklich blau, deutlicher Zentralstern (13.7mag, deutlich heller als der des Ringnebels), ein deutlicher Ring, in dem man bei indirektem Sehen zwei dünne, ineinander verschlungene Ringe erkennen kann ("Sanduhr"). Ein sehr schöner Anblick. Jetzt verstehen wir, wieso das HST vorzugsweise so kleine planetarische Nebel aufnimmt.

Da leichter Dunst aufzog, sollten Kugelsternhaufen dankbare Objekte sein. M15 ist in der Tat prachtvoll! Bis ins Zentrum aufgelöst, gestochen scharfe Sterne. Man erkennt deutlich den sehr kleinen, sehr dichten Kern. Hans Peter und ich glauben, den planetarischen Nebel in M15 sehen zu können. Vielleicht nur Einbildung? Ich habe keine Karte, um das zu verifizieren... Auch M2 ist sehr schön. Auf dem Weg dorthin, dank Bill Gates, Ausfall der Steuerung. Reboot. Bis der Computer wieder fit ist, keine Feinbewegung, kein Fokus, nichts. Ungut, wenn man so völlig von einem Computer abhängig ist...

Zwischendurch zwei unspektakuläre Objekte: Der offene Sternhaufen NGC 1907 (auf Silvias ausdrücklichen Wunsch, denn der Sternhaufen im Fuhrmann spielt in ihrem astronomischen Praktikum eine Rolle) und M1, der wieder zu groß und zu flächig ist, außerdem behindert uns gerade wieder ein Dunstschleier in dieser Richtung.

Jetzt zu den beiden Planeten: Saturn ist enorm hell, und in ruhigen Momenten kommen viele Details heraus: Die Cassini-Teilung ohne Probleme, an den Ringenden blickweise auch die Encke-Teilung. Das Encke-Minimum im A-Ring ist auffällig, ebenso der gräuliche C-Ring. In den Wolkenbändern des Planeten sind einige Details zu erkennen. Zahlreiche Monde, vor allem ist Enceladus ohne indirektem Sehen problemlos zu erkennen. Jupiter sieht aus wie ein Foto. Die Details in seiner Atmosphäre lassen sich kaum aufzählen, Zahllose helle und dunkle Flecken in den sehr dunklen Äquatorbändern, mindestens drei Bänder in der Nord- und eines auf der Südhalbkugel, auch diese mit Störungen, und am Rand der GRF in sehr zartem Rosa. Eine Farbenpracht! Die Monde sich durchwegs als kleine Scheibchen zu erkennen.

Den glorreichen Abschluß bildet der Orionnebel, M42. Wir sehen "nur" das Zentrum, das aber mit unerreicht vielen Details. Am besten paßt wieder Georg Zottis Beschreibung, "wie die Zeichnungen aus dem 19. Jahrhundert". Ja, genau so hat es ausgesehen...

Fazit der Beobachtung: Wir waren etwas zu viele am Instrument, aber es hat sich gelohnt. Interessante und ungewohnte Anblicke, und eine trotz der Kälte recht heitere Stimmung.

Ende des Beobachtungsberichts.

Die Umstellung auf Normalzeit bescherte uns eine Stunde mehr Schlaf, und so erwachten wir ausgeruht an einem strahlenden Herbstmorgen, um nach dem Frühstück die Heimreise antreten zu können. Trotz der Panne mit der gesperrten Straße (schade, daß deswegen auch der Besuch am Sonnenobservatorium auf der Kanzelhöhe ausfallen mußte) ein gelunger Ausflug mit vielen Eindrücken, die wir sicher erst einmal verdauen müssen. Viel gelernt und Spaß gehabt, herzlichen Dank an Albert für die gute Organisation, Dank an die Kollegen von der AVK für die Mühe und Zeit, die sie sich für uns genommen haben!

Fotos von diesem Ausflug gibt es enorm viele, die schönsten werden wir nach und nach hier veröffentlichen!

Alexander Pikhard