Besuchsbericht, 29. April 2001

Name: Alexander Pikhard

Email: apikhard@eunet.at

Datum: 29. 3. 2001

Ort: Hayden Planetarium, New York

Ein Pflichtbesuch im doppelten Sinn; denn erstens war dieses Planetarium im "Big Apple", angeschlossen an das American Museum of Natural History, immer schon berühmt. Und es beherbergt seit kurzem den weltweit ersten Projektor der Bauart "Universarium IX" von Carl Zeiss, wie er demnächst in Wien installiert wird. Ich wollte dieses Gerät unbedingt vor der Wiener Premerie in Betrieb sehen...

Das alte Gebäde des Hayden Planetariums wurde abgerissen und durch einen extrem futuristischen Bau ersetzt, der sich harmonisch in die ohnedies bizarre Architektur Manhattans mit ihren teils sehr mutigen Bauten einreiht. In einem riesigen Glaswürfel von schätzungsweise 30-40 Metern Kantenlänge "schwebt" (auf Stützen) eine Kugel, das eigentliche Planetarium. Die Kugel dient gleich auch als Modell der Sonne, die Planeten sind im richtigen Größenmaßstab in der gläsernen Halle aufgehängt.

Man betritt das Planetarium durch eine breite Eingangshalle und gelangt über eine Treppe, oberhalb der eine kunstvolle Montage die Namen der Sponsoren aufz¨hlt, zur Basis der würfelförmigen Halle.

In einem Vorraum enthält die Halle Kassen und den extrem gut sortieren Shop (es gibt hier alles bis zum 16" Meade LX-200!). Im Basisbereich wird das heute beobachtbare Universum in einer sehr gut gestalteten Multimedia-Ausstellung mit vielen interaktiven Installationen erklärt. Hier sind auch einige zum Teil sehr große Meteoriten aus der Sammlung des Museums ausgestellt.

Blick man nach oben, dominiert die riesige Kugel des Planetariums, gegen die die Modelle der Planeten eher winzig wirken. Vom Boden der Halle windet sich eine riesige Spirale hinauf und mündet in die Kugel. In der Spirale, die nur von oben nach unten begangen werden darf, befindet sich eine Darstellung der Entwicklung des Universums vom Urknall bis heute. Sie mündet in die Ausstellung am Grund der riesigen Halle, dort wird das heute beobachtbare Universum erklärt.

Von einem Zwischengeschoß gelangt man in einen Raum, der sich ganz der Erde widmet und hochinteressante Installationen zu Thema Geologie, Meteorologie und Geodynamik zeigt.

Das Planetarium selbst kann nur per Lift erreicht werden. Etwa 10 Minuten vor der Show (Titel war "Passport to the Universe"), die stolze 19 USD Eintritt kostet, gelangt man per Lift in einen verdunkelten Raum, in dem auf 16 Plasma-Großbildschirmen (einer kostet bekanntlich rund 100.000,- ATS) ein Video läft, das auf das kommende Programm vorbereitet. Jeweils 2 bis 3 Minuten lange Sequenzen enden in einem kurzen Quiz, das der anwesende Moderator auch interaktiv gestalten kann, um vor allem jüngeren Besuchern die Wartezeit zu verkürzen. Keine schlechte Idee, die Besucher an die Dunkelheit zu gewöhnen. Das Video verrät auch einiges über die Show: Autor Anne Druyan, Witwe von Carl Sagan, Sprecher Tom Hanks. Spätestens jetzt spürt man, wieviel Geld in diesem Betrieb steckt!

Es wird Ernst: Die Türe der riesigen, fast frei schwebenden Kugel öffnen sich und durch einen Gang aus dunklem Glas gelangen wir in das Innere. Ein halbes Dutzend Sicherheitsleute schleusen in kürzester Zeit die rund 300 Besucher auf die bequemen Pl&aum;tze (die soll es auch in Wien geben, zum Glück!).

Die Show läft sehr unpersönlich ab, es sind wirklich nur Sicherheitsleute anwesend, und selbst die Aufforderung, nicht mit Blitz zu fotografieren und der Hinweis auf das Verbot von Ton- und Videoaufnahmen wird vom Schummelzettel heruntergelesen.

Auffällig: In der Mitte der Kuppel steht -- nichts. Na gut, versenkbare Projektoren gibt es in vielen Planetarien, hat unter anderem auch den Vorteil, daß die teuren Maschinen nicht verstauben. Irgenwann wird das Instrument schon auftauchen.

Dann beginnt die Show. Während es dunkel wird, produziert ein Computer mittels Barco-Kanonen wirre Grafiken an der Kuppel. Das wird als "pre flight check" verkauft und soll offenbar demonstrieren, welche Möglichkeiten die Computerprojektion bietet. Auch ein Laser mischt sich dann und wann ins Geschehen ein.

Dann die Anküdigung des Zeiss IX. Es wird ganz dunkel, der Boden beginnt zu vibrieren (!), dunkelblaues Licht fällt ein und - nein, kein Scherz - aus einer Wolke von Disco-Nebel erhebt sich der Projektor. Er ist nur schemenhaft auszumachen und wirkt sehr klein. Er hat ja auch nur mehr eine Fixsternkugel und das Planetengerüst fehlt völlig, da die Planetenprojektoren nicht mehr mechanisch, sondern mechatronisch angetrieben werden. Erneut Dunkelheit und -- Sterne!

Was für Sterne! Ich verspüre kurz Tränen in den Augen, und auch den Besuchern scheint es den Atem verschlagen zu haben, kein Ah! oder Oh! sondern nur Stille. Gestochen scharf. Keine Scheibchen. Szintillation! Kurz denke ich, "wie in der Wüste", aber halt -- die Sterne sind viel zu hell. Die Sterne der Andromeda haben rund 0mag, Capella -4mag. Unheimlich viele Sterne. Der Himmel wirkt sehr reich, was wohl daran liegt, daß Sterne bis 7mag dargestellt werden. Planeten waren keine zu sehen, auch kein Mond, trotzdem: Wow!

Und was war's dann auch schon! Schon in der nächsten Szene war das Bild deutlich unscharf. Was war passiert? Ganze 90 Sekunden durfte das Universarium IX Sterne zeigen, den Rest der rund 35 Minuten langen Show erledigte ein SGI Supercomputer über die Barcos. Unschärfer, aber spektakulär. Eine Reise von der Erde bis zum Rand des Universums und zurück. Man hatte ein dreidimensionales Modell des Weltalls einprogrammiert, zuerst mit korrekten Gestirnpositionen, dann, weiter draußen, wo konkrete Daten fehlen, mit einem statistischen Modell.

Wir verlassen das Sonnensystem. Beim Vorbeiflug an Jupiter und Saturn vibiriert wieder der Boden. Sollen wohl Gravitationswellen sein, oder was? Nächstes Ziel: Die Entstehung der Sterne. Der Flug zum und in den Orionnebel ist beeindruckend: Zuerst ein HST-Bild, dann eine gigantische dreidimensionale Computersimulation samt Umkreisung eines Protosterns. Ein Supercomputer eben.

Es geht weiter hinaus und wir sehen, nachdem Sterne so rasch an uns vorbeisausen, daß ein leichtes Schwindelgefühl aufkommt, die Milchstraße von außen. Ich frage mich, warum die Milchstraße aus geschätzen 200.000 Lichtjahren Entfernung so hell und spektakulär aussehen soll. Warum bitte soll der Eindruck heller sein als jener, den wir, aus wesentlich geringerer Distanz, haben?

Gegen Ende verfällt das ganze ins Milieu eines Rüttelkinos. Spektakuläre "Stürze" durch Sternfelder, wenn ein Stern oder später eine Galaxie nahe kommt, vibriert wieder der Boden. Schwindelerregende Computerstunts, aber jetzt schlagen die Special Effects beinhart zu. Höhepunkt am Ende: Zurück zur Erde durch ein Wurmloch, das ein Schwarzes Loch erzeugt hat. Beam me up, Scotty...!

Ende der Show. Es bleiben gemischte Gefühle. Dem Publikum hats offenbar gefallen und vielleicht verkauft sich Wissenschaft hier so besser. Oder überhaupt nur so. Vielleicht kriegen sie ja auch nur deshalb so viele private Gelder. Übrigens: Das Zeiss IX war eine Spende...

Alexander Pikhard