Seminar- und Beobachtungswochenende

Raiffeisen-Sternwarte Mariazell, 12.-14. April 2002

Text: Alexander Pikhard
Fotos: Alexander Pikhard, Anneliese Haika

Astronomische Beobachtungen lassen sich in unseren Breiten nicht planen, das ist bekannt. Allerdings, wenn es weiter hinaus gehen soll, noch dazu auf eine gut ausgerüstete Sternwarte, und man noch außerhalb Wiens übernachten will, dann muß das geplant werden, komme das Wetter, wie es wolle. Daher pflegen wir schon lange den Brauch, Wochenenden auf der Raiffeisen-Volkssternwarte Mariazell mit einem unserer bewährten Seminare zu verbinden, damit die Anreise nicht umsonst ist. Insider wissen natürlich, daß die Reise auf die Mariazeller Sternwarte nie umsonst ist ...

Der Wetterbericht verheißt für dieses Wochenende: Regen, Regen, Regen. Aber was soll's. Immerhin hat sich eine stolze Gruppe von letztlich 15 Personen für dieses erste Seminar- und Beobachtungswochenende 2002 gefunden, wohl auch, weil es mit "Besser beobachten - Merkur und Venus " ein gänzlich neues Thema gibt.

Die Anreise wird dem Wetterbericht gerecht, auch der Föhnsturm ist zeitweise beachtlich. Am Annaberg präsentiert sich der Ötscher wie ein Achttausender im Himalaya, nach dem Motto, man kann's ja mal versuchen ...

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Eine dicke Föhnwolke am Ötscher

Im Lauf des Abends treffen die meisten beobachtungshungrigen Teilnehmer mit sehr realistischen Gefühlen ein, und so genießen wir Speis und Trank in der Pizzeria. Während draußen der Himmel aufklart... Gegen 23 Uhr ein durchaus passabler Sternenhimmel, doch wir schätzen die Lage als zu unsicher ein und fahren nicht mehr auf die Sternwarte.

Am nächsten Morgen sieht die Welt ganz anders aus,

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nämlich freundlich! Die Sonne strahlt vom Himmel, und bald ist es zu warm für die Winterjacken. Der Föhn wirkt sich wieder einmal auf die für Mariazell so typische Art aus: Die Wolken bleiben im Süden, hinter den Bergen, hängen, im Norden bildet sich ein großes, freies Wolkenloch.

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Unsere Gruppe beim gemeinsamen Frühstück im St. Franziskus-Heim, das wir
diesemal ganz für uns allein hatten, Dank Angelika Eder.

Zu Mittag zieht es allerdings doch wieder zu, aber wir sind ohnedies schon alle in Erwartung des neuen Seminars (die Teilnehmer, weil sich keiner vorstellen kann, daß man einen Nachmittag lang über Merkur und Venus reden kann, und ich auch, denn ich bin sehr gespannt auf die Reaktion der Teilnehmer auf dieses anspruchsvolle Thema - ich weiß ja, was kommt ...).

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Das Seminar ist im Laufen, draußen klart es wieder auf.

Die Materie ist in der Tat sehr anspruchsvoll, den gut die Hälfte des Seminars nimmt in Anspruch, wie die Ekliptik in Bezug auf den Horizont liegt, zu verschiedenen Jahres- und Tageszeiten. Doch dann wird auch viel über die Beobachtung von Merkur und Venus verraten. So lauschen alle angespannt, auch die jüngste Teilnehmerin, die wir je bei einem Seminar hatten: Sie ist noch nicht einmal ein Jahr alt! Ob ihr erstes Wort "Merkur" sein wird?

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Es klart auf; kritische Blicke zum Himmel ...

Je später der Abend, desto klarer wird der Himmel, die Wolken verziehen sich wieder, auch der Wind legt sich. An sich eine labile Angelegenheit, doch für einige Zeit könnte es ja reichen. Im Süden ist es schon sehr klar. Günther und Anneliese holen Pizza aus dem Tal. Während wir essen, wird es dunkel.

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Im Westen eine dramatische Stimmung, aber auch hier verschwinden die Wolken bald.

Merkur (wäre sowieso nur bei optimalen Bedingungen gegangen) und Venus bleiben leider verborgen, aber die restlichen Objekte tauchen nach und nach auf einem unheimlich klaren Himmel auf. Die Transparenz der Atmosphäre ist beeindruckend.

Jupiter ist natürlich das erste Objekt unseres Beobachtungsabends, und auch wenn 15 Leute geduldig aufs Durchschauen warten, riskieren mache doch schnell ein Foto. Mit den Digitalkameras ist das ja auch ganz leicht und geht sehr schnell. Kein umständliches Anschließen mehr, das den wartenden den letzten Nerv raubt.

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Ein Schnappschuß von Jupiter, trotz nicht ganz optimalem Seeing. Rechts meine Aufnahme,
1/50s bei 100 ASA durch das 16" LX-200.

Jetzt klart es auch im Norden auf, und wir schwenken Rohr und Kuppel zum Kometen C/2002 C1 (Ikeya-Zhang). Und auch wenn der Komet seine größte Helligkeit schon hinter sich hat, so deutlich hatten wir ihn noch nie gesehen. Wie ein heller Stern mit freiem Auge, unterhalb der Cassiopeia. Wunderschön im Feldstecher, beeindruckend die Kernregion im großen Fernrohr.

Die meisten beobachten mit diversen Feldstechern, was am nächsten Morgen den einen oder anderen Muskelkater zur Folge hat! Ich montiere trotz des Trubels meine MX916-CCD-Kamera mit 135mm Teleobjektiv huckepack ans LX-200. Nach einige Einstellproblemen kann ich so Feldaufnahmen mit einem scheibaren Bildfeld von 3,7° x 2,8° machen, während die anderen visuell an zwei Rohren - 16" LX-200 und 5" Refraktor - beobachten.

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Komet Ikeya-Zhang, 2 Minuten Belichtungszeit. Wunderschön der Schweif, jetzt wieder mit deutlichem dünnen Gasschweif. Was aber bitte ist das deutliche diffuse Objekt links oberhalb des Kopfes, das auf der Aufnahme nicht zu übersehen ist (und auch auf allen anderen Aufnahmen drauf ist)? Rechts die Karte aus TheSky, und auch Uranometria 2000.0 zeigt an dieser Stelle nichts. Der dort in der Nähe verzeichnete planetarische Nebel PK113-6.1 steht an einer etwas anderen Position und wäre wohl auch viel kleiner. Hat sonst jemand dieses Objekt beobachtet? Andreas Berthold und Wolfgang Vollmann finden die Erklärung:

Das merkwuerdige nebelige Objekt nahe dem Kometen Ikeya-Zhang
hat nach meiner Skizze auf der Uranometria den Ort (2000)
23h46,5m +54°30'. 

Dort liefert Simbad (http://cdsarc.u-strasbg.fr) den Veraenderlichen
RT Cas: 23 46 24.3 +54 29 09, 10.8mag V und Spektraltyp M7.
Dieser Stern strahlt stark im Infraroten. Wenn Du keinen
IR Sperrfilter und ein normales Teleobjektiv benutzt hast (das
natuerlich im IR eine andere Fokuslage hat), dann duerfte der
CCD-grafierte Nebel eine unscharfe Abbildung von RT Cas sein!

Nach dem Kometen geht es an Galaxien, und bei der extrem klaren Durchsicht (kurzzeiti schätzen wir die freisichtige visuelle Grenzgröße auf ca. 7mag) sind diese Objekte im 16" ein Traum. Den Anfang macht M66. Hier ist der Balken ohne Schwierigkeiten zu sehen, auch die Arme, deutlich auch der helle Kern.

Bild 11a Bild 11b

Während M66 beobachtet wird, mache ich eine Aufnahme des ganzen Feldes. Wunderschön sind auch M65 und NGC 3628 zu erkennen, in ihren länglichen Formen und gegeneinander verdreht. Auch NGC 3595 ist deutlich zu erkennen. Eine sehr schöne Region im Löwen.

Visuell ist auch M65 sehr schön, länglich mit deutlichem Kern. Einige haben sich schon sattgesehen und setzen das gesellige Beisammensein einen Stock tiefer im Aufenthaltsraum fort; fein, so bleibt mehr Zeit zum Beobachten!

Günther macht uns Lust auf Kantengalaxien, und so ist NGC 4631 in den Jagdhunden das nächste Ziel. Auch der kleine Begleiter NGC 4627 ist deutlich zu sehen.

Bild 12a Bild 12b

In meinem Sternfeld erkenne ich auch NGC 4656, den "Hockey Stick". Die beiden sehr dünnen, länglichen Galaxien geben ein wunderschönes Bild ab! 
Nächstes Ziel: Die wunderschöne Kantengalaxie NGC 4565 im Haar der Berenike. Ein traumhaftes Objekt im Fernrohr, bei solchen Bedingungen!

Bild 16a Bild 16b

Nun geht es in den Virgo.Haufen, zu M100, die im 16" deutlich die Spiralarme zeigt.

Bild 13a Bild 13b

Auf der Aufnahme mit dem 135mm Tele sind noch viele andere Galaxien zu erkennen. Deutlich ist M99, aber auch das ungleiche Paar NGC 4298 und NGC 4302.

Im Süden werden die Bedingungen jetzt wieder schlechter, Dunst scheint aufzuziehen. So schwenken wir noch einmal rasch nach Nordosten, um zwei schöne Galaxien im Großen Bären zu besuchen: M51 und M101. Letztere liefert sogar schon bei 135mm eine wunderschöne Spirale, so groß ist dieses Objekt!

Bild 14a Bild 14b

Bild 15a Bild 15b

Gegen 23.30 Uhr MESZ zieht eine Wolkendecke über Mariazell und wir beenden die sehr schöne Beobachtung. Es geht noch einige Zeit gemütlich weiter. Auf dem Heimweg, es hat doch noch einmal aufgemacht, steht der Komet Ikeya-Zhang noch immer hell über der Bürgeralpe und ist mit freiem Auge nicht zu übersehen.

Am nächsten Morgen: Der versprochene Regen. Aber jetzt stört er nicht. Es war wieder einmal ein Erlebnis...

Wieder einmal gebührt unser Dank Günther und Angelika Eder für die aufopfernde Gastfreundschaft. Und die übliche "Drohung": Wir kommen wieder!

Alexander Pikhard