Zwergnova U Geminorum, die Grenzgrösse und ein Kleinplanet

Wien 21/Stammersdorf, 11. 02. 2004

20040211wvo23.html

Beobachter:Wolfgang Vollmann
Datum:11. 02. 2004
Zeit:23.20 bis 23.30 MEZ
Ort:Wien 21/Stammersdorf
Instrument:Refraktor 130/1040mm
Bedingungen:

Durchsicht:ausreichend (3)
Aufhellung:ausreichend (3)
Freis. vis. Grenzgroesse:4.5
Temperatur:-3 °C

Bericht:

Am späteren Abend gab es noch einige Wolkenlücken und ich versuchte die Zwergnova U Geminorum zu sehen. Sie ist nicht weit entfernt von Pollux in den Zwillingen zu finden. Es gab vorigen November einen Beobachtungsaufruf der AAVSO, den Stern zu beobachten und den Ausbruch zu melden: http://www.aavso.org/publications/newsflash/sp11.shtml. Im Ausbruch soll dann ein Satellit (RXTE) den Stern im Röntgenlicht beobachten. Karten mit Koordinaten und Vergleichssternen sind hier zu finden: http://www.aavso.org/cgi-bin/searchcharts3.pl?name=u Prozent20gem, z.B. die für die meisten Zwecke ausreichenden B-Karte, C-Karte, D-Karte (in immer grösserem Massstab).

U Geminorum war heute um 23h28 MEZ wieder nicht zu sehen. Der schwächste sichtbare Stern im Gesichtsfeld war der auf der Karte mit 13,3mag angegebene Vergleichsstern. Ich notierte die Beobachtung also mit "schwächer als 13,3mag". Andere Beobachter in derselben Nacht beobachteten den Stern mit 14,4mag (siehe z.B. das Quick Look File, Suchkriterium: U Gem).

U Gem ist im Minimum normalerweise um die 14mag hell, im Ausbruch kann die Helligkeit bis auf heller als 9mag ansteigen. Der letzte Ausbruch wurde Mitte August 2003 beobachtet; seither sind etwa 180 Tage vergangen -- da die Ausbrüche mit einer Periode von im Mittel 105 Tagen aufeinander folgen, ist U Gem also schon ziemlich "überfällig". Die Periode muss aber bei diesem Stern nicht sehr ernst genommen werden: U Geminorum ist ein sehr enges Doppelsternsystem, bei dem der Hauptstern Materie vom Begleiter in einer Akkretionsscheibe aufsammelt. Von Zeit zu Zeit wird die Scheibe instabil und wir beobachten einen Helligkeitsausbruch (siehe den AAVSO-Artikel zu U Gem: http://www.aavso.org/vstar/vsots/0299.shtml). Bei wirklich pulsierenden Veränderlichen wie Delta Cephei oder Mira schwingt der ganze Stern und da ist die Periode des Lichtwechsels viel genauer eingehalten -- etwas so Grosses wie einen Stern bringt man nicht so leicht aus der Ruhe! Genaueres findet man in den Artikeln zu den verschiedenen Sternsorten bei Variable Star of the Season.

Interessant für mich als Veränderlichenbeobachter ist auch die erreichbare Grenzgrösse (schwächster sichtbarer Stern) in meinem 130mm Fernrohr. Sehr oft erreiche ich 13,3mag, selten auch 13,8mag, obwohl ich unter sehr merkbar aufgehelltem Himmel am Stadtrand von Wien beobachte. Bei höherer Vergrösserung (ich verwende 115 bis 208x) wird der aufgehellte Stadthimmel so stark abgedunkelt, dass ich nur etwa eine Grössenklasse gegenüber der Beobachtung mit demselben Fernrohr unter wirklich guten Bedingungen verliere. Die Beobachtung von Nebeln und Galaxien wird vom Stadthimmel viel mehr gestört als die Beobachtung schwacher Sterne. Den "Trick" mit der hohen Vergrösserung lernte ich übrigens von Ernst Mayer, einem Veränderlichenbeobachter aus Baden/NÖ (meinem Heimatort), der nach Ohio/USA übersiedelte und dort unter Vorstadtbedingungen mit einem selbstgebauten 25cm Newton bei Vergrösserungen bis 400x Sterne bis zur 16.Grösse beobachtete. Zum Thema "Grenzgrösse" gibt es übrigens einen sehr interessanten Artikel von Mel Bartels: http://members.efn.org/~mbartels/aa/visual.html. Die dort gegebene Tabelle für die Grenzgrösse bei Sternbeobachtungen deckt sich sehr gut mit meinen Erfahrungen.

Ich beobachte U Gem schon seit vielen Jahren. Es gibt jedes Jahr eine grössere Beobachtungslücke weil U Gem nahe der Ekliptik steht. Am Abend des 7.Feb.1998 beobachtete ich mit meinem 130mm Refraktor ebenfalls den Stern. Auf den ersten Blick glaubte ich den Stern im Ausbruch zu sehen. Aber warum war er nur 12mag hell und auch der Ort stimmte nicht ganz genau! Mit dem Minor Planet Checker fand ich aber schnell heraus, dass ich zufällig den Kleinplaneten (182) Elsa gefunden hatte; U Gem war im Minimum und der Kleinplanet nur etwa eine Bogenminute vom Ort entfernt. Späteres Nachlesen über den Kleinplaneten ergab, dass er am 7.Feb.1878, gerade 120 Jahre vor meiner Beobachtung, von Johann Palisa, dem grössten visuellen Kleinplanetenentdecker aller Zeiten, in Pola gefunden wurde. Nachzulesen ist das z.B. im Artikel von Herbert Raab: http://www.astrometrica.at/Papers/Palisa.pdf.