Überraschungsnacht

Sternwarte Mariazell, 17. 04. 2004

20040417api21.html

Beobachter:Günther Eder, Alexander Pikhard
Datum:17. 04. 2004
Zeit:21.00 bis 03.15 MESZ
Ort:Sternwarte Mariazell
Instrument:16" Meade LX-200 und 800mm Canon Teleobjektiv
Bedingungen:

Durchsicht:sehr gut (1)
Aufhellung:sehr gut (1)
Seeing:gut (2)
Freis. vis. Grenzgroesse:7.0
Temperatur:4 °C
Bemerkungen:Zuerst bedeckt. Dann Regen. Dann wolking. Und dann ... makellos!

Bericht:

Mariazeller Nächte sind immer für Überraschungen gut, das ist bekannt. An diesem Abend bin ich an sich nicht darauf eingestellt. Vielmehr komme ich nach Mariazell, um die neue Montierung des Hauptinstruments kennen zu lernen und mit Günther Eder ein paar EDV-technische Sachen an der Sternwarte zu besprechen und durchzuführen.

Die Ankunft auf der Sternwarte ist auch eine kleine Überraschung. So, als wäre das die natürlichste Sache der Welt, schliesst sich mir auf dem Weg vom Auto zur Sternwarte eine gar nicht so kleine Gruppe von Personen an und ist auch wirklich genau an der Sternwarte interessiert. Hochzeitsgäste aus Vorarlberg sind es und sie ahnen erst nach einiger Zeit, welchem Zufall sie es verdanken, dass gerade jetzt jemand auf die Sternwarte kommt. So gibt's eine kleine Führung, die erste am neuen Instrument, während sich der Himmel mehr und mehr verfinstert.


Günther unter seinem neuen Lieblingsspielzeug

Nach einer Stunde verlassen unsere weit gereisten Gäste die Sternwarte, bestens informiert, aber ohne einen echten Blick durchs Fernrohr, sieht man von ein paar Sonnenstrahlen zwischen Wolken ab. Es beginnt zu regnen. Günther und ich überlegen gerade, ob wir die Computeranlage in der Kuppel komplett auseinander reissen und neu installieren, als das Telefon läutet.


Technik begeistert doch immer wieder!

Es ist Angelika, die uns mitteilt, dass der Himmel klar ist! Wir ändern unsere Pläne spontan und öffnen die Kuppel.

Was jetzt folgt, kann man als die x-te Auflage des "Wunders von Mariazell" einstufen [bin schon gespannt, welche Mails und Anrufe ich jetzt wieder bekomme, wenn Google auf diesen Bericht stösst :-)]. Jedenfalls folgt die beste Beobachtungsnacht, an die ich mich an diesem Ort erinnern kann! Durchsicht jenseits von sehr gut, Seeing mindestens gut, wenn nicht sogar sehr gut, 7mag im kleinen Bären nach kurzer Dunkelanpassung. Die Kuppel hält den leichten Wind und die enorme Feuchtigkeit ab, was will man mehr.

Venus ist gut, Saturn weniger. Ein seltsamer Effekt, von diversen Plätzen in letzter Zeit beobachtet. Bei Saturn ist das Seeing schlecher als sonstwo. Zufall, was sonst, aber trotzdem komisch. Und dann Jupiter ... - ... - ... ich kann das andächtige Schweigen nur schlecht wiedergeben, der Anblick ist einfach ein Traum. Und dann muss die Webcam her. Ja, die habe ich mit, und auch die CCD-Kamera. Warum? Siehe "Wunder von Mariazell". Man will ja auf alles vorbereitet sein. Also eine Aufnahmeserie mit 4m Brennweite. Viele Details schon im Live-Bild. Das muss gestackt werden. Wow ...


Jupiter bei 4m (Originalgröße). Man beachte die Details im GRF und Io (links)

Wir versuchen auch eine Aufnahme mit 2x-Barlowlinse, also 8m Brennweite. Da passt Jupiter gerade noch auf den Chip der ToUCam! Aber leider lassen sich nicht mehr Details herausholen, da ist doch Restseeing da.

Es wird immer klarer, letzte Wolkenreste verschwinden. Gut, dass ich die CCD-Kamera mit dabei habe. Wir wollen das neue 80mm Teleobjektiv ausprobieren, ebenfalls eine Dauerleihgabe an die Sternwarte, wie auch der Starfire-Refraktor, für den das neue Objektiv jetzt als "Gegengewicht" fungiert. Ein erster Test zeigt: CCD mit Objektiv erfordert einen IR-Sperrfilter. Mit diesem werden die Sterne recht scharf, zumindest die schwächeren. Jetzt geht es an Belichtungstests. Zuletzt, auf der alten Gabelmontierung, lag das Limit bei 20 bis 30 Sekunden ohne Korrektur. Ich teste. Eine Minute: Gestochen scharfe Punkte! Zwei Minuten: Noch immer nadelfeine Sterne! Drei Minuten gehen auch noch. Erst bei 5 Minuten macht sich bemerkbar, dass die Montierung noch nicht hundertprozentig eingescheinert ist. Na, wenigstens bleibt noch ein bisserl Arbeit.

Über uns strahlt der Frühlingshimmel in voller Pracht. Voll mit Galaxien! Günther hat einen Katalog, wir suchen uns die interessantesten Objekte und fotografieren sie nach. Serien von 10 Aufnahmen zu je 3 Minuten, das macht eine halbe Stunde Belichtungszeit pro Objekt, da bleibt viel Zeit zum Fachsimpeln und Blödeln. Und so nebenbei sehen wir recht feine Rohbilder.

Ich nehme mit voller Auflösung, ohne Binning auf. Da ist das Signal/Rauschverhältnis der MX916 nicht gerade umwerfend, leider. Es ist wie der Witz mit dem Bier und dem Salzstangerl: Jetzt, wo die Nachführung gut funktioniert, kommen die Unzulänglichkeiten der Kamera ans Licht. Dunkelstromabzug hilft nur bedingt, denn der Dunkelstrom der MX916 ist ein rechtes Zufallsmuster, von den gröbsten Defekten einmal abgesehen.

Jetzt die Bilder, für alle, die schon darauf warten. Viele sind es nicht, aber bei den Belichtungszeiten ist in einer Nacht nicht mehr drin.


M51, der Klassiker, 3 x 3 Minuten, verkleinert


M106 in einem Feld mit vielen schwachen Galaxien. 10 x 3 Minuten, verkleinert.
Günther Eders Ausarbeitung aus 4 x 3 Minuten zeigt noch mehr schwache Galaxien!

Eine zweite Aufnahmeserie der benachbarten Galaxie NGC4217 (hier Günther Eders Ausarbeitung) wird von Günther zu einem beeindruckenden Bildmosaik montiert, wir nennen es scherzhaft das "Mariazell Deep Field". Immerhin zeigt es Galaxien bis jenseits von 15mag.


NGC 4631 (rechts oben) und NGC 4656 ("Hockey Stick") links unten, 10 x 3 Minuten, verkleinert


NGC 4395 ist eine sehr merkwürdige Galaxie in den Jagdhunden. 9 x 3 Minuten, verkleinert

Einmal, mitten unter der Beobachtung, schreckt uns die neue Paramount Montierung durch Dauerhupen. Was ist passiert? Ein Defekt? Ein Softwarefehler? Nein, wir sind beim Nachführen in den "Umlegebereich" gekommen und das Fernrohr warnt uns, dass es nicht mehr lange nachführen kann. Intelligent!

Nach drei Uhr ist die Müdigkeit größer als die Motivation, den einmalig klaren Himmel noch länger zu beobachten. Dabei gäbe es noch so viele Objekte! Die Milchstraße im Schwan steht schon recht hoch im Nordosten, die Leier schon beachtlich hoch im Osten, der Skorpion im Südosten ist auch schon aufgegangen, all die schönen Gegenden der warmen Jahreszeit. A propos: Es ist ziemlich kühl geworden. So schließen wir dann doch die Sternwarte.

Es war eine Sternstunde. Noch dazu eine unerwartete, die zweite Überraschung an diesem Wochenende. Ob ich am nächsten Vormittag, etwas müde, ahne, dass es nicht die letzte an diesem Wochenende sein wird?