Little Namibia

Berichte:

Haben wir nicht erst vor wenigen Tagen davon gesprochen, dass das heurige Jahr, das uns so wenig Gelegenheit zum Beobachten gegeben hat, dennoch ein Jahr war, das vom Glück im entscheidenden Moment geprägt war. Hier folgt das nächste Kapitel in diesem Sternenmärchen ...

Fahrt ins Blaue

Viel zu oft haben in den letzten Monaten Wolken den Blick zum Himmel verdeckt. Wer den Sternenhimmel in seiner vollen Pracht genießen will, hat es in unseren mitteleuropäischen Breiten ja wirklich nicht leicht. Also packen wir wieder einmal unsere Ausrüstung zusammen, um den schlechten Bedingungen zu entfliehen ... - Halt! Das ist doch der Beginn unserer Namibia-Show "Unter dem Kreuz des Südens". Was hat denn das mit Mariazell zu tun?

Nun, eine ganze Menge. Denn ähnlich wie bei einer Reise nach Namibia haben wir diesmal ziemliche Gewissheit, dem ebenfalls gewissen Schlechtwetter in Wien zu entkommen.

Ein stabiles Hochdruckgebiet liegt über Mitteleuropa. Während die Niederungen unter einer dichten Nebeldecke versinken, herrscht in den Bergen strahlendes Wetter. Daran wird sich noch lange nichts ändern, wie die Satellitenbilder untrüglich bestätigen.

So fahren wir im wahrsten Sinn des Wortes ins Blaue - unter einen blauen Himmel, der bald, wenn die Sonne im Südwesten versunken sein wird, in eine tiefschwarze Nacht übergehen wird.

Die Cirren, die heute Nachmittag den Himmel überziehen, stören uns nicht und lösen sich am Abend rasch auf. Während im Tal der berühmte Mariazeller Adventmarkt erst so richtig stimmungsvoll wird, beginnt hoch über der Stadt die erste unglaubliche Beobachtungsnacht. Ein Teleskop nach dem anderen wächst aus dem eisigen Boden dem unglaublich dunklen Himmel entgegen.

Die Nacht ist in der Tat bemerkenswert; obwohl sich heute keine Nebeldecke über das Tal legt und das Licht von Mariazell daher heute besonders stört, ist der Himmel vor allem in der Osthälfte extrem dunkel und die Milchstraße spannt sich von Horizont zu Horizont. Selten, dass man ihren Verlauf am Winterhimmel so strukturiert verfolgen kann.

Die größten Sehenswürdigkeiten werden beobachtet: Der Andromedanebel, die Dreiecksgalaxie, der Große Orionnebel, der Komet Machholz. Aber auch viele weniger bekannte Objekte werden bestaunt.

Wenn man schon um 17 Uhr mit dem Beobachten beginnt, wird die Nacht lang. So kommt unter diesem wunderbar klarem Himmel ein Gefühl wie in Namibia auf: Die Milchstraße überzieht den Himmel in einer nicht enden wollenden Nacht. Zum Glück ist die Sternwarte da, um sich in den Pausen aufzuwärmen - ein Gefühl wie auf Hakos.

Little Namibia, Teil 1

Der unglaublich blaue Himmel

Wir haben in dieser Nacht "nur" bis etwa drei Uhr beobachtet, es wäre bis etwa 6 Uhr astronomisch dunkel gewesen. Doch die Last der vergangenen Arbeitswoche war wohl doch zu groß gewesen.

Normalerweise steht an einem Wochenende in Mariazell gemütliches Spazierengehen durch die Stadt auf dem Programm, doch nicht heute. Der unglaublich blaue Himmel läßt uns den Adventmarkt vergessen und schon gegen Mittag wieder auf die Sternwarte fahren, um die Sonne zu beobachten.

Rasch bauen Kurt und Christine das 10" Meade der WAA auf; der mitgebrachte Hα-Filter erweist sich als Hit, denn bei so klarem Himmel sind die Protuberanzen der Sonne wirklich leicht und deutlich zu sehen, während die Flecken mangels Sonnenaktivität so gut wie fehlen.

Es wird ein bemerkenswerter Nachmittag. Unzählige Spaziergänger finden Gefallen an dem für eine Alm sehr ungewöhnlichen Treiben und schließen sich unserer gemeinsamen Sonnenbeobachtung an. Viele Familien sind dabei und die Kinder haben enormen Spass, durch ein Fernrohr schauen zu dürfen.

So betreiben wir astronomische Volksbildung von ihrer schönsten Seite: Spontan, locker, heiter, in Urlaubsstimmung. Für viele ist es der erste Blick durch ein Fernrohr und die aus der Sonne emporstrebenden Protuberanzen sind bei dem klaren Himmel ja wirklich beeindruckend.

Am späten Nachmittag geht sich aber doch ein rascher Besuch am stimmungsvollen Mariazeller Adventmarkt aus. Das kulinarische Angebot nützen wir für ein verspätetes Mittagessen - Erdäpfelsuppe, Kasspatzen und Vanillewaffeln sind ein recht rustikales Menü. Dazu köstlicher Punsch - nicht zu viel, sonst leidet die kommende Beobachtungsnacht!

Und immer wieder Blicke zu dem unglaublich blauen Himmel ... er läßt uns die vorweihnachtliche Stimmung nebensächlich erscheinen und ist für uns doch wie ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk. Unglaublich, wie dunkelblau der Himmel sein kann. Und heute steht keine einzige Cirre am Himmel.

Je weiter die Dämmerung voranschreitet, desto mehr sind wir im Gedanken schon wieder beim Beobachten. So fahren wir wiederum schon gegen 17 Uhr auf die Sternwarte hinauf, in Erwartung einer weiteren großen Beobachtungsnacht.

Die Stehralm liegt unter einer kristallklaren Abenddämmerung und tatsächlich ist es hier merklich wärmer als im Tal.

 

Nightfall

In der strahlend klaren und auch schon recht kühlen Dämmerung bauen wir wieder unsere Instrumente auf. Es sind heute noch mehr als in der letzten Nacht, und die Stars sind heute Rolands 18" Dobson und Wolfgangs 7" Astrophysics Refraktor.

Eigentlich ist es ja die Winter Star Party - und im Gegensatz zur verregneten Summer Star Party gibt es heute in erster Linie Stars. Die Party dabei ist das Teleskoptreffen und das gemeinsame Beobachten.

Entsprechend kurz ist das gemeinsame Abendessen auf der Sternwarte. Als wir uns dazu einfinden, haben viele schon ein bis zwei Stunden lang beobachtet. Alle sind in Gedanken draußen unter dem herrlichen Sternenhimmel, und es wundert nicht, dass es nach dem Essen niemanden lange im Haus hält.

Das gemütliche Beisammensein, das unsere Star Parties prägt und in so mancher Schlechtwetterphase die Reise nach Mariazell nicht umsonst werden liess, das findet heute im Freien statt.

Wieder dürfen wir eine traumhafte Sternennacht erleben, die zweite an diesem Wochenende. Normalerweise sind wir ja glücklich, wenn eine oder gar nur ein Teil einer Nacht gute Beobachtungen erlaubt, doch dieses Wochenende wird in unsere Chronik als das beste eingehen, das wir hier in Mariazell je erleben durften. Zwei perfekte Nächte!

Die Milchstraße zieht sich wieder von Horizont zu Horizont, und auch wenn es anfänglich nicht ganz so klar war wie in der Nacht zuvor, die Bedingungen werden wieder besser. Nur das Licht von Mariazell stört sehr, denn es fehlt auch heute wieder der Nebel im Tal.

Überall wird eifrig beobachtet und auch fotografiert, vor allem auch in der Kuppel, wo an so ziemlich allen Rohren CCD-Kameras hängen. Eine Stimmung, wie eben sonst nur in Namibia.

Little Namibia, Teil 2

Strahlender Vormittag

Wir haben wiederum bis etwa drei Uhr beobachtet, das sind zehn Stunden Beobachtung - wirklich wie in Namibia. Dabei wären noch drei weitere Stunden möglich gewesen. Ob das Argument, dass wir die Frühlingssternbilder in drei, vier Monaten besser beobachten können, nicht doch nur eine Ausrede war?

Ein strahlender Vormittag mit tiefblauem Himmel macht es uns schwer, an die Abreise zu denken. Wir fahren auf die Sternwarte, um unsere Geräte abzuholen, und da muss es einfach sein: Wir beobachten noch einmal die Sonne.

Doch dann heisst es endgültig, Abschied zu nehmen - von Mariazell und diesem herrlichen Wetter. Die Landschaft im Halltal und dann im Mürztal erinnert an Kanada: Grüne Wälder, darüber schneebedeckte Gipfel, und darüber ein unglaublich blauer Himmel. Tempo will nicht aufkommen, irgendwie ist man nicht bereit für die Heimfahrt.

Bei strahlendem Sonnenschein fahre ich in den neuen Semmeringtunnel, der an diesem Tag kein wirkliches Ende hat: Am Tunnelausgang tauche ich in den dichten, grauen Nebel ein. Das war's dann - bis zum nächsten Mal!

Von allen Beobachtungswochen, die wir in den letzten Jahren in Mariazell verbracht haben, war dieses mit Sicherheit das beste, und es wird schwer sein, es zu übertreffen. Die langen, klaren Nächte, die Milchstraße, die vielen mehr oder weniger bekannten Objekte werden uns noch lange in Erinnerung bleiben.

 

Wir haben dieses Wochenende "Little Namibia" getauft, weil uns die astronomischen Bedingungen und die Stimmung auf der Sternwarte ganz stark an unsere Aufenthalte in Hakos erinnert haben. Im Gedanken waren wir weit weg, und doch so nah ...

Einige Tage später, auf der Ebenwaldhöhe, in einer weiteren bemerkenswerten Nacht, bringt es Tahir Saban auf den Punkt: Eigentlich können wir uns glücklich schätzen, in einer Gegend zu leben, in der doch dann und wann ein wirklich toller Sternenhimmel möglich ist und man nicht neun Flugstunden davon entfernt ist.

Wir sollten alles daransetzen, das zu bewahren. Der helle Lichtschein vom Hirschenkogel stimmt uns sehr nachdenklich ...

 

Text und Fotos: Alexander Pikhard