Antares-Bedeckung

Wörth bzw. Unterstorcha bei Kirchberg a. d. Raab / ST, 04. 02. 2005

20050204twe04.html

Beobachter:Thomas Weiland
e-Mail:weiland@a1.net
Datum:04. 02. 2005
Zeit:04.00 bis 05.00 UT
Ort:Wörth bzw. Unterstorcha bei Kirchberg a. d. Raab / ST
Instrument:Spektiv 30x75 auf Stativ
Bedingungen:

Durchsicht:gut (2)
Seeing:ausreichend (3)
Wind:kein
Bemerkungen:Wolkig, leicht dunstig.

Bericht:

Manche Sternbedeckungen sind so selten, dass man sich schon lange im voraus darauf freut. Dazu gehört auch Antares, der zu den hellsten Sternen zählt, die der Mond bedecken kann. Ich wollte also, sofern es das Wetter zuließ, die erste - und günstigere - der beiden Bedeckungen des Jahres 2005 keinesfalls verpassen.

Schon Tage zuvor hatte ich mir für unterschiedliche Wetterlagen diverse "Notfallszenarien" überlegt. Doch, wie schon oft, die Realität sah anders aus. 12 Stunden vor der Bedeckung lagert noch immer feuchte Luft über Mitteleuropa, und das angekündigte Hoch lässt auf sich warten. Dazu kommt, dass die einzelnen Wettermodelle unterschiedliche Angaben liefern. Kurz gesagt: auch 6 Stunden vorher weiß ich immer noch nicht, ob bzw. wohin ich fahren soll. Als jedoch das Satellitenbild über der östlichen Steiermark Anlass zur Hoffnung gibt, ist mein Entschluss gefasst: Rauf auf die A2 und, sobald sich Lücken auftun, wieder ab. Um 00:45 MEZ verlasse ich schließlich mit vollem Tank Wien. Mit im Gepäck meine Ausrüstung, die einer mittleren Expedition zur Ehre gereicht hätte: Fernrohr, Spektiv, Feldstecher, Fotostativ, Laptop, GPS, Stoppuhr (die läuft bereits), Notizbuch, Schreibzeug und was man sonst noch alles braucht ... sowie Verpflegung und Glückwünsche von meiner Frau! Nur auf die Schneeschaufel habe ich vergessen ...

Schon während ich den tief verschneiten Wechsel überquere, scheint sich meine Hoffnung zu erfüllen - Jupiter und Spica schimmern durch, später sehe ich auch Saturn und die Zwillinge. Nach Pinkafeld ist es dann über weite Strecken klar. Eigentlich könnte die Fahrt beenden, doch ich will auf Nummer sicher gehen und taste mich noch ein wenig vor. Bei Fürstenfeld fahre ich schließlich ab. Eine Tankstelle kommt für eine Pause wie gerufen, sie besitzt einen Internet-Anschluss (aktuelles Satellitenbild, fein!), doch der funktioniert natürlich nicht. War auch besser so, angesichts der prekären Lage hätte ich wohl entnervt aufgegeben. Als ich mich nämlich gegen 03:30 MEZ aufmache, um gemütlich einen Platz zu suchen, erkenne ich plötzlich - eine Wolkenwand! Sie kommt geradewegs aus Südosten auf mich zu und sieht bedrohlich aus. Also wieder rauf auf die A2, weitere 20 km nach Westen und hinein ins Tal der Raab - fast genau auf den Mond zu, der noch tief über dem Horizont steht. Zwar sind es noch 40 Minuten bis zum Eintritt, doch langsam wird die Sache eng. Auch hier ziehen Wolken bedrohlich herum, jetzt ist fast die gesamte Westhälfte des Himmels bedeckt. Bei Kirchberg (genauer gesagt Wörth) werde ich von meiner Suche erlöst - eine Straßenkreuzung, doch dunkel, kaum befahren und fein säuberlich vom Schnee befreit. Da ich Risiko scheue (knapp 15 Minuten ...) verzichte ich auf das Fernrohr und greife zum Spektiv. Wenige Minuten später "steht" die Sache und ich kann Antares erkennen, wie er sich flackernd anschickt, mit der südlichen Hornspitze des Mondes zu kollidieren. Na ja, berühmt ist das Seeing nicht, bei 30x fällt es aber nicht so ins Gewicht. Und in der Tat kann ich den Eintritt einwandfrei stoppen, exakt um 04:08:00,0 UTC kommt das "Aus" (persönliche Gleichung (0,4s) bereits abgezogen). Rasch bestimme ich noch mittels GPS den Ort (15°46'21" E; 46°58'36,5" N; 320 m; WGS 84), dann mache ich mich daran, das Fernrohr aufzubauen.

Doch neuerlich kommt es anders, als ich dachte. War mir der Himmel soeben noch gewogen, so bedrängen nun immer mehr Wolken den Mond. Also nochmals alles ins Auto und ein paar Kilometer weiter entlang der Raab, bei Unterstorcha ist die Welt wieder in Ordnung. Hastig werfe ich den Laptop an, um die Austrittszeit zu berechnen: ich habe noch 7 Minuten ... Ausgerechnet jetzt geht der Frühverkehr los, die Autos blenden erbarmungslos, und mir bleibt nichts anderes übrig, als mich hinter ein nahe gelegenes, unbewohntes Haus zu retten. Da stehe ich nun in 20-30 cm tiefem Schnee, es ist mir aber egal, wenn nur der eisige Hauch nicht auf dem Okular gefriert. Noch knapp 2 Minuten ... Fest unklammere ich meine Stoppuhr (sie läuft noch immer, Tests hatten selbst bei 5 Stunden Laufzeit eine Abweichung von lediglich +0,05s ergeben) und starre gebannt auf die Stelle am dunklen Mondrand, an der jeden Moment der schwache Begleiter des roten Riesen erscheinen muss. Da ist er! Leicht zu sehen und eindeutig blauweiß, wie es sich für einen B-Stern gehört (04:40:30,9 UTC; persönliche Gleichung (0,3s) bereits abgezogen). Wenigstens muss die stellare Astrophysik nicht neu geschrieben werden (manche Beobachter haben ihn, wohl auf Grund des Kontrasts zum Hauptstern, als grün bezeichnet). Und dann vollzieht sich das "Wunder", auf das ich lange gewartet habe. Exakt 9,1s später (04:40:40,0 UTC; persönliche Gleichung (0,2s) bereits abgezogen) verwandelt sich dieses blasse Etwas in einen glühenden "Feuerball". Toll! Antares ist ein großartiger Stern, röter als Aldebaran, fast könnte man sagen dämonischer (soweit man das von einem Stern behaupten kann). Ich kann gar nicht fassen, dass ich es gesehen habe, noch minutenlang betrachte ich ihn, wie er sich wieder vom Mondrand entfernt. Auch mit freiem Auge lässt er sich nun mühelos erkennen. Erst jetzt bemerke ich, dass fast der ganze Himmel von Wolken überzogen ist, 15 Minuten später gibt es auch für den Mond kein Entrinnen mehr ... Zu guter letzt bestimme ich mittels GPS den Ort (15°49'17" E; 46°57'36,5" N; 305 m; WGS 84), stärke mich und begebe mich, durch eine still verschneite Landschaft, glücklich auf die Heimfahrt. Wie oft schon hatte ich bei Sternbedeckungen Pech, diesmal ist es anders ... What a wonderful world!