Vollmond und Mondtäuschung

Wien 21, 21. 06. 2005

20050621wvo22.html

Beobachter:Wolfgang Vollmann
Datum:21. 06. 2005
Zeit:22.00 bis 01.00 MESZ
Ort:Wien 21
Instrument:Freies Auge
Bedingungen:
Bericht:

Ganz romantisch ging der Vollmond auf und wanderte tief über Südosten bis zu seiner nur 12,8 Grad hohen Kulmination in den Süden (in Wien um 0h42 MESZ am 22.Juni). Danke an Alex für den Hinweis zu diesem "tiefen Vollmond" (siehe auch den Artikel zur "Summer Moon Illusion"). Ein paar durchziehende Wolkenschleier machten den Anblick noch schöner!

Mich hat es interessiert: wenn ich schon getäuscht werde weil der Mond so gross aussieht -- wie gross sieht er denn aus? Dazu verglich ich den subjektiv wahrgenommenen Vollmonddurchmesser mit Sternpaaren, deren Winkeldistanz ich danach am PC nachgesehen habe. Zwischen 22h28 und 22h36 verglich ich mit den Paaren Alpha/Eta Boo (Ergebnis: der Mond sieht etwa 1/3 so gross aus wie der Abstand der beiden Sterne), Epsilon/Rho Boo, Alpha Her/Alpha Oph und Beta/Gamma Lyr. Als Ergebnis erhielt ich: der Mond sah zu dieser Zeit (Höhe über dem Horizont in Wien 8 Grad) wirklich viel grösser aus als er ist: meine Schätzungen ergaben einen subjektiven Durchmesser von 1,8 Grad ± 0,3 Grad. In Wirklichkeit war der Mond auch an diesem Abend nur 1/2 Grad gross, genauer 33 Bogenminuten. Ich überschätzte also den Monddurchmesser um einen Faktor 3! Die Mondtäuschung "funktioniert" also auch bei mir!

Dieses Phänomen müssen Planetarien bei der Projektion des Mondes beachten. So schreibt Ludwig Meier in seinem schönen Buch "Der Himmel auf Erden": "Die Erfahrung führt uns zu der paradoxen Feststellung: Um im Planetarium dem Auge einen naturgetreuen Anblick von Sonne und Mond zu bieten, müssen beide übernatürlich gross projiziert werden. Die in den verschiedenen Geräten realisierten Werte unterscheiden sich geringfügig. Sie liegen im allgemeinen in der Nähe der doppelten Grösse. Einige Projektoren für Sonne und Mond sind sogar mit Zoom-Objektiven ... ausgestattet. Sie erlauben zusätzlich die Nachahmung der optischen Täuschung der am Horizont grösser erscheinenden Himmelskörper. Sonne und Mond können auf diese Weise übertrieben gross aufgehen und beim Höhersteigen allmählich kleiner werden."