Astro-Urlaub auf La Palma

La Palma, 30. 06. 2005

20050630tsa00.html

Beobachter:Tahir Saban
Datum:30. 06. 2005
Ort:La Palma
Instrument:12" Dobson
Bedingungen:
Bericht:

Es soll dieses Mal kein Beobachtungsbericht werden, sondern ich möchte Sternfreunde über meinen Astrourlaub informieren.

Ich dachte mir Anfang Mai, dass nun bald wieder die Nächte sehr kurz und nicht mehr wirklich dunkel sein werden. So beschloss ich kurzerhand, in dieser Zeit auf den Kanarischen Inseln zu urlauben. Die Kanarischen Inseln liegen auf 28 Grad nördlicher Breite. Man kann also am Himmel 20 Grad weiter nach Süden blicken.

Die Überlegung, ob Teneriffa oder La Palma, konnte ich nicht wirklich rational entscheiden. Beide Inseln werden von professionellen Astronomen geschätzt, zumal sich etliche Sternwarten dort befinden + sie bilden gemeinsam das +European Northern Observatory+. Ich beschloss wegen dem geringerem Rummel und den schöneren Wandermöglichkeiten, nach La Palma zu fliegen (nicht zu verwechseln mit Las Palmas).

Das war aber gar nicht so leicht möglich, denn es gibt von Österreich aus keine Direktverbindung auf die Insel. Per Linienflug über Madrid ging nicht, da wenn der Flieger aus Wien landet die einzige tägliche Verbindung nach La Palma schon unterwegs ist. Nach Teneriffa und von dort mit dem Insel-Hüpfer nach La Palma ließ sich auch nicht arrangieren, weil Fly-Niki den wenig frequentierten Süd-Flughafen anfliegt. Nach Teneriffa und dann mit der Fähre nach La Palma? Das muss doch gehen, oder!? Jain, es gibt zwar eine Fähre, aber nur dreimal pro Woche. Übersetzungsdauer: acht Stunden. Also blieb mir nur noch mit dem Auto nach München zu fahren und von dort mit dem Urlaubflieger zu fliegen. So buchte ich bei TUI im Internet ein Pauschalangebot mit Flug, Appartement und Auto.

Zu erst fuhr ich ca. 4+ Stunden nach München, um gegen Mittag mit dem wöchentlichen Flug von Condor nach La Palma abzuheben. Der Service war nach heutigen Airline-Standards hervorragend. Nach ca. 5 Stunden tauchte allmählich aus dem Blau des Atlantiks eine steile Bergspitze mit einer Wolkenkrempe auf.

La Palma ist eine vulkanische Insel. Vielleicht ist es sogar richtiger zu sagen, dass sie nur aus Vulkanen besteht. Der letzte Ausbruch war erst 1971. Sie ist die jüngste und grünste der Kanaren. Im Norden erhebt sich der +Roco de Muchaches+ mit knapp 2500 m Höhe und beherbergt eine Reihe Observatorien am Rande seines immensen Kraters. Dann folgt eine Kette von Vulkanen Richtung Süden, welche die Insel, insbesondere das Wetter betreffend, in zwei Zonen teilt. So ziehen im Sommer meistens Passatwolken von Nordwesten auf, welche im Norden der Insel sogar einen tropischen Wald entstehen ließen. Der Westen ist in dieser Jahreszeit wetterbegünstigt. Wolken, die über die Vulkankette schwappen, lösen sich meistens auf dem Weg nach Westen auf. Trotzdem ragt an der Nordseite der Roco mit den Sternwarten fast immer aus dem Wolkenmeer heraus und wird daher eher selten beeinträchtigt, obwohl es im Winter da oben schneien kann.

Mein Appartement, die +Villa Colon+, lag im Süden der Insel, was vielleicht von der Distanz zu den Sternwarten her ungeeignet sein mag, jedoch mir dafür einen dunklen Südhorizont bot. Mein Appartement hatte eine schöne Südwestterrasse mit direktem Blick aufs Meer aus ca. 600 m Höhe. Die wenigen umliegenden Häuser haben nicht gestört, da auf La Palma Gesetze zur Verhinderung von "Lichtverschmutzung" in Kraft sind. Alle Lampen sind Natrium-Lampen mit reduzierter Intensität.

Da die Insel wie ein Schild ist, fegt der Wind im Sommer der Ostküste entlang nach Süden. Dadurch gibt es an der Südspitze eine scharfe Trennung zwischen aufgepeitschtem Meer und Windstille. Mein Ort lag immer in der windstillen Seite, jedoch dürfte sich diese Zone im Süden manchmal etwas verschieben, da das +Seeing+ von meiner Terrasse aus in zwei Nächten miserabel + obwohl die Sterne kaum gezwinkert haben + und in den restlichen dagegen sehr gut war.

Ich hatte wieder meinen 12" Dobson im Gepäck und fuhr am Abend des Tages nach meiner Anreise am späten Nachmittag gleich auf den +Roco de Muchaches+. Zwei Wege führen auf die 2500-Meter hinauf. Obwohl beide asphaltiert sind kann ich mich nicht entscheiden, welcher der beiden noch unmöglicher ist. Auf jeden Fall lernt man die Arbeit von Straßenbauingenieuren, die man in Österreich als Selbstverständlichkeit nicht mal mehr wahrnimmt, sehr zu schätzen. Es war hier offensichtlich nicht möglich, Straßen mit gleich bleibendem Kurvenradius zu trassieren. So hat es mich immer wieder mit 40 km/h fast aus der Kurve ausgehoben. Für die 39 km von Santa Cruz bis auf die Spitze brauchte ich mehr als eine Stunde. Übrigens: Erwähnte ich schon, dass die Straßen auf La Palma nur aus Kurven bestehen? Es gibt zwar einige wenige Kilometer, wo man 80 km/h fahren kann, ohne im Straßengraben zu landen. Ich sehnte mich aber bald nach einem Stück Straße, auf dem ich nicht immer das Lenkrad bis zum Anschlag schwenken musste. Vom Gefühl her habe ich in der einen Woche, die ich dort war, 1.000.000 Kurven absolviert.

Eine Abzweigung von der Bergstraße führt durch das Areal der Sternwarten zum Gipfel. Das Sternwartenareal umringt die Nordseite des Gipfels (die Südseite existiert nicht, hier gähnt der Krater). Obwohl es auf der Spitze eine ausgezeichnete Plattform gibt wird man vom nur Spanisch sprechendem Ranger höflich wieder zur Kreuzung runter geschickt und die Schranke zum Gipfel wird um 20 Uhr gesperrt. Mann will oben keine Touristen riskieren die in der Nacht plötzlich frieren und die Autotür öffnen oder gar so töricht sind es sich plötzlich anders zu überlegen und wieder runter fahren und dabei Licht machen. Damit hatte ich insgeheim gerechnet. Von der Straße aus ist der Südhimmel eigentlich nur von einer einzigen 30 m langen Stelle aus zu sehen (auch die meisten Sternwarten haben keinen guten Südhorizont, aber dies ist ja die ENO und nicht die ESO!). Leider steht hier ein Holzgeländer das für meinen Dobson ein ziemliches Hindernis bildete. Ich bemerkte, dass nach Westen hin ein Wanderweg führte und stellte meinen Dobson hier auf. Es wurde mir dann auch klar, warum es auf der Plattform ein Geländer gibt und ich hab in der Nacht mehr als Einmal über die Folgen eines falschen Schritts nachgedacht.

Die Nacht war super, das +Seeing+ bestens. Los Llanos störte zwar unten im Südwesten, da es in meinen Sekundarspiegel schiente. Weil in der Luft aber sehr wenig Staub ist, hält sich die Aufhellung in Grenzen. Die Temperatur am Berg lag bei ca. 20 und später 15 Grad. Nur: Es bläst hier oben oft ein lebhaftes Lüftchen, nicht selten mit bis zu 50 km/h. Die Sternwarten publizieren Nacht für Nacht detaillierte Wetterwerte im Internet. So kann sich ein jeder für die geplante Reisezeit genau informieren. Der Wind kommt nicht immer aus Nordost, sondern dreht oft die Richtung. So habe ich dann gegen 3 Uhr angefangen, zu frieren. Es gab dazwischen aber auch Zeiten, wo der Wind eingeschlafen war. Ich machte trotzdem bis 5 Uhr durch, denn es fiel mir ein, wie die Hunde in meinem kleinen Dorf um 22 Uhr bellten, wenn jemand heim kam und ich wollte nicht als Fremder um 4 Früh nach Hause kommen, insbesondere da ich vom Auto noch 50 m zu Fuß zum gehen hatte. Ich konnte von hier viele Objekte, die mir aus Namibia vertraut waren, wieder sehen, allem voran Omega Centauri und NGC5128. Das Kreuz des Südens geht nur teilweise auf und verschwindet auch bald wieder, aber Omega Centauri ist eine sichere Distanz über dem Horizont (maximal 14 Grad). Der Eindruck in Namibia wird nicht ganz erreich, da diese Objekte dort ja fast im Zenit stehen. Die Milchstraße ist zwar prächtig, wird aber mitten drinnen abgeschnitten. Es wirkt etwa so, als würde man in einem spannenden Roman die Seite umblättern und feststellen, dass der Rest fehlt. Dennoch: La Palma (oder Teneriffa) ist nicht übel!

Die anderen Nächte habe ich es vorgezogen, von der Terrasse aus zu beobachten. Es war zu verlockend, innerhalb von zwei Minuten schlafen gehen zu können oder die Möglichkeit, mir schnell einen warmen Tee zu kochen. Hier verhinderte zwar die örtliche Botanik Omega Centauri und Co., aber im Skorpion und Sagitarius gibt es für mich so viel zu sehen, dass es mir noch nach Wochen nicht fad geworden wäre. Vom etwas weiter unten gelegenen Swimmingpool hätte ich weiter südliche Teile sehen können, aber ich war alleine und wollte mit den Hunden der Nachbarschaft keine allzu innige Bekanntschaft machen.

Ich arbeitete eifrig an meiner Kugelsternhaufenliste weiter, konnte aber Objekte wie NGC 6380 oder das UKS System nicht sehen. Dafür gelangen Tonantzintla 2 und Terzan 10. Die ersten paar Tage hatte ich eine Familie als Nachbar, die natürlich abends Licht machte. Das war aber nicht so schlimm, wie es sich anhört, denn La Palma hat, obwohl viel weiter westlich gelegen, die gleiche Zeitzone wie Spanien. Dadurch geht die Sonne erst 21:20 unter und gegen 8 auf! Bis es wirklich dunkel ist haben die meisten genug vom Tag und schlafen schon fest. Hier und da hört man noch einen Fernseher röcheln, aber außer ein paar Straßenlaternen gingen die meisten Lampen bald aus.

Übrigens: Außer der letzten und einer ziemlich durchwachsenen Nacht waren alle Nächte astronomisch sehr gut zu gebrauchen, auch wenn manchmal schnell ein paar Wolken durchgehuscht sind. Der Süden der Insel ist vielleicht sogar besser dran als der Westen.

Tagsüber bietet La Palma für Beobachter mit Kondition ausgezeichnete Wanderrouten. Ich erwähne die Kondition, weil es kaum einen ebenen Fleck gibt: in einem Dutzend Kilometer kann man von 0 auf 1800 m und wieder auf 0 kommen. Zum Baden eignet sich die Insel weniger, da es nur ein paar Kieselstrände gibt.

Ich hoffe, euch über dieses potenzielle Astro-Reiseziel etwas informiert zu haben und würde allfällige Fragen gerne beantworten. Ich hoffe, beim nächsten Treff wieder dabei zu sein und bringe dann auch mehr Bilder mit.

Ich wünsche euch allen klare Beobachtungsnächte!

Tahir