Die Eigenbewegung der Wega -- gemessen mit der Webcam!

Wien 21, 05. 08. 2005

20050805wvo22.html

Beobachter:Wolfgang Vollmann
Datum:05. 08. 2005
Zeit:22.00 MESZ
Ort:Wien 21
Instrument:Refraktor 130/1040mm
Bedingungen:
Durchsicht:gut (2)
Aufhellung:ausreichend (3)
Seeing:ausreichend (3)
Freis. vis. Grenzgroesse:5.0
Bericht:

Wega strahlt hell und weiss vom Himmel. Sie steht an Sommerabenden hoch oben und ist gut sichtbar als hellster Stern des Sommerdreiecks. Sie ist "nur" 25 Lichtjahre von uns entfernt und ein sehr interessanter Stern: mehr dazu ist auf der schönen Webseite von James Kaler zu lesen (Rangliste der hellsten Sterne: http://www.astro.uiuc.edu/~kaler/sow/bright.html -- Wega ist auf Platz 5. Mehr über Wega selbst: http://www.astro.uiuc.edu/~kaler/sow/vega.html).

Mit einem kleinen Fernrohr erkennt man mehrere schwache Sternchen in der Umgebung der Wega -- es sind "optische Begleiter", also Sterne die viel weiter entfernt sind als Wega selbst. Aufgrund der Frage eines Sternfreunds suchte ich die Daten der Begleiter aus dem "Washington Double Star Catalog" heraus (abgekürzt "WDS", siehe http://ad.usno.navy.mil/proj/WDS/wds.html). Der aktuelle WDS-Katalog listet zwei hellere Begleiter von Wega, mit B und E bezeichnet auf. Beide sind mit einer Helligkeit von 9,5mag angegeben und im kleinen Fernrohr sichtbar. B wurde von William Herschel entdeckt und steht derzeit in 78 Bogensekunden Abstand von Wega Richtung Süden. E ist ein Fund von Friedrich Georg Wilhelm Struve und wird mit 92 Bogensekunden Abstand Richtung Nordosten im Katalog gelistet. Weitere schwache Begleiter sind im kleinen Fernrohr nur schwer oder gar nicht sichtbar.

Am Abend des 5.August beschloss ich, die beiden schwachen optischen Begleiter der Wega mit meinem "Webcam-Mikrometer" nach Distanz und Positionswinkel zu vermessen. Ich benutzte die Webcam im Fokus meines Refraktors 130/1040mm ohne Barlowlinse, da die Winkeldistanz der beiden Sterne auch bei dieser Brennweite gross genug ist. Insgesamt machte ich vier einige Minuten lang dauernde Videosequenzen mit insgesamt etwa 5000 Einzelbildern. Die Auswertung geschah mit dem jetzt schon erprobten Verfahren der Messung der x und y Pixelkoordinaten der Sterne -- den Abbildungsmassstab (bestimmt durch die Brennweite) habe ich durch viele Versuche schon auf ein Prozent oder besser kalibriert. Den Positionswinkel ermittelte ich wie gewöhnlich aus der Drift des hellsten Sterns durch das Gesichtsfeld bei ausgeschalteter Nachführung, was eine sehr genaue Ost-Westrichtung ergibt und der Richtung der Verbindungslinie der beiden zu messenden Sterne.

Das folgende Bild ist ein Summenbild aus mehreren hundert Einzelbildern (gestackt mit Registax) und mit Gimp kontrastverstärkt. Es hat Norden oben, Osten links und zeigt den Begleiter B im Süden (unten) und E im Nordosten (links oben) von Wega, die natürlich das hellste Objekt im Bild ist:

Danach verglich ich meine Messergebnisse mit der Literatur:

 Südliche Komponente = B = H 5  39AB                       
Jahr Distanz PW Quelle
1792 43,0" 116° WDS/William Herschel
1830,8 43,1 135,2 Smyth/Bedford Catalogue
1843,3 43,4 140,3 Smyth/Bedford Catalogue
2000 78,2 182 WDS
2005,5 79,5 182,9 meine Messung

Nordöstliche Komponente = E = STFB 9AE
Jahr Distanz PW Quelle
1831 150,0" 40° WDS
1999 91,7 39 WDS
2005,5 88,8 39,0 meine Messung
Meine Messgenauigkeit bei den Distanzen beträgt erfahrungsgemäss zirka ein Prozent (etwa 1,0 Bogensekunden bei dieser Distanz) und etwa 0,5 Grad im Positionswinkel (PW).

Wenn ich nun meine Messungen mit denen aus der Literatur vergleiche ist die Eigenbewegung des hellen nahen Sterns Wega in den Zahlenwerten "sichtbar": sie wandert fast direkt auf den nordöstlichen Begleiter E zu! In den 174 Jahren seit der ersten Messung von E im Jahre 1831 (vermutlich durch Struve) ist Wega 61,2 Bogensekunden Richtung E gewandert was eine jährliche Eigenbewegung von 0,35 Bogensekunden ergibt. Das ist ein sehr guter Wert, genau vor allem durch den langen zeitlichen Zwischenraum. So kann mit einer einfachen Webcam und etwas Literaturstudium die Eigenbewegung der Wega ganz gut gemessen werden.

Clear skies wünscht euch, Wolfgang