Zweimal Mars

Universitätssternwarte Wien und Wien 12, 08. 11. 2005

20051108api18.html

Beobachter:Alexander Pikhard
Datum:08. 11. 2005
Zeit:18.30 bis 00.30 MEZ
Ort:Universitätssternwarte Wien und Wien 12
Instrument:68cm Refraktor / 12" Meade LX200, jeweils Philips ToUCam pro
Bedingungen:
Durchsicht:ausreichend (3)
Aufhellung:ausreichend (3)
Seeing:gut (2)
Temperatur:6 °C
Luftfeuchtigkeit:hoch
Wind:kein
Bemerkungen:Auf der Universitätssternwarte etwas dunstiger als in Wien 12, Bedingungen ansonsten identisch.
Bericht:

Im Rahmen der zweiten Marsführung auf der Universitätssternwarte (Detailbericht erfolgt gesondert) ergibt sich auch reichlich Gelegenheiten, den Roten Planeten aufzunehmen. Die beste Webcamaufnahme am 68cm-Refraktor (10,5m Brennweite), abgeblendet auf ca. 40cm Objektivdurchmesser:


Mars, 900 von 1800 Frames, mit IR Sperrfilter

Zum Zeitpunkt der Aufnahme sind noch ca. 10 Personen in der Kuppel, das bewirkt ein gewisses Restseeing. Der IR-Sperrfilter ist beim Refraktor wegen dessen visueller Korrektur notwenig. Recht schöne Details.

Das Seeing war also recht gut. Zuhause angekommen, wage ich den Vergleich mit meinem gut temperierten 12" LX200 und 3x Barlowlinse, also einer Brennweite von 9m. Ich merke rasch, dass das Seeing wirklich gut ist. Schon bei der Aufnahme erkenne ich viele Details. Jetzt arbeite ich, dank Spiegeloptik, ohne IR Sperrfilter.


Mars, 900 von 1200 Frames, ohne IR Sperrfilter

Zweifellos meine bisher beste Marsaufnahme. Die Details zu identifizieren wird spannend, die kleinsten erkennbaren (und reproduzierbaren) Details liegen bei geschätzten 0,15". Ich stacke nochmals und vergrößere die einzelnen Frames jetzt um einen Faktor von 1,5 (das ist doch besser als eine optische Nachvergrößerung um den gleichen Faktor, wie Tests heute Nacht zeigen.


Mars, 900 von 1200 Frames, ohne IR Sperrfilter, 1,5x Resampling

Die Details sind bemerkenswert. Ich kann eigentlich nur mit NASA-Karten vergleichen, Mars Previewer steigt aus. Wolfgang Vollmann weist mich auf CalSky hin, ein astronomisches Jahrbuch online. Dort gibt es eine Marskarte, die den Mars zum gewüschten Zeitpunkt darstellt. Man kann die Auflösung wählen. 12" - nein, ich sehe mehr. 16" - auf meiner Aufnahme ist immer noch mehr drauf. Die nächste Stufe lautet "Raumsonde". Na gut, mit dieser Stufe kann ich alle meine Formationen identifizieren. Hurra, mein 12" mit WebCam ist eine Raumsonde :-)

Besonders fasziniert bin ich von drei Details: Die eigenartige Struktur rechts, die wie eine Stimmgabel nach unten hängt, ist Valles Marineris in voller Länge. Dort, wo die beiden Gabelarme ansetzen, befinden sich drei dunkle Knoten. Von dort ragen zwei kleine, graue Spitzen nach rechts oben und rechts unten. Es sind Seitencanyons des Valles Marineris! Zwischen zwei deutlichen, dunklen Kratern nahe der Bildmitte ragt ein helleres Dreieck nach Süden (oben). Es ist Labyrinthus Noctis, ein besonders chaotisches Gebiet, in dem sich oft Nebel hält. Olympus Mons ist der helle Fleck unten in der Mitte. Sogar in der hellen Nordhalbkugel sind jede Menge Strukturen zu erkennen. Da sie auf mindestens drei Aufnahmen gleich herauskommen, schliesse ich Artefakte aus. Ach ja, der helle Fleck rechts von Valles Marineris ist ein Staubsturm, ebenso der helle Fleck oberhalb der Bildmitte in der auffallen dunklen Südhalbkugel.

Der Vergleich von Großem Refraktor und meinem 12" Meade liefert sicher die Basis für eine interessante Diskussion. Wobei ich dem Refraktor zu gute halten muss, dass die Personen in der Kuppel sicher ein Handicap waren. Eine Kuppel ist nicht immer gut! Das ist ja der Grund, warum sich auf Forschungssternwarten niemand mehr in der Kuppel aufhalten darf (und auch Michael Karrer vom Balkon aus so tolle Marsaufnahmen macht). Eines steht aber fest: Irgendwas ist mit den Brennweiten faul. Ich denke, mit der Webcam liefert meine TeleVue 3x Barlowlinse definitiv mehr als 9m Brennweite - sonst wäre das Bild vom LX200 nicht sogar größer als das vom Großen Refraktor.

Roland Graf hat mir dann auch noch Material geliefert, aus dem deutlich hervorgeht, dass Hell-Dunkel-Kontraste bis weit unter das theoretische Auflösungsvermögen des Teleskops wahrgenommen werden können. Das Auflösungsvermögen bezieht sich auf das Trennen zweier punktförmiger Lichtquellen, nicht aber auf Kontraste. Darum ja auch die Faustregel: Maximale Vergrößerung entspricht dem Durchmesser des Objektivs in mm, ausser bei Planetenbeobachtung, da beträgt sie das Doppelte davon. Wieder was gelernt ...