Deep Sky Nacht

Hohe Wand, Kleine Kanzel, 17. 11. 2006

20061117api19.html

Beobachter:Alexander Pikhard
Datum:17. 11. 2006
Zeit:19.15 bis 00.15 MESZ
Ort:Hohe Wand, Kleine Kanzel
Instrument:12" Meade LX200, Canon EOS 350D
Bedingungen:
Durchsicht:sehr gut (1)
Aufhellung:sehr gut (1)
Seeing:gut (2)
Freis. vis. Grenzgroesse:6.7
Temperatur:7 °C
Wind:leicht aus SE
Bemerkungen:Extrem gute Bedingungen über dem Hochnebel! Gegen Mitternacht Aufzug hoher, dünner Wolken, die 1 bis 1,5 mag kosten.
Bericht:

Grau und undurchdringlich ist die Hochnebeldecke über Wien und dem östlichen Flachland. Doch ein Blick ins Internet verrät oberhalb von ca. 800m traumhafte Bedingungen. Was liegt näher, als an diesem Freitagabend auf die Hohe Wand zu fahren?

Der Abendverkehr ist nicht allzu dicht heute. Rasch sind die kleinen Ortschaften am Fuß der Hohen Wand erreicht; dass man von hier die Lichter des Hochkogelhauses erkennt, ist allerdings kein gutes Zeichen. Hinauf geht es auf der steilen Bergstraße, und genau vor der "spannenden" Stelle mit den engen, in den Fels gesprengten Kurven beginnt er, der dichte Nebel. Meter für Meter vorwärtstasten ist die Devise. Die Abzweigung zum Nordteil des Plateaus, noch im Nebel. Die Abzweigung zum Gasthof Postl, noch im Nebel. Also hier wird das nichts. Weiter. Doch noch vor dem Wildgehege: Sterne! Ich beschließe, gleich auf die Kleine Kanzel zu fahren, sicher ist sicher. Und dort: Wow!

Eine kurze Verhandlung mit dem Hüttenwirt, dann schaltet er bereitwillig die Beleuchtung des Parkplatzes aus. Ich konnte ihn überzeugen, dass wir harmlose Sterngucker sind und keine Rowdys. Ein beleuchtetes Fenster bleibt, stört aber nicht überall.

Über der größer werdenden Gruppe von Beobachtern: Ein Sternenhimmel wie aus dem Märchen. Die Milchstraße von Horizont zu Horizont. Aus dem Tal kaum Licht, bedingt durch die Nebeldecke. Kaum ein Flackern der Sterne.


Blick nach Osten: Kaum Licht aus Wiener Neustadt; die Wintersterne gehen schon früh auf. Furmann mit der Milchstraße,
Stier und Zwillinge sind schon da, und auch die Schultern des Orion zeigen sich schon.


Norden. Der Große Wagen in unterer Kulmination, samt Flugzeugspur und Lichtschein von Wr. Neustadt.


Westen. Die sommerliche Milchstraße mit dem Sommerdreieck im Untergang.


Süden. Der Walfisch über dem Gasthaus zur Kleinen Kanzel.

Um ein Gefühl dafür zu vermitteln, wie klar die Nacht ist: Diese Fotos sind Einzelfotos, aufgenommen mit der Canon EOS 350D, F=18mm, f/3.5, 1600 ISO und 25 Sekunden Belichtungszeit.

Über dem Tal liegt dichter Nebel, der das Licht der darunter liegenden Ortschaften recht gut abschirmt.


Panorama: Unten Nebel, oben die Milchstraße

Zunächst einmal durchmustern wir den Himmel mit freiem Auge. An den Sternen des Kleinen Wagens können wir die freisichtige visuelle Grenzgröße zu 6,7mag abschätzen. Unglaublich, so nahe bei Wien, der Nebel über den Niederungen macht es möglich. Dass die Klassiker wie Andromedanebel oder h+χ Persei leicht mit freiem Auge zu erkennen sind, wundert niemanden. Doch auch der Nordamerikanebel und M33 sind mit freiem Auge zu erkennen!

Die Milchstraße ist extrem reich strukturiert. Im Perseus und in der Cassiopeia kann man zahlreiche dunkle Wolken mit freiem Auge ausmachen, ebenso wie helle Filamente. Auffällig sind zwei helle, scheinbar quer laufende Filamente zwischen Schwan und Cassiopeia. Bemerkenswert ist auch, dass die Milchstraße im Fuhrmann bis zum Horizont verfolgt werden kann.

Doch dann geht es doch ans Fernrohr. Wir sind unschlüssig, was wir alles anschauen sollen. Alles! Aber wo beginnen? Na natürlich bei den Objekten, die bald untergehen, und da ist es vor allem der Komet C/2006 M4 (SWAN), der zur Eile ruft, verschwindet er ja bald hinter den Bäumen im Westen. Er erscheint immer noch recht hell, mit einem dichten, kleinen Kern und einem kurzen Schweif. Auf dem Foto erkennt man unschwer, dass der Komet doch schon schwächer geworden ist.


C/2006 M4 (SWAN), 12" LX-200 bei f/6.3, 7 x 20s bei 1600 ISO, verkleinert.

Jetzt geht es ans visuelle Beobachten, vor allem mit meinem 12" LX-200 und Rolands 18" Obsession. Es sind unglaubliche Eindrücke. M31 zeigt nebst hellem Kern und diffusem Kernbereich nicht nur zwei Spiralarme, die Dunkelwolken lassen sich bis zum Kern hinein verfolgen, wie auf einem Foto. Minutenlanges Schauen ist angesagt. Mir kommt eine Idee...


M31, Einzelaufnahme, 12" LX-200 bei f/3.3, 1600 ISO,
30s, verkleinerter Ausschnitt

Ich verkürze das LX-200 auf f/3.3 (die Randbereiche sind dann unbrauchbar) und mache eine Einzelaufnahme. Sie zeigt genau das, was wir auch visuell erkennen! Und wenn wir schon in der Andromeda sind, ein Blick zu NGC 891. An sich ein sehr schwieriges Objekt, doch heute erkennt man visuell deutlich die Kantengalaxie mit ihrem dunklen Staubband.

M33, den man ja schon mit freiem Auge erkennt, ist ebenso eine Wucht. Man erkennt nicht nur den diffusen Kern, sondern auch die Spiralarme und zahlreiche H II-Gebiete, allen voran NGC 604. Wieder ist minutenlanges Schauen angebracht.

h+χ Persei, in Worten eigentlich nicht mehr zu beschreiben. Ein Sternreichtum im Gesichtsfeld, darin eigebettet die beiden dichten Sternhaufen mit ihren wunderschön farbigen Sternen. Wir jagen neues in dieser Gegend. Auch NGC 1528 erweist sich als sehr schöner offener Sternhaufen, der sich gut vom Milchstraßenhintergrund abhebt. Und der nahe gelegene, kleine Nebel NGC 1491 zeigt sich reich strukturiert, bei weitem mehr als nur ein kleiner, diffuser Fleck. Ein interessantes und auch unbekanntes Objekt.

In den Fuhrmann. M37, einfach eine Pracht. Wieder mit Worten kaum zu beschreiben. In einer ohnedies reichen Gegend der Milchstraße liegt dieser dichte offene Sternhaufen, einfach wunderschön. Auch M36 und M38 sind toll. Bemerkenswert ist der kleine, dichte offene Sternhaufen NGC 1907 nahe bei M38. Die beiden Objekte passen in ein Gesichtsfeld und sind ein extrem ungleiches Paar: Der helle, lockere M38 und der kleine, dichte NGC 1907. Das ganze erinnert stark an M35 und NGC 2158, die wir später beobachten werden. Eher zufällig "stolpern" wir dann noch über den kleinen, aber deutlichen Nebel NGC 1931.

Exoten müssen her! Also schwenke ich in den Walfisch und nehme als erstes die Galaxie NGC 247 ins Visier. Sie ist, trotz ihrer scheinbaren Größe, gut zu erkennen. Sie gehört schon zur Skulptor-Gruppe. Ein Ruck nach Norden, zum planetarischen Nebel NGC 246. Da muss ein O III-Filter her, dann erkennt man diesen Nebel als großen Ring, eingebettet zwischen ein paar helleren Sternen.

Skulptor? Warum nicht. Nächstes Ziel ist NGC 253, die große Skulptorgalaxie. Die große, längliche Galaxie ist ein Traum. Unschwer erkennt man visuell zahlreiche Strukturen in der länglichen Scheibe, die viel mehr zeigt als nur einen diffusen Fleck. Ganz in der Nähe von NGC 253 liegt der Kugelsternhaufen NGC 288. Er ist groß und trotz seiner geringen Höhe über dem Horizont ist er deutlich aufgelöst, ein bemerkenswerter Anblick. Im benachbarten Eridanus noch ein Blick auf die Balkenspirale NGC 1300, der mich allerdings weniger beeindruckt.

Zum Stier. M1 ist mehr als deutlich, einen Filter braucht man hier nicht. Die beiden offenen Sternhaufen NGC 1647 und NGC 1746 sind fürs Fernrohr fast zu groß. Das Gesichtsfeld ist voll mit hellen Sternen, das war's dann auch schon. Die Pleiaden sind dann eindeutig etwas fürs freie Auge und Feldstecher.

Die Zeit vergeht und Orion steht schon hoch. Orion ...


Teleskoptreffen unter dem Orion

Wann kann man in unseren Breiten schon den Orion bei so vergleichsweise milden Temperaturen beobachten? Der Orionnebel ist unglaublich, einmal mehr ist minutenlanges Staunen an allen Rohren angesagt. Bei starker Vergrößerung erkennt man leicht sechs Trapezsterne. Bei schwacher Vergrößerung zeigt sich der gesamte Nebelbogen mit allen Ausläufern, und im 18" Obsession klarerweise schon in zarten Farben.


M42, Einzelaufnahme, 12" LX-200 bei f/3.3, 1600 ISO,
30s, verkleinerter Ausschnitt

Ich greife zum gleichen Trick wie bei M31 und mache eine Einzelaufnahme des Nebels. Das Innere ist sogar überbelichtet. Um den reich strukturierten Zentralbereich des Nebels abzubilden, genügen fünf Sekunden Belichtungszeit.


Zentrum des Orionnebels mit Trapez

Heute gilt unser Interesse natürlich noch einem anderen Objekt im Orion: Dem Pferdekopfnebel. An Rolands 18" kommt das 30mm Pentax XW mit UHC-Filter zum Einsatz (Hβ wäre besser, aber wir haben keinen dabei). Ich stelle ein und - da ist er. Da braucht man heute nicht einmal indirekt schauen. IC 434, der Nebel, in den B33 eingebettet liegt, ist wirklich gut zu sehen, da ist dann der Dunkelnebel kein Problem. Die beiden Reflexionsnebel NGC 2023 und IC 435, sie dienen als Orientierungshilfe, sind auch sehr deutlich. Übrigens: Der Flammennebel NGC 2024 ist eine Wucht! Nach und nach sehen wir den Pferdekopfnebel an allen Instrumenten.

Selbst gegen Mitternacht kommen noch Beobachter, allerdings auch erste Cirren aus Südwesten. Der Himmel scheint dicht zu machen, so beschließen wir diese tolle Nacht mit einem Blick zum gerade aufgehenden Saturn. Na ja, noch zu tief. Praesepe steht hoch im Osten über Saturn, Regulus und γ Leonis, eine interessante Konstellation übrigens.

Abbau, danach Heimfahrt durch den doch noch dichteren Nebel im Tal. Was für eine Sternennacht ...