Nacht der Wunder

Hohe Wand, Kleine Kanzel, 21. 12. 2007

20071221api19.html

Beobachter:Alexander Pikhard
Datum:21. 12. 2007
Zeit:19:30 MEZ
Ort:Hohe Wand, Kleine Kanzel
Instrument:12" Meade LX200 mit Philips SPC 900, Canon EOS 350D, 18" Obsession Dobson
Bedingungen:
Durchsicht:ausreichend (3)
Aufhellung:schlecht (4)
Seeing:gut (2)
Wind:maessig aus SW
Temperatur:+7 (!)°C
Feuchtigkeit:trocken
Sonstige Bedingungen:Durchzug von Cirren von SW, im Tal dichter Nebel. Starke Aufhellung durch recht vollen Mond.
Bericht:

Oh nein, werte Leserinnen und Leser, ich möchte mit dem Titel "Nacht der Wunder" nicht absichtlich die Zugriffszahlen auf unsere Homepage in die Höhe schrauben (auch wenn es dank Google und Co. wohl so sein wird). Aber in einer Zeit, wo sich alle in kollektivem Stress an ein vermeintliches Wunder klammern, möchte ich aufzeigen, dass jeder Tag und auch jede Nacht jede Menge kleinerer und größerer "Wunder" für uns parat hat, die nur darauf warten, von uns bemerkt zu werden. So ist es auch heute.

Es beginnt schon mit dem Einladen meiner Ausrüstung bei frostigen -5°C in einem seit Tagen grauen Wien. Es gehört schon eine Menge an guten Informationen dazu, sich bei solchen Bedingungen auf den Weg zu einem Beobachtungsplatz zu machen; doch dank Andreas Pfosers genauen Daten - und den Webcams auf der Hohen Wand - weiss ich, was mich erwarten wird.

Die Landschaft in der "Neuen Welt", jenem kleinen Becken unterhalb der Hohen Wand, erstarrt bei -8°C in eisigem Rauhreif. Malerisch schön, aber auch klirrend kalt. Es fällt mir schwer, die Heizung im Auto meinem Fernrohr zuliebe nicht aufzudrehen. Die ersten Kehren auf die Hohe Wand hinauf, ich tauche in den Nebel ein. Schon vor der Abzweigung, wo sich die Plateaustraße nach Norden und Süden gabelt, tauche ich aus dem Nebel auf, sehe Sterne. Gasthog Postl müsste also möglich sein.

Die Wiesen vor dem Gasthof sind schneebedeckt und leuchten im hellen Mondlicht. Es ist kalt. -6°C zeigt mein Thermometer an. Es ist nicht Bequemlichkeit, die mich weiter zur Kleinen Kanzel fahren läßt, sondern die Angst vor Nebel. Dieser Platz hier liegt noch unterhalb der Inversion. Also fahre ich die rund 120 Höhenmeter hinauf. Hinter jeder Kurve steigt die Temperatur um einen Grad. -5, -4, -3, -2, -1, 0 ... ein umgekehrter Countdown. Auf der Kleinen Kanzel schmilzt der Schnee. Andreas misst wenig später eine Lufttemperatur von +6°C und eine Bodentemperatur von +4°C, und erstere wird diese Nacht sogar noch leicht ansteigen. Das ist das erste Wunder an diesem Abend. So intensiv habe ich Inversionswetter noch nie erlebt.

Die Belohnung: Ein atemberaubender Blick auf den vom Mond beschienenen Schneeberg ...


In milder Luft liegen die mondbeschienenen Berge über dem Nebel, darunter herrscht strenger Frost.

Der Himmel ist voll von rasch ziehenden Cirren, bzw. die meisten dieser Gebilde sind Kondensstreifen. Die Atmosphäre wird feuchter, das stabile Hochdruckgebiet scheint sich langsam zu verabschieden. Doch heute geht es noch, wobei der Mond mit seinem hellen Licht doch erheblich stört.


Sein Licht überstrahlt heute alles: Der Mond. Canon EOS 350D, 12" LX-200 bei f/10 (F=3m),
Mosaik aus 6 Aufnahmen (1/125s bei 200 ISO).

Andererseits: Wir sind ja seinetwegen hier, denn heute werden einige Sterne der Pleiaden bedeckt.


20.24 Uhr: Noch hat der Mond einen Respektabstand von den Sieben Schwestern

Für einen Abend knapp vor Weihnachten mit so grauslichen Bedingungen im Tal und einem derart aufgehellten Himmel haben sich heute erfreulich viele Leute hier zum Beobachten eingefunden, und sollen reichlich belohnt werden.


Beobachter auf der Kleinen Kanzel

Ich frage mich, ob der Komet 17P/Holmes zu sehen ist; mit freiem Auge kann ich nichts ausmachen, aber der Mond steht gerade einmal 23° vom Kometen entfernt. Die Cirren erledigen das ihre. Also steuere ich einmal M34 an. Schön, dieser lockere, offene Sternhaufen ist gut zu erkennen. Der Komet steht in seiner Nähe.


M34, Canon EOS 350D, 300mm Tele, 20s bei 800 ISO.

Ich kann den Kometen Holmes im Sucher nicht ausmachen. Das liegt aber auch an der Lage im Zenit. Also steuere ich mein Teleskop auf seine Koordinaten und nehme mit der huckepack montierten Kamera einfach "blind" auf. Eine erste Kontrolle zeigt, dass da "etwas" ist. Also mache ich eine Serie von ein paar Aufnahmen.

Der Komet steht genau im Zenit. Das bedeutet mit meiner azimutalen Aufstellung schon bei nur 20 Sekunden Belichtungszeit eine gewaltige Bildfelddrehung. Aber, der Komet ist gut auf der Aufnahme zu sehen. Das nächste Wunder dieser Nacht.


Komet 17P/Holmes. Canon EOS 350D, 300mm Tele, 7 x 20s bei 1600 ISO.

Die große Staubkoma mit der charakteristischen Schockfront verliert sich langsam im Raum, doch der Staubschweif ist jetzt sehr markant. Mit Mühe ist der Komet im Feldstecher als großer, diffuser Fleck zu sehen. Da müssen wir jetzt warten, bis der Mond vom Abendhimmel verschwunden ist.

A propos Mond: Er ist den Pleiaden schon näher gekommen.


20.53 Uhr: Der Mond hat sich den Pleiaden etwas genähert

Bis zur Bedeckung der ersten helleren Sterne der Pleiaden ist noch viel Zeit. Für eine tolle Abwechslung sorgt ein sehr heller, sogar farbiger Mondhalo. Die Erscheinung wird noch durch etliche Flugzeuge ergänzt.


Farbiger Mondhalo. Mosaik aus zwei Aufnahmen. Die grünen Erscheinungen oberhalb und unterhalb des Mondes sind
Linsenreflexionen, also Artefakte. Die Kondensstreifen und der Halo sind echt. Auf der Aufnahme müsste auch der Komet
17P/Holmes zu erkennen sein (Markierung), ist es aber kaum. Cirren und Mondlich lassen ihn verblassen. Die Pleiaden sind
vom Mond völlig überstrahlt und daher nicht zu erkennen. Das Bild entspricht recht gut dem Anblick mit freiem Auge.

Dieser tolle Mondhalo ist schon das dritte Wunder in dieser Nacht. Noch immer ist Zeit bis zu den Sternbedeckungen, und so wenden wir uns dem Mars zu. Trotz der warmen Luft und dem recht starken Wind ist das Seeing nicht schlecht. Zeit, mit der Webcam ans Werk zu gehen. Ich nehme heute sowohl mit dem 742nm IR-Passfilter als auch mit einem IR-Sperrfilter auf, um Kompositbilder zu erstellen. Durchaus mit Erfolg.


Mars. 12" LX-200 bei f/20 (F=6m), also 2x Barlowlinse. Komposit aus einer Serie IR-Sperrfilter (22.02
Uhr MEZ) und einer Serie mit IR-Passfilter 742nm (22.06 Uhr MEZ). Man erkennt sehr viele Details.

Da sind ein paar sehr markante Details auf dieser leider gerade sichtbaren eher langweiligen Seite des Planeten. Am meisten freut mich, wie gut Olympus Mons sowie Kerberos zu erkennen sind - zwei sehr kleine Details. Zum Vergleich eine Karte, erstellt mit Mars Previewer.


Marskarte zum Zeitpunkt der obigen Aufnahme.

Mit dem Breitengrad hat Mars Previewer allerdings offenbar ein Problem, denn der Nordpol ist uns deutlich mehr zugekehrt als in der Karte, dafür sieht man im Süden nicht so weit. Interessant ist, dass die Kerberos Fossae, eine lange, dunkle Struktur von Chaos zum Mare Tyrrhenum, sehr markant sind. Man beachte: Der ganze Mars hat nur 15" scheinbaren Durchmesser.


Mars. 12" LX-200 bei f/20 (F=6m), also 2x Barlowlinse. Komposit aus einer Serie IR-Sperrfilter (22.36
Uhr MEZ) und einer Serie mit IR-Passfilter 742nm (22.41 Uhr MEZ). Etwas andere Farbbalance.

Mars, viel besser, als anfangs erwartet. Schon wieder so ein kleines Wunder. Die Stimmung in unserer Beobachtergruppe ist hervorragend.

Jetzt stehen nur noch die Sternbedeckungen auf dem Programm.


23.00 Uhr. Taygeta ist bedeckt, von den Pleiaden insgesamt aber nicht viel zu sehen.

Von den Pleiaden ist neben dem hellen Mond nicht viel zu sehen, doch die Bedeckungen der Sterne sind im Fernrohr gut zu verfolgen. Roland erkennt im 18" Dobson sogar bei dieser Phase den dunklen Mondrand! Wir messen die Bedeckungen nicht, wir erfreuen uns nur an ihrem Anblick und erleben so das letzte der Wunder dieser tollen Nacht.

Ein letzter Blick noch zu Saturn, der auch schon recht hoch im Osten steht. Dünn sind seine Ringe schon! Der Ringplanet steht zu tief für eine Aufnahme, seine Zeit wird noch kommen. Außerdem versiegt der Strom aus meinem Akku, so dass ich mein Fernrohr nur mehr manuell bedienen kann. Ein Aufladefehler offenbar.

So bauen wir gemeinschaftlich ab und ich mache mich auf den Heimweg. Mit jeden Höhenmeter fällt die Temperatur. Von +7°C jetzt auf der Kleinen Kanzel auf -8°C in Stollhof am Fuss der Hohen Wand. Von 1.065m Seehöhe auf 501m Seehöhe ist die Temperatur um 15° gefallen. Beeindruckend. Richtung Wiener Neustadt verwandelt sich die Landschaft von eisigem weiß in das übliche grau, ich bin zurück im Alltag - aber um eine wunderbare Beobachtungsnacht reicher.

Wunder, die müssen wir uns selbst schaffen.