Beobachtungsnacht, Pretul, 2./3. Juni 2000

19.00: Bedingungen: Zu 80% bewölkt durch eine hohe, dünne Wolkenschicht, die allerdings leichte Auflösungstendenzen zeigt. Im W kommt die Sonne sehr schön durch. Zwei große und einige kleinere Flecken.

Fotoserie: 12" LX-200 bei f/6.3, 1/1000, 1/500, 1/250 und 1/125s auf Kodak Select Royal 1000. Längere Belichtungszeiten als normal, weil die Sonne schon sehr tief steht.

Alle Sonnenbilder von diesem Wochenende hier.

21.30: Bedingungen haben sich deutlich gebessert, es ist nur mehr zu 10% bewölkt und die Durchsicht dürfte sehr gut sein. Seeing ist einigermaßen gut. Jetzt haben sich alle Beobachter versammelt, es sind auch Albert und Gabi mit ihrem 6" Newton da, Anneliese mit C8, unser Vereinsteleskop (4" Newton), an dem Silvia Bäs die meiste Zeit hantiert, diverse Feldstecher (Franz Faber, Berhard Dewath), Franz Zwanzger mit seinem Newton und diversen Feldstechern und auch noch zwei Bekannte vom NTT, die sich auf die Pretul verirrt hatten.

Merkur: Vorgewölbte, fast halbe Phase.

Fotoserie: 12" LX-200 bei f/10, 1/250, 1/125, 1/60 und 1/30s, gleicher Film wie oben. Allerdings dürfte Merkur auf den Aufnahmen sehr klein sein.


So klein und doch ein Planet. Merkur, aufgenommen mit 1/250s am 12" LX-200 mit F=3000mm auf Kodak Select Royal 1000, digitale Ausschnittvergrößerung.

Zur Überbrückung der Dämmerung: Castor (sehr gur getrennt, obwohl das Seeing nicht sehr gut ist), My2 Boo ist zu trennen im P21, also ist das Seeing auch ganz passabel.

Es ist recht feucht. Daher habe ich die empfindlicheren Teile der Ausrüstung - Computer, Batterie - ins Auto verfrachtet. Ein etwas komischer Anblick, wenn die 220V-Leitung und die ganzen Schwachstrom- und Datenkabel ins Fahrzeug laufen, aber bitte. Alberts dunkelrote Scheinwerferfolie bewährst sich traumhaft, endlich blendet das Display meines Laptop nicht mehr! Und nach zwei kurzen Aussetzern der Stromversorgung aus der Hütte und damit verbundenem Neueinnorden des Instruments stelle ich auf Batterie um. Diese hat die ganze Nacht bis zur Morgendämmerung gut gehalten. Dem Laptop waren die Aussetzer egal, denn er puffert ja ohnedies über seinen Akku.

M57 ist auch in der Dämmerung sehr schön.

Immer wieder kommen kleine Grüppchen von Interessierten, denen wir die schönsten Objekte zeigen. Dies sorgt für eine kurze Unterbrechung beim Beobachten, lockert aber auf. Da wir sehr viele Instrumente haben, verteilt sich der Andrang auch in erträglichem Maß. Die Vorführobjekte sind Vega, Ep Lyr, M57, M13 und NGC4565.

Die folgenden Beobachtungen an Kugelsternhaufen erfolgen alle mit 14mm Pentax-Okular.

M5 ist eine Pracht, P14, ca. die Hälfte des Gesichtsfelds, Zentrum 1/10 GesF, sehr konzentriert, rund, diffuse Scheibe mit einigen hellen Sternen davor, darum herum ein schwächerer diffuser Bereich, sehr sternreich, dann die Ausläufer ohne diffusen Hintergrund, sie machen wie gesagt rund ein halbes Gesichtsfeld aus.

M3 ist ein interessanter Kontrast zu M5. Etwa gleich groß, aber weniger stark konzentriert und die Sterne sind etwas schwächer. Die Mitte ist nicht so stark konzentriert wie bei M5, geht viel flacher in den Himmelshintergrund über und ist diffuser. Auch M3 zeigt eine große Zahl von Sternen. An die diffuse Hülle schließt sich ein Bereich mit vielen Sternen vor dunklem Hintergrund an, der ebenfalls rund 1/3 bis 1/2 Gesichtsfeld ausmacht.

M13 zum Vergleich. Interessant. Auch hier sind die Sterne etwas schwächer als bei M5, der Haufen ist aber viel größer. Die diffuse Kernregion ist gut doppelt so groß wie bei M5 und auch größer als bei M3, wobei die Helligkeit der diffusen Region eher mit M3 zu vergleichen ist und damit schwächer ist als bei M5. Die Sterne sind heller als bei M3, der Haufen ist größer, mehr als ein halbes Gesichtsfeld. NGC6207 in der Nähe ist auch gut zu erkennen, länglich mit einem hellen Vordergrundstern und einem dunklen Filament.

M56 ist auch auflösbar, klein, deutliches diffuses Zentrum und sehr viele helle Sterne. Ein sehr schöner Anblick.

Planetarische Nebel: NGC6210 leicht länglich, bläulich, hantelförmig, kleine diffuse Hülle, die deutlich ist. IC4593 (PlNeb, Her) an diesem Objekt wird klar, warum man von planetarischen Nebeln spricht: klein, blau, rund, heller Zentralstern, sehr kleine innere diffuse Region, größere, runde diffuse Hülle, mit Phantasie leicht unregelmäßig.

Pluto: Gut zu sehen, die Position geht aus Suchkarte und Steuercomputer hervor.

Einige offene Sternhaufen und Nebel in der Region Leier/Schwan/Vulpecula: NGC6834 ist eine sehr lockere Sternansammlung um einen helleren Stern, und wenn das ein offener Sternhaufen sein soll, dann handelt es sich definitiv um eines der unspektakulären Objekte. Hebt sich vom Hintergrund kaum ab. NGC6823 (Vul) ein offener Sternhaufen mit ganz schwachen Nebelstrukturen, die aber andeutungsweise zu erkennen sind. Der Haufen ist gut zu sehen. (P40, UHC). IC5954 mit viel (!) Phantasie könnten hier die eine oder andere Nebelstruktur erkannt werden. Sehr amoph, nicht wirklich genau zu bestimmen. NGC6791 in Lyr (OStH) sehr dicht und sehr schwach, sodaß die Mitte des Gesichtsfeldes leicht aufgehellt aussieht. Typischer Fall für einen Haufen, dessen Sterne zu schwach sind, um einzeln erkannt zu werden. Ein hochinteressantes Objekt. NGC6811 (OStH, Cyg) hebt sich zumindest vom Hintergrund ab, locker, helle Sterne, aber nicht aufregend.

Und jetzt zu den Nebeln:

NGC6888 (Bubble-N.) ist bereits mit P40 und UHC bei f/10 sehr deutlich als große Blase mit einem weiteren Nebelbogen im Inneren der Blase zu erkennen, und zwar ohne Schwierigkeiten und ohne indirektem Sehen. Mit P40 + UHC + f/6.3 ist der Nebel sogar sehr deutlich. Der Hintergrund ist nachtschwarz, einige Filamente im Nebel sind jetzt gut zu erkennen.

NGC6960 (Cirrus-N. Teil 1) gleiche Konfiguration P40 + UHC + f/6.3 gibt 85' Feld und trotzdem ragt das helle, dünne Filament des Nebels zu beiden Seiten aus dem Gesichtsfeld heraus. NGC6992 (Cirrus-N. Teil 2) zeigt extrem viele Filamente an beiden Enden und der charakteristische Bogen paßt zur Gänze in das Gesichtsfeld, was natürlich einen phantastischen Anblick ergibt.

Kurze Stärkungspause, sozusagen als Nach-Mitternachts-Snack Tee und Strudel... Zumindest das ist ein unschätzbarer Vorteil dieses Beobachtungsplatzes...

M27 ist sehr hell. In obiger Konfiguration ist er sehr klein und so kontrastreich, daß man auch die äußersten Filamente erkennt. M71 nehme ich mit, weil er auf dem Weg liegt, klein, aber selbst bei dieser schwachen Vergrößerung ist er in Einzelsterne auflösbar.

M8 -- mir fehlen die Worte!!! Ich hatte erwartet, den Nebel sehr klein und sehr hell zu sehen, doch der Anblick im Fernrohr war unerwartet: Es war nicht nur die helle Zentralregion (der ovale Bereich und der durch einen dunklen Kanal abgetrennte helle Bogen) zu erkennen, sondern der Nebel in seiner gesamten Erstreckung bis zu den äußersten Ausläufern, die ich bisher nur auf Fotos gesehen hatte. Die beinahe rechteckige Struktur verliert sich am Rand und vor allem an den "Ecken" in feinen filamentartigen Ausläufern, der schwächere Nebelbereich zeigt durchaus auch Strukturen.

M20 ist in dieser P40 + UHC + f/6.3 - Konfiguration sehr klein, aber auch sehr hell. Deutlich erkennt man die Dunkelstrukturen in dem hellen Nebel und auch den schwächeren Reflexionsnebel im Anschluß. Hier auch ein Blick mit P21 + f/6.3 und ohne Filter, der Nebel ist jetzt nicht so kontrastreich, aber seine Strukturen kommen feiner heraus und vor allem erahnt man die Farben! M20 selbst hat einen warmen Farbton, der eine rötliche Färbung erahnen läßt, der Reflexionsnebel hat einen merklich kalten Farbton und kann mit Phantasie als leicht bläulich eingestuft werden.

M17 -- ja, jetzt sehe ich es auch, das "Omega"! Mit P40 + UHC + f/6.3 ist nicht nur der helle, "entenförmige" Hauptbereich zu sehen, sondern auch weite Ausläufer. Über die "Schwanzspitze" der "Ente" hinaus zunächst ein recht schwaches Filament, das in einer helleren, zweigeteilten "Flosse" endet. An diese schließt sich ein weiteres Filament an, das eine 180°-Kehrtwendung macht und unterhalb der "Ente" parallel zu dieser verläuft und dann nochmals abrupt um mehr als 90° nach unten abknickt und in zwei bis drei feinen Filamenten ausläuft. In Summe ergibt sich so ein auf der Seite liegendes "Omega". Mit P21 kommen noch mehr Details heraus. Ein Anblick, der sich in Worten kaum beschreiben läßt.

M16 die Nebelstrukturen sind sehr deutlich, auffällig ist, daß die Flächenhelligkeit des Nebels deutlich geringer ist als in den Kernbereichen von M17 und M8 und eher mit den helleren Ausläufern von M17 verglichen werden kann. Weite Ausläufer, der Sternhaufen ist natürlich dominant. Mit P21 + UHC + f/6.3 kommen auch Details im Inneren des Nebels heraus, ganz deutlich sieht man zwei der -- seit Hubble -- berühmten "Finger".

Die großen südlichen Kugelsternhaufen:

M4 ist hochinteressant. Deutlich eine recht runde diffuse, kleine Kernregion, der Haufen ist sonst sehr groß (ca. 1/2 Gesichtsfeld) und hat sehr helle Sterne, vergleichbar mit M5, teilweise noch heller. Um das Zentrum läuft N-S eine längliche Sternreihe, die dem Haufen ein unregelmäßiges Aussehen verleiht, obwohl er in seinem Hintergrund durchaus rund und kugelig aussieht. Diese Beobachtung ist interessant, denn bisher war mir M4 als unregelmäßig geformter Haufen ein Begriff. Man sieht, was erstklassige Bedingungen ausmachen.

M22 ist sehr groß, fast ein ganzes Gesichtsfeld im P21 mit den Ausläufern, großes diffuses Zentralgebiet, Konzentration ist mittelmäßig, der Zentralbereich ist deutlich größer als bei allen anderen heute beobachteten Kugelsternhaufen. Auffällig ist am Rand des Kernbereichs eine interessante Sterngruppe in Form eines "V", die doppelreihig besetzt ist und so diesen Haufen doch von den anderen merklich unterscheidet. Kompaktvergleich zu M13, M3 und M5: Größer, größerer Zentralbereich, Sterne nicht so hell wie M5, eher wie M3.

M28 ist sehr hell, klein, konzentriert, am Rand einige schwache Sternchen. Dürfte wesentlich weiter entfernt sein als M22. M54 hat ein sehr helles Zentrum, klein, konzentriert, ganz wenige Sterne. M69 größer als M54, diffus, schwach konzentriert, ziemlich viele Sterne am Rand. M70 klein, sehr deutliches Zentrum, diffuse Hülle, ganz wenige Sterne.

Ausklang:

M11 sehr gut aufgelöst, extrem hell, "rechteckig".

Neptun. Winzigkleines, giftgrünes Scheibchen. Mit P7 übervergrößert, aber mit einem Ziel: Bei 7h erkennt man mit indirektem Sehen ohne Probleme Triton!!! StarryNight hat die Position bestätigt. Mit 13,5 mag ist dieser Mond auch durchaus in der Reichweite des Instruments. Wow!

Uranus. Deutliches bläuliches Scheibchen. Im P7 sehr zittrig, da sehr tief. Bei 8h erkennt man bei indirektem Sehen ein sehr schwaches sternartiges Objekt, das von der Position her (StarryNight) durchaus Titania, der größte Uranusmond, sein könnte. Und auch von der Helligkeit geht es sich aus, denn die Angabe aus Starry Night ist falsch. Titania ist nicht 16mag, sondern 13,8mag "hell" - also auch ein Uranusmond!

Vesta. Na ja, ohne Probleme zu sehen. Ein hellerer Lichtpunkt halt.

Und als krönender Abschluß: C/1999 S4 (LINEAR). Obwohl die astronomische Dämmerung bereits eingesetzt hat und das Objekt sehr tief steht - noch dazu in Richtung der Lichtglocke von Wien - ist er gut zu erkennen. Klein, diffus, oval, ohne sternartige Verdichtung, ca. 7mag bis 8mag hell. Wenn S4 unter diesen Bedingungen zu sehen ist, dann kann man ja auf Juli gespannt sein! Nachtrag: Ich muß wohl sehr gut dunkeladaptiert gewesen sein! Der Komet, das bestätigen alle Fotos anderer Beobachter aus dieser Nacht, war nicht einmal 10 mag hell. Ich sollte das Schä:tzen von Kometen üben oder lassen...

Ganz um Abschluß noch ein -6mag heller Iridium-Flare, den Silvia Bäs sogar im Bild festhalten konnte:


Iridium-Flare, aufgenommen auf 100 ASA Kodak Elite Diafilm, Langzeitbelichtung mit f=50mm f/4. Aufnahme: Silvia Bäs.

Ende in der Dämmerung, gegen 3 Uhr.

Fazit: Nach Jahren (!) wieder einmal ein dickes Plus für die Pretul. Während am Vortag -- einige hatten bereits hier beobachtet -- der Himmel pünktlich mit Sonnenuntergang zuzog und sich der typische Pretuleffekt einmal mehr wiederholte (ich hatte auf der Ebenwaldhöhe wie gesagt keine Probleme), hielt diesmal eine ganze Beobachtungsnacht, und was für eine! Traumhafte Bedingungen und auch freisichtig ein phantastischer Himmel.

APi