Name: | Alexander Pikhard, Natalie Ebner
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e-Mail: | apikhard@eunet.at
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Datum: | 21. Juni 2000
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Zeit: | 22.00 bis 1.00 MESZ
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Ort: | Ebenwaldhöhe
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Bedingungen: | Wolkenlos und warm (Beobachten auf der EWH im T-Shirt, cool), ganz
leichter Wind aus E. Ein Sommerabend, wie man ihn sich wünscht. Grillen-Gezirpe
so weit das Ohr reicht, satter Almduft und -- menschenleer! Außer
uns beiden keiner da. Keine verspäteten Wanderer, keine Amateurastronomen,
keine einheimischen Besucher. Nur zweimal fuhr ein Traktor in größerer
Entfernung vorbei, sonst Ruhe. Fast unheimlich. Einmal kam sogar ein Tier
aus dem Wald (keine Ahnung, was es war, wir konnten es nur hören aber
nicht sehen) ziemlich nah an uns heran.
Was ist mit all den Beobachtern? Lassen sie sich abschrecken, weil um 0 Uhr der Mond aufgeht, oder sind sie auch in den Bann der Fußball-EM gezogen? Zusammenfassende Gesamtbeurteilung: Dursicht 1++, Aufhellung 1++, Seeing
1. Also eine optimale Nacht. Eine der besten der letzten Jahre.
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Bericht: | 22.00 Es ist sehr helle Dämmerung. Daher kommen nach dem Aufstellen
die typischen Dämmerungs-Überbrücker dran. Die hellsten
Sterne sind bereits gut mit freiem Auge zu sehen.
Ep Lyr: Seeing ist erstaunlich gut, im 14mm Pentax sind die Sterne gestochen scharf und flimmern kaum, keine Frage, daß sie gut zu trennen sind. Wirklich erstaunlich. Ich hätte bei der Temperatur doch mit mehr Seeing gerechnet, und das Instrument kam natürlich auch schneller an die Außentemperatur heran. Ze Lyr: So weit, daß er schon nicht mehr als Doppelstern auffällt. Ich wechsle auf 21mm Pentax für die nächsten Objekte. 22.04: Aus dem Osten kommt ISS, sehr hell (wie Altair). Be Cyg: Natürlich auch wunderschön. Mir persönlich gefällt der Doppelstern in der Dämmerung noch besser, weil auf dem dunkelblauen Hintergrund die Farben der Sterne noch kontrastreicher wirken. Während sich der Begleiter anpaßt, sticht der Hauptstern extrem rötlich heraus. Nebenbei, weil in der Nähe, der Coathanger, der aber nur im Sucher (8x50) interessant ist. Dann eine Hommage an die klassische Astronomie: 61 Cyg, der Besselsche Stern, an dem 1839 erstmals eine Parallaxenmessung gelang. Die beiden rötlichen Sterne sind in ihrer Farbe sehr deutlich zu erkennen und bilden einen wunderschönen Kontrast zu dem noch immer nicht ganz dunklen Hintergrund. Es wird sehr schnell dunkler, man kann der Dämmerung förmlich zusehen. Es geht allmählich mit Deep Sky los. M29 (kleiner offener Sternhaufen im Cyg). Fast schon zu groß im 21mm P., man sieht deutlich die hellen 6-7 Sterne und einige schwächere, das ganze schaut aber doch eher wie eine zufällige Verdichtung in der Milchstraße aus. Tipp: Mit schwächerer Vergrößerung schauen (ich hätte auf 40mm Pentax wechseln können, aber ehrlich gesagt, ich weiß, wie M29 aussieht und habe mir diesen Wechsel zugunsten freisichtiger Eindrücke erspart). NGC6910 in der Nähe von Ga Cyg ist ein sehr interessanter Haufen. Eine auf dem Kopf stehende Eins! Eigentlich ein "Y" aus 10 Sternen (oder eher ein Mercedesstern ohne Ring). Hellere Sterne bilden die Enden der drei Sternreihen, in der Mitte steht ein Stern und in jeder der drei Sternreihen exakt zwei schwächere Zwischensterne, einigermaßen gleich verteilt. Eine eigenartige Laune der Natur. Rechts unterhalb des untersten Sterns steht noch ein hellerer Stern steht, der aus der nach unten weisenden Sternreihe die Figur einer "1" macht. Ungefähr genauso groß wie M29. Locker und sternarm. 22.30 Es ist dunkel genug für Deep Sky! Ich erkenne 6 Sterne im ptolemäischen Dreieck. Freisichtige Grenzgröße 4,8 mag. M13 ist ein Traum! Durch das exzellente Seeing sind die Sterne gestochen scharf und der Haufen wirkt daher noch plastischer als sonst. Auf dem noch nicht ganz dunklen Hintergrund ist der Übergang von der hellen, diffusen Zentralregion in den dunklen Himmel noch gleitender, weshalb die Einzelsterne das Bild prägen. Und die sind fein wie Diamantsplitter! Mit dem 14mm Pentax-Okular füllt der Haufen fast das halbe Gesichtsfeld aus, der Himmel ist sehr dunkel und der Eindruck einfach nicht in Worte zu fassen. M92 auf dem schon recht dunklen Hintergrund ein interessanter Gegensatz. Das Zentrum ist kleiner, aber viel heller als das von M13. Viel kleiner und stärker konzentriert, dichter. Sehr schön! Extrem gute Duchsicht und perfektes Seeing kompensieren die noch immer vorherrschende Dämmerung. NGC6229 (noch ein Kugelsternhaufen) klein, sehr hell, diffus, keine Sternchen. [beim Abschreiben der Tonbandaufzeichnung bemerke ich, daß die Grillen so laut waren, daß sie im Hintergrund deutlich zu hören sind, und das, obwohl das Mikrophon eines Diktiergeräts auf nahe Schallquellen ausgelegt ist]. NGC6819 OStH Cyg sehr interessant, sehr dicht, einige hellere Sterne haben sich deutlich von der Milchstraße ab, dahiner sieht man eine diffuse Wolke, der bei indirektem Sehen in viele einzelne Sternchen auflösbar ist. Das Objekt ist sehr klein, nur ca. 1/10 GesF im 21mm P., in seiner Form sieht der Haufen fast wie ein kleiner Schmetterling aus. Sehr schönes, interessantes Objekt. Mittlerweile ist es so dunkel, daß der Hintergrund im Fernrohr bereits schwarz erscheint und sehr viele Sterne zu erkennen sind. NGC6866 OStH Cyg ist so locker, daß er sich kaum von den restlichen Sternen abhebt, wenige, aber sehr helle Sterne. 22.51 Etwas mehr Wind, 10-11 Sterne im ptolemäischen Dreieck. Freisichtige Grenzgröße ca. 6,0 mag. M57 alles da, was dazugehört! Der Hintergrund ist im Fernrohr (14mm P.) bereits völlig dunkel (freisichtig noch nicht, aber das ist eben die Kontraststeigerung im Fernrohr), der Ring zeigt sich mit aufgehellter Mitte, inhomogener Ringstruktur (an der längeren Achse der Ellipse zu beiden Enden "ausgefranst", an der kürzeren Achse zu beiden Seiten scharf begrenzt, dort erkennt man im Ring auch einige hellere Knoten, die Innenkante erscheint diffuser als die Außenkante. Blickweise scheint sogar eine Struktur im Inneren des Rings - "Streifen" - erkennbar zu sein). Auch der 12mag Stern knapp außerhalb des Rings ist gut zu erkennen. Ein prächtiger Anblick in einem sehr sternreichen Feld. 23.00 Die Milchstraße im Schwan ist bereits deutlich. M56 (14mm P.) völlig aufgelöst, leicht diffus hinterlegt und viele Sternchen. Sehr schön. Jetzt kommen einige planetarische Nebel dran, alle mit P14: NGC6826 (Cyg) Zentralstern sehr deutlich, Nebel kreisrund, relativ scharf begrenzt, bei indir. Sehen erkennt man ein oder zwei Hüllen in der Scheibe. NGC7008 (Cyg) mit UHC-Filter. Sehr interessant, in der Nähe von einem helleren Doppelstern und es sieht so aus, als würde aus diesen beiden Sternen eine Gaswolke strömen. Der Nebel ist birnenförmig und läuft in einer Spitze aus, in der man bei indirektem Sehen auch einen Stern vermuten kann. Extrem strukturiert mit zahlreichen dunklen Filamenten, die Form ist schwer zu beschreiben, eben wie eine gebogene Birne. Hochinteressant! NGC6884 (Cyg) sehr hell, klein, rund, bläulich, wie ein Sternchen. Immer noch P14 und UHC. NGC7027 (Cyg) sehr hell, Struktur, winzig klein, bläulich, zwei Zentren, wie kleine Hantel oder Polster, ganz feine, diffuse Hülle. 23.15 Sterne im ptolemäischen Dreieck 13-14, freisichtige Grenzgröße ca. 6,2 mag. Jetzt geht es weiter mit dem 400m Pentax.Okular zu etwas größeren Objekten. NGC6960 (Cirrus Teil 1) mit UHC ein sehr deutliches, helles Filament. Dann mit f/6.3-Rekuktion paßt dieses Filament ins Gesichtsfeld und ist sehr hell. NGC6992 (Cirrus Teil 2) gleiche Konfiguration, paßt ins Gesichtsfeld, sehr hell, beeindruckend ist, wie der helle Bogen am unteren Ende in einem Netz aus feinen Filamenten ausläuft. Extrem beeindruckend. NGC6888 (Bubble-N.) mit f/6.3 dominieren die vielen Sterne, daher ohne (also f/10) mit P40mm und UHC, da ist das Objekt extrem deutlich. Man erkennt die ganze Nebelblase, die an einer Stelle besonders hell ist. 23.30 Jetzt ist auch schon der Schütze aufgegangen, die Milchstraße läuft von Horizont bis Horizont! Ich kann die Sterne im ptolemäischen Dreieck nicht mehr zählen, es sind auf jeden Fall mehr als 15. Freisichtige Grezgröße jenseits der 6,2 mag. Mit so einer "Dämmerung" kann man leben, denn die astronomische Dämmerung endet erst um 00.20 Uhr. M27 (P40, UHC) - gerade fliegt ein winziger Satellit durch, für so schwache Objekte habe ich aber keine GSOC-Daten mehr mit - extrem hell, zeigt trotzdem noch Strukturen, Hantel voll ausgefüllt, fasrige Ausläufer, fein diffus hinterlegt, sodaß der Eindruck eines schönen Ovals entsteht. M71 (P40 ist fast zu langbrennweitig) diffus mit einzelnen Sternchen in einer sehr sternreichen Gegend. NGC6891 PlNeb im Del klein, sehr hell. NGC6804 PlNeb Aql sehr groß, diffus, rund, wirkt an den Enden leicht ausgefranst, nicht 100%ig Rund (P21, UHC). NGC6803 PlNeb Aql sternartig, gar nicht so leicht festzustellen, welches der zahlreichen Objekte im Gesichtsfeld der "Nebel" ist. NGC6781 PlNeb Aql P21, UHC, sehr groß, rund, diffus, andeutungsweise ringförmig, Mitte ist nur leichte Verdunkelung. Ich schwenke erstmals nach Norden ... M52 P40, prächtig, extrem gut aufgelöst, sehr dicht, in der Mitte einige helle Sterne, darunter ein sehr heller. NGC7789 extrem dicht, heute (Seeing!) in alle Sterne auflösbar, hebt sich gut von der Milchstraße ab, ein phantastische Anblick. Die meisten der zahlreichen Sternen sind sehr schwach. M103 nett, klein, nicht allzuviele Sterne, einige hellere und eine Menge schwächerer. Doch noch einmal nach Süden! M8 (40mm, UHC) sehr kontrastreich, viele Details, Gesichtsfeld gefüllt, - Schreck! Ein Flugzeug mitten durch den Nebel! - die helle Region macht ca. ein Drittel des Gesichtsfelds aus. M17 (40mm, UHC) phantastisch! Der ganze Nebel, alle Ausläufer, zu sehen. Eine phantastische Nacht!!! M16 ist ebenfalls eine Pracht, Nebel ist fein und diffus, so wie die Ausläufer von M8 und M17, man erkennt auch die dunklen "Finger" im Nebel. Der Sternhaufen ist deutlich. Genau über dem Gipfel des Unterbergs geht der Mond auf. Abnehmend, in einem dunklen Orange. Im Fernrohr erkennt man die Bäume des Gipfelgrates vor dem Mond. Rasch die Kamera montiert, doch zu spät für eine der berühmten Aufnahmen, die man vor allem aus Sky&Telescope kennt. Es geht zu rasch. So ein Bild - aufgehender Mond mit Vordergrund - muß ja doch geplant werden. Also fotografiere ich den Mond einfach so, mit f/6.2 paßt er ins Bildfeld, auf Kodak Select Royal 1000. Belichtungszeiten 1/500, 1/250, 1/125, 1/60 und 1/30 sek.
Und jetzt nach Norden... Es ist 00.44 Uhr MESZ C/1999 S4 (LINEAR) sehr schwach, länglich, steht nur 10°
hoch und der Mond ist bereits sehr störend.
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Fazit: | Entgegen der weit verbreiteten Annahme, daß man im Juni nichts
beobachten kann, wenn der Mond um Mitternacht aufgeht, eine traumhafte
Beobachtung unter optimalen und angenehmen Bedingungen. Ich bereue keine
Minute dieser Beobachtungsnacht, sie hat neben schönen Eindrücken
bekannter Objekte auch wieder neue Erkenntnisse gebracht.
Also: Am Sommeranfang, in der kürzesten Nacht, kann man bei guten Bedingungen ab 22.30 Uhr sinnvoll beobachten. Ohne Mond wäre es also bis rund 3 Uhr gegangen. Es gibt keine "Mond-Dämmerung". Solange der Mond unter dem Horizont steht, herrschen optimale Beobachtungsbedingungen. Erst wenn der Mond aufgeht, ist sehr rasch Schluß mit Deep Sky. Man kann also ruhig auch in dieser Jahreszeit Sterngucken fahren. Quod
erat demonstrandum.
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APi |