Beobachtungsbericht, Nacht vom 31.7./1.8. 2000

Name: Alexander Pikhard, Natalie Ebner, Daniela Pikhard

Email: apikhard@eunet.at

Datum: 31. Juli 2000, 21.45 MESZ, bis 1. 8. 2000, 00.45 MESZ

Ort: Falkenstein/Steiermark

Instrument: 12" Meade LX-200, Feldstecher 20x50

Bedingungen: Abgesehen von der etwas ungünstigen Lage des Beobachtungsortes in einem engen Tal mit sehr eingeschränktem Landschaftshorizont, extrem gute Bedingungen. Bewölkung von 5% auf 0 fallend, kein Wind, Temperatur rund 10°C, Durchsicht 1+++, Seeing 2, Aufhellung 1+++. Es sollte sich im Verlauf dieser Nacht herausstellen, daß es sich um eine der besten Beobachtungsnächte, an die ich mich erinnern kann, handelte.

Obwohl ich es aufgrund des hohen Landschaftshorizonts nicht vermutet hatte, versuchte ich dennoch den Kometen C/1999 S4 (LINEAR) als erstes Objekt, und rein geometrisch ging es sich noch aus, der Komet stand über einem nahen Waldrücken. Allerdings war er in der hellen Dämmerung gerade mal ansatzweise zu sehen (indirekt), ohne erkennbaren Kern (!) - dieser war es doch, der dem Kometen bisher zumindest einigermaßen Helligkeit verliehen hatte. So blieb nur eine sehr diffuse Aufhellung in der Mitte des Feldes, die ich auf ca. 9mag schätzte. Schon aufgrund der Lage dürfte es sich um die letzte Beobachtung des Kometen gehandelt haben. [40mm Pentax]

Es geht also los mit Deep Sky. Erstes Objekt ist natürlich M13; im 14mm Pentax sehr schön, obwohl hier das Seeing etwas zuschlägt und es noch nicht völlig dunkel ist. Aber das schadet bei Kugelsternhaufen bekanntermaßen nicht. Sehr schön also. Ich mache ein paar Vergleiche mit M13 mit dem gleichen Okular [14mm Pentax]: M92 ist kleiner und konzentrierter, aber ebenfalls schon sehr schön. M10 hat weniger helle Sterne als M13 und M92, ist aber auch bis zur Mitte hin aufgelöst, relativ konzentriert, rundes diffuses Zentrum und Einzelsterne bis an den Rand des Gesichtsfeldes. Wirkt sehr plastisch. M12 hat weniger helle Sterne als M10, ansonsten ungefähr gleich groß, locker, auch hier sind Einzelsterne bis an den Rand des Gesichtsfeldes zu erkennen. Die Mitte wirkt viel diffuser. Auffällig sind einige markante Sternreihen, die vom Haufenzentrum radial nach außen verlaufen. M107 zeigt nur ganz wenige Einzelsterne, ist klein und diffus, etwas Struktur in der diffusen Zentralregion.

22.00 Einige sehr helle Meteore (verfühte Perseiden? Die Richtung könnte stimmen) und schon ist die Milchstraße wunderschön da. Fein, daß es wider merklich früher dunkel wird.

Die Region des Milchstraßenzentrums kommt leider nicht über den Landschaftshorizont. Nur die nördlichsten Bereiche des Schützen sind zu beobachten. M17 [21mm Pentax] ohne Filter, sehr strukturiert, man erkennt den hellen Hauptteil ("Schwan") und ein paar Ausläufer. Mit UHC-Filter ist der Nebel viel strukturierter, man erkennt dunkle Filamente im hellen Teil und einige weite Ausläufer, die aus dem Gesichtsfeld hinausreichen, sodaß man dem Nebel "nachfahren" kann. Er füllt ca. 2 Gesichtsfelder (à 27'). M16 ist viel schwächer, paßt ziemlich genau ins Gesichtsfeld des 21mm Pentax, die Flächenhelligkeit der Nebelregionen entspricht jener der helleren Ausläufer von M17 (ist also viel geringer als bei den zentralen Teilen von M17). Mit UHC-Filter erkennt man die Form des Nebels (wirklich ein "Adler"!) und bei indirektem Sehen auch die dunklen Filamente, die "Finger". M22 [21mm Pentax] - wow! Etwa das halbe Gesichtsfeld ist von diesem sehr dichten, bis zur Mitte hin aufelösten Haufen ausgefüllt. Viel mehr Sterne als bei M13. Großes diffuses Zentrum. Einige Sternreihen. Im 14mm Pentax (14' Feld) reicht der Haufen bis an den Rand des Gesichtsfelds. Ein wunderschöner Anblick!

Zentrales Thema des Abends: Die Schildwolke und die darin befindlichen Deep Sky-Objekte (samt der im Norden angrenzenden Bereiche im Adler). Alles mit 21mm Pentax. M11 ist wunderschön, natürlich gänzlich aufgelöst, sehr dicht. NGC6704 kleiner lockerer OStH, einige wenige Sterne, nicht allzu deutlich abgehoben vom Hintergrund. Wieder einmal ein kleiner "Christbaum". NGC6683 (OStH) ist vom Hintergrund nicht zu unterscheiden, ein sternreiches Feld eben. Etwas für schwächere Vergrößerungen. NGC6664 (OStH) ist recht groß, sehr locker, fällt nicht wirklich auf - einige hellere Sterne im Gesichtsfeld. Das ist sicherlich eher ein Feldstecherobjekt. M26 ist einer kleiner, konzentrierter Sternhaufen mit einer sehr interessanten Anordnung. Ein hellerer Stern und dann einige Sternlinienzüge, die eher wirr durch die Gegend laufen. Hebt sich deutlich von der Milchstraße ab. Der Kugelsternhaufen NGC6712 ist interessant: Klein, auf den ersten Blick diffus, das aber (vor allem bei indirektem Sehen) gut in viele sehr schwache Sterne aufgelöst werden kann. Sehr stark konzentrierter Kern, kleine diffuse Zentralregion. Sehr interessant in einem sehr reichen Milchstraßengebiet (Schildwolke eben). NGC6649 ist ein sehr hübscher offener Sternhaufen, gut konzentriert, ein heller Stern, hebt sich gut vom Hintergrund ab. Der Haufen steht nicht mehr vor der Schildwolke, sondern etwas abseits. Die Grenze der Schildwolke, vor allem nach Westen, ist auch im Fernrohr extrem deutlich. Plötzlich sind viel weniger Sterne im Gesichtsfeld. Wir blicken zu den großen Dunkelwolken, die die charakteristische Teilung der Milchstraße bilden.

Die Milchstraße ist auch mit freiem Auge sehenswert: Deutlich erkennt man die Schildwolke, M24, auch M16 und M17, die Dunkelwolken im Adler; auch im Schwan ist die Milchstraße extrem strukturiert. Wir wenden uns jetzt dem Gebiet im Adler, nördlich der Schildwolke zu.

Vorher noch NGC6539, ein sehr schwacher, sehr diffuser Kugelsternhaufen, kaum beobachtenswert. NGC6755 (Adler), ein offener Sternhaufen, der sich im 21mm Okular schon verliert, weil er zu groß ist. Nur einige hellere Sterne. Th Ser ist ein wunderschöner Doppelstern aus zwei sehr hellen, blauen Sternen. Weit. NGC6760 ist ein kleiner, diffuser Kugelsternhaufen, gut zu sehen, aber keine Einzelsterne. NGC6790 ist ein heller PlNeb, aber sehr klein, wie ein blauer Stern. NGC6781 ist sehr groß, rund, diffus, schwach, bei indirektem Sehen ist die Mitte etwas dunkler, sodaß man einen diffuses Ring erkennt.

Jetzt zu den Sehenswürdigkeiten allgemein. M57 ist extrem hell, mit allen gewohnten Details, die Bedingungen sind extrem gut, der eine Stern 12mag knapp außerhalb des Ringes ist ohne Probleme und indirektem Sehen gut zu erkennen. Fast galubt man, den Zentralstern sehen zu können (doch es reicht "nur" für rund 14,5mag visueller Grenzgröße). M56 ist weit aufgelöst, ein interessanter Anblick: Ein bis zur Mitte hin aufgelöster Kugelsternhaufen in einer sehr sternreichen Gegend der Milchstraße.

Und jetzt zu den Nebeln im Schwan... NGC6888, der Crescent-Nebel [40mm Pentax, UHC] ist ohne indirektem Sehen ganz deutlich, und zwar erkennt man eine ovale Blase, die sogar etwas "ausgefüllt" erscheint, und in der Blase erkennt man auch noch ein weiteres gebogenes Filament. Enormer Kontrast; noch nie konnte ich das Innere dieses Nebels aufgehellt sehen!

Cirrus-Nebel. NGC6960 [40mm Pentax, UHC] ist ein heller Streifen, drei Gesichtsfelder (à 54') lang. Wir beginnen am südlichen Ende: Der Nebel ist deutlich in zwei getrennte Filamente geteilt, bei indirektem Sehen vermutet man noch ein drittes. Vor 52Cyg vereinigen sich diese Filamente zu einem hellen Strang. Nördlich von 52 Cyg sieht man eine sehr helle doppelte Welle, in dieser erkennt man zwei eing ineinander geschlunge Filamente und kanpp oberhalb von 52 Cyg reicht ein kurzes weiteres Filament nach rechts hinaus. So detailliert konnte ich NGC6960 noch nie beobachten! NGC6992 ist ca. 2 Gesichtsfelder groß. Im Norden ist ein breites Filament mit einigen dunklen Strukturen zu erkennen. Nach etwa einem halben Gesichtsfeld nach Süden ein heller Knoten. Der Nebel wird nach Süden dann etwas dünner, ein weiteres Gesichtsfeld südlich verzweigt er sich aber in einem wirren Netzwerk von Filamenten und hellen Knoten, die fast ein ganzes Feld füllen. Ein bemerkenswerter Anblick. NGC6974 ist ein diffuser Mitteilteil des Cirrus-Nebels, schwach, diffus, ohne erkennbare Form, aber deutlich. Ebenso NGC6979. Und dann ein Schwenk - dank Computersteuerung mit TheSky - zu jenem Teil, der auf Aufnahmen wie eine Landschaft aus Unterwasserpflanzen aussieht und gar keine Katalogbezeichnung mehr hat. Und auch hier - zwei längliche Filamente laufen durch das Gesichtsfeld, schwach, breit, aber deutlich zu erkennen. Noch nie konnte ich alle (!) Teile des Cirrus-Nebel visuell beobachten. Heute Nacht war es möglich. Einfach cool!

Nordamerika-Nebel NGC7000 [P40mm, UHC] extrem kontrastreich, die südlichen Teile sind ohne indirektem Sehen gut zu erkennen, wie wenn jemand Teile des Gesichtsfeldes mit einem Airbrush bearbeitet hätte, der Nebel hebt sich ganz deutlich vom dunklen Hintergrund ab. Mit der Feinbewegung kann man den gesamten Nebel - er ist einige Gesichtsfelder groß - abfahren und erkennt hellere oder schwächere diffuse Gebiete. Beeindruckend!

Cocoon-Nebel (IC5146) ist erstmals ohne Schwierigkeiten zu sehen. Schwach, diffus, aber indirekt sehr deutlich. In zwei hellere und drei schwächere Sterne eingebettet. Und erstmals kann ich visuell - wenngleich mit indirektem Sehen und nur als diffuse Aufhellung - die Nebel um Gamma Cygni erkennen. Was für Bedingungen!

Jetzt, in völliger Dunkelheit, noch einmal M13: Es fehlen die Worte! Das muß man gesehen haben. Sorry!

Ein kurzer Schwenk zu M51: Steht zwar schon tief, aber es ist alles da...

Zwei Fotos, F=70mm, f/4, auf Kodak Royal Gold 1000 ASA: Herkules und Schildwolke. Jeweils drei Minuten:


Die Milchstraße im Schild und Schützen (Nordteil).
Deutlich erkennt man Schildwolke mit M11 sowie Sh2-54, M16 und M17
(die drei hellen Emmissionsnebel rechts unten, von oben nach unten).
Drei Minuten auf Kodak Royal 1000, F=70mm f/4.


Herkules mit den drei Kugelsternhaufen M13, M92 und NGC6229 (v.l.n.r).
Drei Minuten auf Kodak Royal 1000, F=70mm f/4.

Und zum Abschluß zwei Planeten: Uranus [7mm Pentax], die Vergrößerung ist zwar zu stark, aber bei indirektem Sehen sind die beiden Monde Titania und Oberon gut und ohne Probleme zu sehen (unterhalb Oberon, oberhalb, etwas knapper, Titania). Der Planet ist eine helle blaue Scheibe. Neptun in gleicher Konfiguration, und Triton ist schon bei normaler Beobachtung, ohne indirektem Sehen, gut zu erkennen! Die visuelle Grenzgröße liegt eben jenseits der 14,5mag, da sind 13,5 kein echtes Problem.

Ganz zum Abschluß: M31 und M32 sehr hell, beeindruckend, und NGC7789, ein extrem sternreiches Feld.

Vor dem Schlafengehen noch eine Runde mit dem Feldstecher, zu M23, M24, M25, M22, M17 und M16. Was für eine Nacht!

Fazit: Eine der besten Beobachtungsnächte, an die ich mich erinnern kann. Mit 12" ans Limit, da steckt schon enorm viel drin. Allein die Durchmusterung des Cirrus-Nebels ist ein bleibender Eindruck. Warum kann so eine Nacht nicht länger dauern (und warum bin ich gerade heute so hundemüde, weil ich zwei Nächte nicht richtig geschlafen habe)? Aber während ich diesen Bericht eintippe, senkt sich die Sonne auf einem wolkenlosen, makellos blauen Himmel langsam zum Horizont. Das schreit nach einer Fortsetzung ...

Alexander Pikhard