12. Juni 2001

Die Brücke am Kavango

Tagwache um 5 Uhr. Der Lagerabbau in der Morgendämmerung erfolgt teilweise in rekordverdächtiger Zeit. Nach der relativ kurzen Etappe durch den Etosha-Nationalpark steht heute eine Monsteretappe auf dem Programm, deren Ziel uns auch ein wenig flau in der Magengegend werden  läßt: 700km nach Norden an die Grenze zu Angola ...

Sehr zeitig brechen wir auf, selbst fürs Frühstücken bleibt wenig Zeit; eigentlich gar keine. Denn wir wollen ja auch noch zum Hoba-Meteoriten! Der riesige Eisenmeteorit liegt - in einem kleinen Amphitheater freigelegt - in der Hoba-Farm in einer sehr fruchtbaren Gegend Namibias.


Oops!?


Ein Riesenmeteorit. Gefundenes Fressen für Hobbyastronomen.
A propos (Fr)essen... Hunger! Es gab nämlich heute noch nichts!


Gruppenbild mit Eisenbrocken. Wo sind bloß die anderen?

Nicht alle Fahrzeuge schaffen es; der VW-Bus hat eine Reifenpanne, kann den Meteoriten nicht besuchen. Der Chevy hat defekte Bremsbeläge, kommt verspätet. Unser Truck macht es ohne Probleme, somit sieht immer nur ein kleineres Grüppchen diese interessante Attraktion, ein gemeinsames Gruppenfoto entfällt zunächst leider.

Auf das Frühstück müssen wir noch lange warten, und es wird ein schnell verzehrtes Mittagessen vor einem kleinen Café mitten im Nirgendwo.


Pannen, Pannen, schnell ein Imbiß, der Zeitplan ist ohnedies schon
beim Teufel. Wir sollten um 17 Uhr 500 km weiter sein und es ist
schon 14 Uhr... Am Tag der SoFi darf das nicht passieren!!!

Wir biegen auf die endlose, schnurgerade B8 nach Nordosten ab (über 300 km ohne nennenswerte Kurven). Mitten in der Gegend plötzlich ein Kontrollpunkt der Veterinärbehörde; dahinter ist die Landschaft schlagartig anders. Strohhütten säumen die Straße, die endlosen Farmzäune sind verschwunden, Kinder spielen in den kleinen Dörfern, dazwischen Ziegen und Rinder. Jetzt sind wir in Afrika!

Von Norden, von Angola her, ziehen dunkle Wolken auf. Da wird sich doch nicht ein tropisches Gewitter zusammenbrauen? Und zu dieser Zeit sind Wolken nicht erwünscht, auch nicht heute und hier...

Nach Stunden erreichen wir Rundu, die unheimliche Stadt am Kavango, der später Okawango heißen wird. Nur einen Steinwurf entfernt auf der anderen Seite des Flusses liegt Angola, das Bürgerkriegsland. Militär überall, hier ein Flüchtlingslager, dazwischen durchaus attaktive Läden und geschäftiges Treiben. Schwüle liegt über der Flußniederung. Und vor uns noch über 200 Kilometer. Und die Sonne sinkt tiefer. Treibstoff wird rarer.

Die endlose B8 biegt nach Osten und folgt in einigem Respektabstand dem Kavango. Es wird dunkel. Mars kommt heraus. Dann Alpha Centauri. Dann das Kreuz des Südens. Immer dunkler, immer mehr Sterne. Wir sind spät dran. Sacky, unser Fahrer, tritt unseren Truck mit 100 Sachen über den verlassenen Highway. Viel kann er nicht sehen, er fährt mit Breitstrahlern statt mit Fernlicht. Ob er eines hat? Ich kontrolliere die Straße mit meinem Nachtsichtgerät. Was ich mache, wenn ich ein Hindernis erkenne, weiß ich nicht. Der Fahrer sitzt vorne in einer eigenen Kabine ...

Ob es die anderen beiden Fahrzeuge - sie haben uns vor Stunden überholt - rechtzeitig bis Einbruch der Dunkelheit geschafft haben? Die Tore des Camps, das nur uns erwartet, schließen mit Sonnenuntergang. Viel, viel zu spät.

Lichter. Ein Schild. "Road Closed". Wo sind wir? Die asphaltierte Straße geht in eine Schotterpiste über. Weit und breit nichts. Dann die Brücke. Eng und lang. Sie führt über den Kavango. Liegt da drüben nicht Angola? Ein Militärposten am anderen Ende der Brücke. Ich verstecke sicherheitshalber mein (russisches) Nachtsichtgerät. Sacky steigt aus, die Hände hinter dem Nacken - streckt er sich oder ... Verhandlungen. Der Wachsoldat deutet ihm an, wir müssten umkehren. Aber wo sind wir? Zurück über die Brücke. Weiter die Staubstraße entlang. Weit und breit kein Hinweis.

Es war nicht Angola, sondern die Passage durch den Caprivi-Zipfel; nicht minder spannend. Das Gebiet darf nur untertags und nur mit Militäreskorte durchfahren werden: Hinterland der angolanischen Unita-Rebellen. Sperrzone. So weit so gut, aber wir haben unser Camp in Popa Falls noch immer nicht gefunden. Doch, jetzt, eine Abzweigung, ein Tor. Es ist offen. Hinein! Krach ...

Unser Truck war zu hoch. Hat das hölzerne Gate schlicht und einfach geknackt. Wolfgang verfällt. Seine Ausrüstung ist auf dem Dach. Wie ein Stuntman klettert er aus dem Fahrzeug auf das Dach. Entwarnung. Es war nur die Sitzbank vorne auf dem Dach, alles Gepäck ist OK. Wir fahren weiter, umfahren das Tor. Wolfgang rennt - er ist nicht im Bus! Aber wir sind ohnedies schon da. Spät aber doch. In unserem Fahrzeug herrscht eine hysterisch heitere Stimmung, alles wird verulkt, nichts mehr ernst genommen, auf gut wienerisch, "der Schmäh rennt". Sind wir uns dessen bewußt, was wir in der letzten Stunde erlebt haben?

Unser Camp ist das schönste bisher. Wir hören die Stromschnellen des Kavango rauschen, das Camp selbst liegt im Auwald. Die Moskitos halten sich zurück, doch die Warnung unserer Guides vor den Puffottern sorgt noch einmal für Streß. Wir grillen Kudu am Lagerfeuer. Ich fotografiere die Szene, wähle jedes Motiv genau im Sucher aus, ein Schritt vor - auaaaaaahhh! Verdammt, Holzpflöcke, die in Höhe der Kniescheibe enden, gehören verboten! Tut das gut, wenn der Schmerz nachlässt ...


Die Überlebenden der Passage entlang der angolanischen Grenze
am Campfire in Popa Falls. Wer erst jetzt zu lesen begonnen hat:
Alle haben überlebt :-)

Christina findet einen Beobachtungsplatz im Ufersand des Kavango nahe der Stromschnellen. Stockdunkel. Ein Traum. Milchstraße von Horizont zu Horizont. Alle wichtigen Sehenswürdigkeiten wie Schildwolke, M24, die beiden hellen Haufen M6 und M7, die Haufen und Nebel im Süden des Skorpions vor der Abbiegung zum Stachel, der Kohlensack, das Schatzkästchen, Omega Centauri, die Eta Carinae-Nebel, NGC 3532, IC 2602 und unterhalb des "falschen Kreuzes" NGC 2516. All das auf stockdunklem Himmel. Und Mars in Oppostion - im Zenit ... Den vollen Beobachtungsbericht gibt es wie immer hier.

Wir bleiben länger auf als sonst, bis gegen 23.30 Uhr das helle Mondlicht der Sache ein Ende macht.

Im Rauschen des Kavango schlafen wir gut und lange. Ein Tag voller Abenteuer endet, morgen warten schon die nächsten ...
 
 

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