T7, McNeil & mehr

Raiffeisen-Volkssternwarte Mariazell, 20. 02. 2004

20040220api17.html

Beobachter:Alexander Pikhard
Datum:20. 02. 2004
Zeit:17.20 bis 02.00 MEZ
Ort:Raiffeisen-Volkssternwarte Mariazell
Instrument:5" f/10 Starfire-Refraktor
Bedingungen:

Durchsicht:sehr gut (1)
Aufhellung:sehr gut (1)
Seeing:sehr schlecht (5)
Freis. vis. Grenzgroesse:6.5
Temperatur:-6 °C
Wind:sehr stark aus S
Bemerkungen:Ein extremer Föhnsturm mit teilweise unangenehmem Flugschnee, mieserables Seeing, aber eine Durchsicht wie schon lange nicht. Ohne Kuppel keine Chance zum Beobachten.

Bericht:

Sehr gute Wetterprognosen - soweit sie die Wolken betreffen - lassen in mir schon am Donnerstag den Entschluss reifen, am Freitag zu beobachten. Ich möchte doch einen Blick auf den Kometen C/2002 T7 und den neu entdeckten McNeil-Nebel werfen. Die enorme Schneelage auf den Berge lässt mich die Sternwarte in Mariazell wählen, ein weiser Entschluss, wie sich noch zeigen wird. Günther Eder hat zwar um 20 Uhr eine Führung vorgesehen, aber davor und danach kann ich mich austoben. Also packe ich am Freitag CCD-Kamera und Co ein und fahre unter strahlend blauem Himmel nach Mariazell.

Nach Freiland wird die Landschaft tiefwinterlich, die Schneemauern neben der Straße übersteigen in Kernhof schon stellenweise die Metermarke, am Gscheid erreichen sie oft mehr als zwei Meter. Die sanften Wiener Hausberge, Gippel und Göller, stehen strahlend weiß in der Sonne, mit mächtigen Schneefahnen sehen sie aus wie Viertausender in den Westalpen. Der Föhnsturm ...

Auf der Stehralm angekommen bewege ich mich in ungewohnter Weise auf die Sternwarte zu: Einen Meter höher als sonst, das gibt ganz neue Perspektiven. Der Schnee ist so fest, dass es kein Problem ist, ohne Einsinken vorwärtszukommen. Zumindest meistens. Der Zaun vor der Sternwarte wird nicht durch-, sondern überschritten. Eine Wächte ist definitiv höher, weiter hinten erlaubt eine noch viel höhere Wächte geradezu "Luftaufnahmen" von der Sternwarte. Doch bevor ich meine Ausrüstung in der Sternwarte abstellen kann, um das alles im Bild festzuhalten, muss ich mir den Weg zur Tür freischaufeln. Eine Schneeschaufel steht ja zum Glück immer Griffbereit.


Der Zaun vor der Sternwarte versinkt unter eine mächtigen Schneewächte

Bis zur Schaufel ist es ein weiter Weg, doch wo ein Wille ist, ist dieser auch bekanntlich

Endlich sind meine Koffer in der Sternwarte und ich mache einen Rundgang um das Gebäude. Auf der Südseite bläst mir der Sturm gnadenlos eine gewaltige Ladung Flugschnee ins Gesicht. Was für ein Anblick! Hier, wo wir unsere Star Parties feiern, gibt es nur Schnee, Schnee und noch einmal Schnee ...


Hier, wo wir im Sommer so mache Star Party auf der Stehralm feiern, ...

... gibt es heute nur hohe Schneewächten. Keine Spur von Tisch, Bänken, Säulen.
Nur das Gehäuse des (derzeit abmontierten) Aussenrefraktors ragt zur Hälfte aus der Wächte.


Von einer gut zwei Meter hohen Wächte hinter der Sternwarte bietet sich ein ungewöhnlicher Anblick. Doch halt! ...

Houston, we have a problem: Flugschnee auf dem Dach. Ich brauche Günther Eders Hilfe, um die Kuppel in Schwung zu bringen.

Nach Bewältigung der weissen Hindernisse durch Günther Eder steht dem Beobachten jetzt hoffentlich nichts mehr im Weg. Der Sturm wird allerdings immer stärker, und ohne Kuppel wäre an Beobachten nicht mehr zu denken. Diese Böen, sicherlich jenseits der 100 km/h, bringen jedes Fernrohr zum Zittern, und leichtere Instrumente fliegen glatt davon.


Strahlend hell steht die Venus hoch über Mariazell

Ein Blick zur Venus macht klar: Planeten Beobachten fällt heute aus. Das Seeing ist unbeschreiblich schlecht, wie man am Funkeln der Gestirne - inklusive Venus, Saturn und sogar Jupiter (!) - unschwer erkennen kann. Im 16" LX-200 bekomme ich überhaupt kein scharfes Bild zustande, daher entschliesse ich mich, mit dem 5" Starfire-Refraktor zu arbeiten. Er hat bei dem Seeing noch die geringsten Probleme und ist für die Objekte, die ich mir vorgenommen habe, auch besser geeingnet.

Erstes Ziel ist, da schon tief, der Komet C/2002 T7 (LINEAR), einer der beiden hellen Kometen, die im Mai vor allem auf der Südhalbkugel gut zu sehen sein werden. Ich habe ich bis dato ziemlich ignoriert, aber bevor er endgültig auf den Südhimmel wandert, möchte ich ihn doch einmal beobachten und aufnehmen. Er ist im Feldstecher schwach, aber deutlich. Im Fernrohr erscheint ein recht heller, verdichteter Kernbereich mit ovaler, diffuser Coma.
Ich nehme ihn mit der CCD-Kamera auf, und zwar verkürze ich den Refraktor auf f/6.3 (was in der Dämmerung ein Flatfield notwendig macht) und nehme für eine RGB-Aufnahme drei Serien von je 10 x 60 Sekunden auf. Für jede Serie auch noch eine Flatfield-Serie und dann noch eine Dunkelstrom-Serie, die Kometenaufnahme dauert daher gut 50 Minuten.

In der RGB-Aufnahme erscheinen die Sterne wegen der Bewegung des Kometen wie kleine Spektren, da die drei Farbserien natürlich zeitversetzt aufgenommen werden müssen. Doch die charakteristische türkise Färbung der Coma kommt deutlich heraus. Der gelbliche Staubschweif geht leider wegen der geringen Höhe schon etwas unter.


C/2002 T7 (LINEAR)


McNeils Nebel (Pfeil) mit M78 und NGC 2071

Nächstes Ziel ist McNeils Nebel. Der kleine Nebelfleck in der Nähe von M78 im Orion war erst vor kurzem (wieder-)entdeckt worden. Offensichtlich liegt hier ein eruptiver Veränderlicher in dieser nebelreichen Gegend.

Schon eine erste Aufnahme zeigt, wie interessant diese - visuell eher nicht so beeindruckende - Gegend mit der CCD-Kamera ist. Ich wechsle von f/6.3 auf f/10 und mache zwei Serien von je 10 Aufnahmen à 1 Minute Belichtungszeit. Eine Serie mit M78 im Zentrum und McNeils Nebel am Rand, eine Serie mit NGC 2071, einem weiteren Reflexionsnebel in dieser Gegend.

Aus beiden Serien entsteht je ein Summenbild. Die beiden Bilder werden zu einem Bildmosaik zusammengefügt, das diese interessante, an hellen und dunklen Nebeln reiche Gegend gut zeigt.
McNeils Nebel selbst ist unspektakulär - zwei sehr kleine, diffuse Flecken. Eine visuelle Beobachtung am 16" LX-200 scheitert am schlechten Seeing. Bei der erforderlichen stärkeren Vergrößerung schaut alles wie ein diffuser Nebel aus.

So, das war die "Pflicht" - die beiden Objekte, die ich mir vorgenommen hatte. Ich mache noch eine Serie vom Orionnebel. Den habe ich allerdings schon besser aufgenommen, er wird ein Opfer des Seeing. Visuell ist er aber eine Wucht! Die Nachführung funktioniert gut, eine Belichtungszeit von einer Minute ist kein Problem, also kann ich heute mit der vollen Auflösung von 752 x 580 aufnehmen. In diesen Bericht werden die Bilder dann (mit einer Ausnahme) verkleinert veröffentlicht, um noch mehr Schärfe zu gewinnen.


M42, 10 x 60 Sekunden

Nach einer sehr lustigen Führung, die Günther Eder für seine Tochter Corinna und deren Freunde organsiert hatte, geht es dann mit CCD weiter. Die Pause mit visuellen Beobachtungen war auch recht angenehm. Orionnebel, M1, M25, M37 und die Galaxie NGC 2903 sind auch eine Wucht.

Die schon etwas unterkühlte Truppe begibt sich von der Kuppel in die Küche, um sich aufzuwärmen. Gut, wenn schon NGC 2903 im Löwen eingestellt ist, nehme ich sie gleich auf. Ist ja auch eine sehr schöne Balkenspirale.


NGC 2903, 20 x 60 Sekunden

Beobachten im Süden wird langsam unmöglich, zu stark der Sturm, zu gross die Angst vor einem Schaden an der Kuppel. Profi-Observatorien hätten heute schon gar nicht die Kuppeln geöffnet, ich drehe nach Norden, dort warten auch ein paar sehr schöne Galaxien. Zunächst einmal zu M82. Aus der Literatur weiss ich, dass diese Galaxie ein guter Kandidat für eine RGB-Aufnahme ist, also mache ich drei Serien von je 10 x 60 Sekunden. Die Rohbilder zeigen deutlich die berühmten Filamente, doch die RGB-Ausarbeitung sorgt dann für ein "Wow" ...


M82, trotz schlechtem Seeing sehr detailliert und hier in Originalgröße wiedergegeben

Dieses Bild von M82 verkleinere ich nicht, obwohl das Seeing mehr Details vereitelte. Da ich jetzt schon auf RGB eingestellt bin, schwenke ich zu M51 - die Führungsgruppe möchte ihn auch noch einmal sehen, bevor sie aufbrechen - denn diese Galaxie ist eher für eine Farbaufnahme geeignet als M82.


M51, nicht ganz so farbenprächtig wie M82

Auch M51 wird mit drei Bildserien von je 10 Aufnahmen à 60 Sekunden aufgenommen, etwas zu wenig für dieses Objekt, da gehen viele feine Details im Rauschen unter. Ich wechsle zu M81. Geplant sind 20 Aufnahmen zu je einer Minute, doch der Sturm wird so heftig, dass ich nach der 12. Aufnahme abbreche und die Kuppel sichere. Es ist zwar erst 1.30 Uhr, aber die Sicherheit der Sternwarte geht vor.


M81, 12 x 60 Sekunden


M82 zum Vergleich im gleichen Maßstab

Auch das Seeing wird immer schlechter, die Sterne um M81 sind schon ordentliche Flecken. Ich reinige die Ausrüstung von dem Flugschnee, der immer wieder in die Kuppel geweht wurde, und suche meinen Schlafsack auf. Hinaus bringt mich hier heute keiner mehr.

Am nächsten Morgen ...


Der Sturm ist noch heftiger geworden. Kurze Zeit später ist Mariazell ohne Strom

Mächtige Föhnwolken wälzen sich über die Berge, mit dem schönen Wetter ist es vorbei

Es war sicherlich das beste, was aus dieser stürmischen Nacht herauszuholen war. Immerhin, nach langer Zeit wieder einmal CCD.