Totale Mondfinsternis

Finsternisquadrupel 2003/2004
Finsternis Nr. 3 "Die Düstere"

4./5. Mai 2004

Am Morgen des 4. Mai 2004 denkt kaum jemand an die Beobachtung der totalen Mondfinsteris. Das Satellitenbild ist eindeutig (schlecht), ein riesiges Wolkenband liegt quer über Mitteleuropa. Dunkle Wolken verfinstern den Himmel, mancherorts regnet es leicht. Einzig die Wettermodelle lassen hoffen. Unser Verbündeter, der, der so vielen Kopfschmerzen und schlaflose Nächte bereitet. Nein, nicht der Vollmond. Der Föhn! Am Nachmittag wird es heller und ich hebe telefonisch die Moral unserer Truppe. Es wird schon werden. Und es wird ...

1. Stürmisch, spannungsgeladen, aber heiter


Das Wolkenloch entsteht in der richtigen Richtung

Es ist der Sturm, der die Wolken zerreisst, aber auch eine Herausforderung für unsere Station auf dem Kahlenberg darstellt. An Zelte ist nicht zu denken, gut, dass unsere Instrumente so schwer sind. Der Sturm sorgt für lausiges Seeing und lässt die Bilder im Fernrohr erzittern, so ist an Fotos zunächst kaum zu denken. Aber die Wolken, die weichen, mehr und mehr Löcher lassen zunächst die Planeten erscheinen.


Die ersten Instrumente stehen schon unter noch bedrohlichem Himmel. Gut 20 werden es letztendlich werden.

2. Langsam, wolkenverhangen, abwartend


Die grossen SCT's blicken zum Jupiter, solange sich der Mond hinter Wolken versteckt ...


... oder zu irdischen Zielen ...


... oder zur Venus


Immer wieder prüfende Blicke nach oben


He, Ihr schaut in die falsche Richtung, der Mond taucht auf!

Liebe WAA-Mitglieder und -Interessenten! Es wird eine Wolkenschieberei, aber es wird auf alle Fälle einen Versuch wert sein, immerhin kommt die nächste Mondfinsternis "erst" in der Nacht vom 28. auf den 29. Oktober. Wir werden also auf dem Kahlenberg sein, auf Wolkenlöcher warten und uns vielleicht sogar vom einen oder anderen Regentropfen nicht vertreiben lassen. Die Wettermodelle sagen keinen nenneswerten Niederschlag voraus, der Föhn kann für das eine oder andere Wolkenloch sorgen, und die gute Stimmung bringen wir selbst mit, wie schon am Astronomietag, wo die Bedingungen noch viel lausiger waren. Fotoserien mit exakten Zeiten würde ich trotzdem keine planen ...

Das war am Nachmittag mein Aufruf, doch auf den Kahlenberg zu kommen, auch wenn das Wetter alles andere als vielversprechend war. Doch wir sollten an diesem Abend Glück haben.

Viele folgen dem Aufruf zur gemeinsamen Beobachtung der Finsternis - mit dem Zusatz, dass wir bereitwillig auch unsere Gäste durchs Fernrohr schauen lassen. Ein Instrument nach dem anderen wird herangeschafft und aufgebaut, von kleineren Instrumenten über mittelgrosse Newtons und Refraktoren bis zu den 10" und 12" Schmidt-Cassegrains und auch Dobsons.

Während sich der aufgehende Mond noch hinter Wolken verbirgt, gehen sich bald ein paar schöne Blicke zu Venus, Saturn und Jupiter aus. Leider sorgt der heftige Sturm für schlechtes Seeing und noch mehr für zitternde Bilder. Stärkere Vergrößerungen sind kaum möglich, und an Aufnahmen etwa mit der Webcam ist überhaupt nicht zu denken. Immerhin, ein paar Schnappschüsse der Venus gehen sich aus, denn die ist so hell, dass sie mit 1/100 Sekunde aufgenommen werden kann.

Wir warten auf den Mond. Wir wissen genau, wo er stehen muss, denn unsere computergesteuerten Teleskope blicken genau in die richtige Richtung. Doch eine dichte Wolkenfront hölt sich hartnäckig im Osten. Es ist ein Wettlauf in Zeitlupe. Die Wolkenbank schiebt sich langsam nach Osten, der Mond muss langsam nach Südwesten emporsteigen, irgendwann wird er auftauchen.

Und dann ist es endlich so weit: Der Mond scheint zum ersten Mal durch eine Wolkenlücke. Es ist kurz nach 20.45 Uhr und er ist schon ein wenig partiell verfinstert.

Einige scheinen das gar nicht zu bemerken. Sie beobachten die Venus und sehen nicht, dass sich hinter ihrem Rücken der Mond zeigt. Doch bald wenden alle den Blick. Und die neugierigen Gäste, die schon sehnsüchtig auf die Finsternis warten, atmen auf - die Fahrt auf den Kahlenberg war nicht vergeblich.

Immer wieder geben Wolkenlöcher den Blick zum Mond frei, und so können wir die partielle Phase doch einigermassen gut beobachten. Und mit so vielen Fernrohren ausgestattet, ist es kein Problem, das eine oder andere Instrument zum Jupiter oder zur Venus zu richten, sozusagen als Pausenfüller, wenn der Mond wieder einmal hinter Wolken verschwindet.

Bald bemerken wir die rötliche Färbung des Kernschattens und etwas zu voreilig erwarten wir eine helle Mondfinsternis. Es soll doch etwas anders kommen.

Die vielen Instrumente erlauben auch intensives Fotografieren. Viele Gäste wagen sich an Schnappschüsse mit Digitalkameras, doch oft stimmt die Abstimmung Kamera-Okular nicht so perfekt. Ich arbeite mit der erprobten Kombination von 50mm Plössl mit der Olympus C-3000 Zoom, die ich doch einigermassen im Griff habe. Doch der starke Wind und das Seeing machen es mir zeitweise schon sehr schwer, ein scharfes Bild zustande zu bekommen.


20.47 Uhr MESZ


21.10 Uhr MESZ


21.39 Uhr MESZ


21.50 Uhr MESZ

3. Total. Düster, aber feierlich.


Die staunende Menge ist erleichtert, als der Mond gerade zur Totalität gut zu sehen ist

Als wäre es bestellt, frischt der Wind vor Beginn der Totalität noch stärker auf und vertreibt so aber praktisch alle Wolken. Wir können den zweiten Kontakt, den Beginn der Totaltät, sehr gut verfolgen. Und auch während der Totalität bleibt der Mond über weite Strecken zu sehen.


22.37 Uhr

Es ist eine dunkle Finsternis. Der Mond erscheint nicht hellrot (wie am 9. Jänner 2001, aber auch nicht so grau wie am 8. November 2003), sondern in einem dunklen Rotbraun, das zum helleren Rand des Kernschattens (die Finsternis ist nicht ganz zentral) über einen eigenartigen rosafarbenen Farbton in ein eher farbloses Grau übergeht.

Wir haben genügend Zeit, den restlichen Himmel zu beobachten, und es ist wirklich so dunkel wie in einer mondlosen Nacht hier am Stadtrand von Wien. Die Sternbilder sind gut zu erkennen und viele nützen die Gelegenheit, sie erstmals gut zu sehen.

4. Stimmungsvoll, erleichtert


Den Mond im Visier


Mondfinsternis im Frühling. Romantisch!


Grosser Andrang, aber kein Gedränge


Eine besonders grosse "Kanone"

Trotz eines medialen "Selbstfallers", der uns etwas Medienecho kostet - aber durch unsere Partner und vor allem durch den Einsatz unserer Mitglieder mehr als nur kompensiert wird - kommen rund 200 Interessierte auf den Kahlenberg, um mit uns die Finsternis zu erleben. Angesichts des Wetters unter Tags und der Prognosen ein schöner Erfolg. Und was uns noch mehr freut: Die Art, wie wir die Finsternis präsentieren, beschert uns wieder eine Menge neuer Freunde: Locker, heiter, entspannt, mit viel Humor und dennoch kompetent, so hät man es dann auch einige Stunden bei Sturm und nicht allzu lauen Temperaturen hier auf dem Kahlenberg aus.

Nur einmal ist die Totalität für ein paar Minuten durch Wolken unterbrochen, der Himmel ist jetzt pechschwarz. Jupiter strahlt im Löwen, als wollte er förmlich über den Mond triumphieren und uns mitteilen, "Seht her, jetzt bin ich der Hellste!". Der Blick zu ihm wird allerdings durch das Seeing stark getrübt. Etwas später, gegen Ende der Finsternis, flimmert er sogar - mit 38" scheinbarem Durchmesser! Da erübrigen sich weitere Worte.

Wie immer stehen wir in Kontakt mit unseren Freunden, die anderswo beobachten. Und es sieht ganz so aus, als wäre auch an anderen Orten in unserem Land das Wetterglük auf der Seite der Sterngucker; denn auch aus der Süsteiermark, aus Salzburg und Niederösterreich laufen Meldungen ein, durchaus positive. Nur Mariazell musste "auswandern", im Osten der Sternwarte war die Wolkendecke doch zu hartnäckig.

Mit fortschreitender Totalität kommen natürlich Fragen auf. Etwa, warum denn der Mond überhaupt zu sehen ist. Nun, das bei völliger Dunkelheit zu erklären, ist spannend. Die Beleuchtung auf der Terrasse ist seit Wochen ausser Betrieb. Ein Sturm hatte sie "gefällt". Mit Handscheinwerfer und zwei Styroporkugeln wird eine Finsternis simuliert. Es geht einigermassen. Unser Zelt und unsere schummrige Beleuchtung fehlen schon, aber wir konnten es bei dem Sturm wirklich nicht aufbauen. Letztlich lässt sich die Finsternisgeometrie auch auf einem kleinen Tisch mit drei Münzen anschaulich darstellen - Astronomie im Milieu der Tischmagier!

Am unteren Rand des Mondes nimmt die Helligkeit zu, ein untrügliches Zeichen, dass der dritte Kontakt bevorsteht. Und er ist dann auch wirklich gut zu beobachten. Ich habe zwar mehr und mehr Schwierigkeiten, den Fokus zu finden, aber das Ende der Totalität ist gut zu erkennen und auch im Bild festzuhalten. Erstaunlich: Knapp vor dem dritten Kontakt bedeckt der Mond einen schwachen Stern, HIP 72677 mit 6.5 mag.

Kaum ist die Totalität vorbei, brechen die meisten auf. Eigentlich unsportlich, aber morgen ist Arbeitstag. Und während die auf dem Kahlenberg verbliebenen nachdenken, wie lange sie noch bleiben sollen, deckt eine Wolkenbank den Mond zu. Das macht allen den Abschied von dieser interessanten Finsternis leicht.

"Badeschluss" würde Otto jetzt rufen, aber er ist heute leider nicht da ...


23.05 Uhr MESZ, mit Sternbedeckung (links unten)


23.08 Uhr MESZ


23.13 Uhr MESZ


Die dritte Monfinsternis in einem Quadrupel und zum dritten Mal Glück

Auf der Heimfahrt kommt der partiell verfinsterte Mond noch ein paarmal durch die dünnen Wolken durch. Nach dem Ausladen meiner Ausrüstung werfe ich von zu Hause noch einen Blick auf die letzte Halbschattenphase, stosse gedanklich mit dem Mond auf einen gelungenen Abend an. Es war die dritte Finsternis in diesem Quadrupel. Die erste war in der Morgendämmerung am 16. Mai 2003, aber wir haben sie bei perfektem Wetter gesehen. Die zweite am 8. November 2003 am Abend, wir käpften gegen Nebel und Feuchtigkeit, hatten aber auch Glück. Dann eben heute. Wieder Glück. Am 28. Oktober werden wir also einen "Matchball" haben. Hoffen wir das beste ...

Text und Fotos: Alexander Pikhard.