Sommersternstunden

WAA-Jugendgruppe, Ameisthal/Weinviertel, 17. 07. 2004

20040717api15.html

Beobachter:Alexander Pikhard (ed.)
Datum:17. 07. 2004
Zeit:15.00 bis 18. 07., 04.00 MESZ
Ort:Ameisthal/Weinviertel
Instrument:12" Meade LX-200
Bedingungen:

Durchsicht:sehr gut (1)
Aufhellung:gut (2)
Freis. vis. Grenzgroesse:6.0
Temperatur:33-25 °C
Luftfeuchtigkeit:mittel
Wind:leicht
Bemerkungen:Ganz selten Durchzug von Cirren

Bericht:

Es ist endlich Sommer geworden, und wie geplant findet die Jugendgruppe heute im Haus der Familie Baumann in Ameisthal im Weinviertel statt. Eine gute Entscheidung, denn hier ist die plötzliche Vehemenz des Sommers gut zu ertragen.


Die Sonne zeigt endlich, wozu sie fähig ist; die Hitze lässt Wolken aufquellen, doch bis zum Abend
ist alles in Ordnung.

Relativitätstheorie steht heute auf dem Programm, und eine deren Aussagen ist ja auch, dass Zeit nicht absolut ist. Das trifft heute auch hier in Ameisthal zu, wenngleich in anderer Form. Wir haben alle Zeit der Welt und verbinden Astronomie mit einem völlig entspannten Sommerwochenende. Zeit spielt auf einmal keine Rolle mehr.


Das wichtige zuerst. Ein Pool muss her. Es ist zu heiss für Relativität.

Schon um 15 Uhr wird das Teleskop zur Sonne gerichtet. Ein erster Blick zeigt: Endlich wieder etwas los! Gleich fünf Fleckengruppen, davon eine mit dem Zeug zur Freisichtigkeit, wenn sie einmal weit genug vom Rand entfernt ist, sind zu sehen.


Sonne, Überblicksschnappschuss (50mm Plössl)

Zeit spielt, wie gesagt, keine Rolle. Dann und wann blickt der eine oder die andere durch das Fernrohr, lose plaudern wir, was man da sehen kann. Dazwischen immer wieder Erfrischungen oder einfach ausruhen, in die Gegend schauen, die fernen Wolken betrachten, die sich über dem Bergland zu bedrohlichen Gewittern auftürmen. Doch die sind weit, weit weg. Es bleibt genug Zeit, die größten Fleckengruppen mit der Webcam einzufangen.


Die randnahe Gruppe (verkleinert)


Eine zentralere Gruppe (verkleinert)

Es ist noch immer zu heiss, um über Relativitätstheorie zu reden, also mache ich mich auf die Suche nach der Venus. Obwohl sie am Nachmittag schon recht tief steht, ist sie eigentlich sehr gut zu sehen und beeindruckt wieder einmal alle.


Venus bei Tag. Webcambild, 10 von 700 Frames bei sehr schlechtem
Seeing. Am Rand Wavelet-Artefakte, aber die Sichel der Venus kommt
wunderschön deutlich heraus.

Wir beobachten die Venus bis zu ihrem Untergang hinter den Weingärten. Wer hat dafür schon einmal Zeit?

Später Nachmittag. Berhard Aringer, unser "berufsastronomischer Begleiter", ist angekommen. Unter einem Sonnenschirm wird nun über die Relativitätstheorie gesprochen.


Open Air Diskussion über die Relativität von Raum und Zeit


Bestes Präsentationsmedium open air: Mimik

Tiefer aus dem Garten ein vertrauter Duft, der wohl untrennbar mit einem warmen Sommerabend verbunden ist: Der Griller wurde in Betrieb genommen. Das beschleunigt die Behandlung der Relativitätstheorie wieder. Renate, ihre Mutter und ihre Freundinnen haben, während wir uns mit Astronomie beschäftigten, nicht auf das leibliche Wohl vergessen.


Alles ist relativ, auch, dass Grillen Männersache ist.

Während wir, zusends gesättigter, der untergehenden Sonne zusehen - es geht, der Jahreszeit entsprechend, schon auf 21 Uhr zu, bietet sich eine kleine Planetentour in der Dämmerung an. Sehr zum Erstaunen aller positioniere ich das Teleskop - ja, so heisst das seltsame Ding ;-) - auf den Mars. Auf der winzige, rosafarbenen Scheibe auf hellem Dämmerungshimmel ist natürlich kein einziges Detail mehr zu erkennen, aber diesen Abschied hat sich der Rote Planet nach einer so bemerkenswerten Sichtbarkeitsperiode schon verdient. Ja, es ist noch immer die gleiche, die uns vor fast einem Jahr die tolle Erdnähe beschert hat.

Weiter zum Merkur. Der sonnennahe Planet ist wieder sehr deutlich und alle sehen seine Phase. Für die meisten schon der dritte unerwartete Planet dieses Nachmittags und Abends. Ich halte ihn sogar mit der Webcam fest.


Merkur, 10 von 700 Frames. Verkleinert.

Mit dem vierten Planeten haben die meisten schon eher gerechnet, denn Jupiter ist ja auch mit freiem Auge nicht zu übersehen. Bald kommen auch zwei Monde heraus - ja, nur zwei, denn Io steht, heute unbeobachtbar, vor dem Planeten und Ganymed befindet sich hinter Jupiter, Europa und Callisto.


Jupiter mit GRF, Io (rechts im NEB), Europa und Callisto. Verkleinert.

Erst in der ausgearbeiteten Webcam-Aufnahme erkenne ich den GRF und sogar Io vor dem Planeten, sie steht nahe dem rechten Rand am S-Rand des NEB als kleiner, weisser Punkt.

Der lange, milde Sommerabend nimmt seinen Lauf. Nach den immerhin vier Planeten - nicht schlecht für eine schon fast planetenlose Zeit - sind wieder einmal Doppelsterne angesagt. Epsilon Bootis, Alpha Herculis und Albireo begeistern, und bald entsteht um das Fernrohr eine Art gemütlicher Astronomie-Grundkurs. Für viele ist das heute der erste Kontakt mit dem Sternenhimmel, Bernhard und ich erklären abwechselnd oder in Doppelconference, was man im Fernrohr sieht. Und beantworten auch sonst bereitwillig alle Fragen.

Etwa, wie man dazu kommt, sich mit Astronomie zu beschäftigen. Meine Antwort war, dass ich als Kind so begeistert vom ersten Blick zu einem klaren, dunklen Himmel war, dass ich alles darüber wissen wollte. Bernhards Ansatz war einfacher: "Mir haben's als Bub ein Stück Holz auf'n Schädel gehaut". Schön, dass Wissenschaftler auch Humor haben! Im Nachbarort steigt ein Fest. Die über das weite Land hallende Diskomusik stört aber überhaupt nicht.


Beobachtungspause

Allmählich wird es dunkel genug für Deep Sky. Zum Einstand die Kugelsternhaufen ( M3, M13, M92), die zu so manchem Gefühlsausbruch führen, der tief aus dem Herzen kommt ("Oida! Bist du deppat!"). Und die Erklärung, was denn die Kugelsternhaufen sind, führt uns mitten in die Kosmologie und auch in die Entwicklung der Sterne.

Unter dunklem Himmel machen wir eine Tour, die uns das Leben der Sterne verdeutlicht. Im Omeganebel M17 sehen wir ein großes, leuchtendes Gas- und Staubgebiet, und im Lagunennebel M8 ist der junge, eingebettete Sternhaufen auch schon deutlich zu sehen. Viel, viel später ist vom Gas und Staub nichts mehr zu sehen. Der Blick zum offenen Sternhaufen M11 ist wieder unbeschreiblich.

Eine kleine Pause. Wir besuchen die Jugendlichen, die auch eine Astronomiepause eingelegt und ein Lagerfeuer errichtet haben.


Lagerromantik

Astronomisch geht es von der Geburt zum Tod der Sterne, wo wir im Ringnebel M57, in NGC 6826 und im Hantelnebel M27 wieder stumme Zeugen dieses Vorgangs beobachten.

Aus der Ferne des Alls wieder in die Nähe. Wir hätten da noch ein paar Planeten ... Also steuere ich zu Uranus, Neptun -- und Pluto! Das Identifizieren des kleinen Himmelskörpers ist zwar nicht leicht, aber er ist zweifelsfrei zu erkennen. So dürfen wir uns in dieser Nacht gleicht über sieben Planeten freuen. Nur Saturn steht noch in den Strahlen der Sonne verborgen.

Es ist dunkel in Ameisthal, aber um die Milchstraße voll zu genießen, macht eine Gruppe einen Mitternachtsspaziergang durch die Felder und Weingärten; er ist unbeschreiblich! Jetzt, abseits aller Straßenlaternen, spannt sich die Milchstraße von Horizont bis Horizont - und das so nahe bei Wien! Strukturen kommen deutlich heraus, dunkle wie helle Wolken, Schildwolke und M24 sind so deutlich wie schon lange nicht. Für viele wird der erste Kontakt mit dem Sternenhimmel jetzt perfekt. Ob daraus eine bleibende Begeisterung für Astronomie wird? Mal sehen ...

Die Jungs haben sich zurückgezogen, Renates Freundinnen sind doch nach Wien aufgebrochen, Reinhard und Renate begen sich zur Ruhe, nur Bernhard und ich harren noch am Teleskop aus. Ich mache, einfach so dazwischen, eine CCD-Serie des Ringnebels. Habe ich mir irgendwie vorgenommen. Mal sehen, was daraus wird. Ein azimutal montiertes LX-200 führt zwar lausig nach, aber das Rohmaterial reicht.


M57. RGB, je 8 x 20 Sekunden (!) pro Farbe.

Die Durchsicht ist traumhaft. Die Galaxie NGC 7331 ist extrem deutlich und man erkennt sogar das nahe gelegene Stephans Quintett. Bei M31 kommen zwei Spiralarme deutlich heraus und in M33 erkennt man zahlreiche Knoten. Der Hellix-Nebel NGC 7293 steht zwar tief, ist aber dennoch sehr deutlich.

Im Osten dämmert es wieder. Es geht auf vier Uhr Früh zu, die zum Beobachten brauchbare Zeit ist wieder auf ein sinnvolles Mass angestiegen. Aus der Ferne dringt noch immer die Musik des Dorffestes zu uns. Auch dort feiert man die erste warme Sommernacht, wenngleich anders, als wir es hier tun.

Ich baue ab. Bernhard wartet noch auf die Venus, die er am Nachmittag knapp verpasst hat. 13 Stunden Astronomie. So lange? Ach ja, die Zeit hat ja heute keine Rolle gespielt.

Nach dieser Nacht freuen wir uns riesig auf das Sommercamp im August in Mariazell. Hoffentlich haben wir ähnliches Wetterglück!