Endlich ist es wieder einmal eindeutig schön, und es besteht kein Zweifel, ob unser Sternabend auf dem Kahlenberg stattfinden wird oder nicht. Er findet statt, und das bei wolkenlosem Himmel. Als wir mit dem Aufbau beginnen, ist noch keine Spur vom Mond zu sehen; dafür präsentiert sich das Panorama von seiner schönsten Seite, trotz ganz leichem Dunstes: Nach Südwesten folgt Bergrücken auf Bergrücken, bis zum Schneeberg, und in Wien ist die Donau so blau, dass es fast schon kitschig wirkt.
![]() Postkartenmotive: Wiener Hausberge ... |
![]() ... und die wirklich blaue Donau |
Und dann geht der Mond auf; zunächst in ganz blassrosanem Pastell, das wenig später zu einem intensiven Lachsrot wird.
Zu schön, um wahr zu sein: Mondaufgang über Wien
Spätestens jetzt verstehen die vielen Besucher, die heute die schöne Terrasse auf dem Kahlenberg frequentieren, was wir mit den sonderbaren Geräten, die wir in grosser Zahl aufbauen, vorhaben: Den Mond ansehen! Viele meinen, wir sind wegen des Vollmonds hier (dabei ist heute noch gar nicht Vollmond). Und zeigen sich überrascht, dass uns der Mond eigentlich eher stört; und dass er vor allem bei Vollmond im Fernrohr lang nicht so attraktiv ist wie um den zu- oder abnehmenden Halbmond.
![]() Alles blickt zum Mond: Computerteleskop ... |
![]() ... und Dobson |
Wieder steht eine ganze Flotte von Teleskopen zur Verfügung; von kleineren über größere Schmidt-Cassegrains, bis zu den beiden computergesteuerten LX-200 (10" von Christine und Kurt Bretschneider sowie mein 12"), und natürlich Roland und Andreas' Dobson-Flotte mit dem 18", "Big Dob" genannten Flaggschiff. Während der Mond höher steigt, wird er schon von vielen neugierigen Besucherinnen und Besuchern im Fernrohr bewundert, da ist so mancher Freudenschrei dabei, auch bei dieser nicht mehr so attraktiven Phase. Und so nebenbei können sich alle, die öfter als einmal durchs Fernrohr blicken, davon überzeugen, dass der Mond natürlich nicht kleiner wird, je höher er steigt.
Der fast volle Mond über Wien in der Dämmerung
Während der Mond höher steigt und die Dämmerung voranschreitet - dunkel wird es in dieser Fastvollmondnacht sowieso nicht - entsteht das rege, aber nicht hektische Treiben, das so typisch ist für unsere Sternabende. Bei den Instrumenten und auch dazwischen, für Erläuterungen mit freiem Auge, bilden sich kleine Gruppen, in denen erfahrene WAA-Mitgliedern den interessierten Besucherinnen und Besuchern bereitwillig erklären, was da am Himmel so los ist. Kein Vortrag vom Podest, sondern eine Agora, ein Marktplatz des Wissens!
![]() Sternabend, impressionistisch: Überall ... |
![]() ... kleine Gruppen im Gespräch |
Zunächst dreht sich natürlich alles um den Mond, der an diesem Abend natürlich allen anderen Gestirnen die Show stiehlt. Aber nur vorerst ...
Mond, Schnappschuss durchs Fernrohr
Doch bald entwickelt die Nacht wieder mehr Dynamik, als der Mond erwarten lässt; enden die Erklärungen der Sternbilder beim Grossen Wagen, dem Sommerdreieck und dem Schwan, ist für die Teleskope noch lange nicht Schluß. Die Luft ist sehr klar und mit der geeigneten Optik ist es auch heute kein Problem, zu den Deep Sky Objekten vorzudringen.
Nach Doppelsternen in der Dämmerung steht der erfolgreichen Beobachtung von Kugelsternhaufen nichts im Wege. Ab 10" Fernrohrdurchmesser sind diese Objekte auch bei einer Mondphase wie heute kein echtes Problem, werden zu wunderbaren Anblicken. M13, M92, M15 und M2 werden im 10" LX-200, im 12" LX-200 und natürlich auch im großen 18" Dobson präsentiert; vor allem in diesem Rohr läßt der Anblick wirklich niemanden kalt, bis knapp vor Mitternacht scharen sich Interessierte um dieses Instrument.
![]() Deep Sky trotz Mond: ... |
![]() ... "Big Dob" macht's möglich! |
Und auch die Planetarischen Nebel sind kein echtes Problem, mitunter muss halt ein konstraststeigernder Filter zum Einsatz kommen; so aber werden Ringnebel und Hantelnebel zum Erlebnis, und auch kleinere Objekte wie NGC 7009, NGC 6905 und NGC 6572 können hergezeigt werden. Und an letzterem demonstrieren wir, wie die Planetarischen Nebel zu ihrem Namen gekommen sind: Als nächste Objekte stellen wir die beiden Planeten Uranus und Neptun ein. Der Unterschied zwischen Uranus und NGC 6572 im Schlangenträger? Vom Anblick her fast keiner! In ihrer Natur allerdings liegen mehr als nur Welten zwischen den beiden Objekten: Uranus, ein naher Gasplanet unseres Sonnensystems, blaugrün durch Methan und Ammoniak in seiner von der Sonne beleuchteten Atmosphäre. NGC 6572, ein ferner, sterbender Stern, blaugrün durch das Leuchten ionisierten Sauerstoffs in der vom Kern abgestoßenen Hülle des Sterns. Spektakulär!
A propos Uranus und Neptun: Wir bereiten ein Experiment vor. Mit dem 12" LX-200 und einer StarlightXpress MX916 CCD-Kamera zeigen wir die drei Monde Umbriel, Titania und Oberon des Uranus sowie den Mond Triton des Neptun. Erneut spekatkulär!
![]() So sieht das elektronische Auge Uranus ... |
![]() ... und Neptun |
Zu unserer Freude finden es doch einige unserer Gäste aufregend, mit Hilfe dieser doch aufwendigen Technik einen Blick auf ferne Eiswelten werfen zu können. Eine Gruppe deutscher Touristen hält uns für Wissenschaftler, die ein Experiment durchführen, und zeigen sich mehr als erstaunt, dass es sich hier um eine Präsentation für die Öffentlichkeit, durchgeführt von einem astronomischen Verein handelt.
![]() Das Computerteleskop holt ferne Eiswelten ins Bild |
![]() Es geht auf Mitternacht zu! |
Bis gegen Mitternacht dauert unser Sternabend, erst, als uns heute wirklich die Objekte ausgehen, beginnen wir mit dem Abbau.
Immer noch Begeisterung zu später Stunde
Wir zählen an diesem milden Abend - zu Mitternacht hat es immer noch 20°C - 160 Besucherinnen und Besucher; die Zahl ehrt uns, und doch hat sie für uns keine primäre Bedeutung. Wir haben viele interessante Gespräche über Astronomie führen können, viele (neu) begeistern können. Jeder begeisterte Blick durchs Fernrohr ist schon ein Gewinn - nicht für uns, sondern für die Astronomie. Und, was uns besonders freut: Niemand hat heute über die "Kraft des Mondes", Mondeinflüsse oder dergleichen gesprochen. Es scheint, dass sich die Vernunft langsam durchzusetzen beginnt. Warten wir die Lange Nacht der Sterne ab, sie wird die nächste große Chance für die Astronomie sein.
Die Sterne wirken auf uns - weil sie so schön sind und uns begeistern. Mehr aber schon nicht.
Text und Fotos: Alexander Pikhard