Saturn, (kein) Sirius B und Jupiter

Wien 12, 04. 02. 2005

20050204api20.html

Beobachter:Alexander Pikhard
Datum:04. 02. 2005
Zeit:20.30 bis 23.55 MEZ
Ort:Wien 12
Instrument:12" Meade LX200, Philips ToUCam Pro
Bedingungen:
Durchsicht:ausreichend (3)
Aufhellung:ausreichend (3)
Seeing:gut (2)
Freis. vis. Grenzgroesse:4.5
Temperatur:-2 °C
Luftfeuchtigkeit:ca. 65 Prozent
Wind:kein
Bemerkungen:Dunstig.
Bericht:

Endlich wieder eine stabile Hochdruckwetterlage. Die grossen Schneemengen sorgen zwar für merklichen Dunst, doch die Durchsicht wird im Lauf der Nacht besser. Die Sterne funkeln nicht besonders, das kann nur heißen: Gutes Seeing!

Zunächst ist Saturn das erste Ziel. Die ersten Aufnahmen zeigen eine höchst eigenartige Ringstruktur, die Ringe scheinen in einander verschlungen zu sein. Was ist das? Ein Video von einem hellen Stern zeigt deutlich: Tubusseeing. Also warten; eine Stunde hat heute nicht ausgericht, um das Teleskop von Zimmertemperatur auf die doch recht frische Aussentemperatur abzukühlen. Nach einer weiteren Stunde - das "echte" Seeing ist leider etwas schlechter geworden, aber immer noch brauchbar - klappt es dann.


Saturn, aus ca. 300 Aufnahmen zu je 1/25s und nachverstärkt

Ich experimentiere mit unterschiedlichen Bildraten von 20 Bilder/Sekunde bis 5 Bilder/Sekunde und stelle fest, dass das heute keinen Unterschied macht. Doch generell gilt: Je schlechter das Seeing, desto mehr Bilder pro Sekunde sollte man machen.

Jedenfalls ist der Farbkontrast zwischen dem Planeten und seinen Ringen immer noch sehr beeindruckend. Auch die unterschiedliche Färbung von A- und B-Ring ist bemerkenswert. Die (helleren) Monde stehen heute so weit vom Planeten entfernt, dass sich kein vernünftiges Foto machen lässt - die Szene passt nicht auf den Kamerachip. Ein Versuch, mit 2x-Barlowlinse aufzunehmen (6m Brennweite), erweist sich als nicht zielführend, so gut ist das Seeing auch nicht und vor allem die nicht berauschende Durchsicht macht das Bild zu schwach. Zu viel Nachverstärkung ist erforderlich, zu viel Rauschen das Ergebnis.

Doch jetzt zu Sirius. Ich möchte doch zu gerne wissen, ob mein Bild vom 30. Jänner den Begleiter Sirius B zeigt oder ein Artefakt. Der helle Stern steht tief, daher macht sich in jedem Fall das Seeing und auch das sekundäre Spektrum unangenehm bemerkbar. Ich versuche einige Webcam-Sequenzen. Es erweist sich heute von Vorteil, von zu Hause aus zu beobachten. Jede Menge Zeit, und jede Aufnahme wird sofort mit Registax gestackt, um zu sehen, was daraus wird. Und da zeigen sich ein paar bemerkenswerte Effekte und dass man zu ganz anderen Tricks greifen muss, um Sirius B sichtbar zu machen:

  1. Der Himmelshintergrund darf nicht dunkel sein. Denn dann schneidet man den Begleiter einfach weg. Also müssen die Kameraparameter so eingestellt werden, dass möglichst wenig Kontrast da ist. Hoche Nachverstärkung, das macht zwar viel Rauschen, aber bei dem Gezittere von Sirius unter dem Einfluss des Seeing ist das sowieso egal. Der Hintergrund muss hell sein, dann ist Sirius B sicher da - wenn er heller ist als der Hintergrund, doch das ist bei rund 9mag auch in dieser geringen Höhe wahrscheinlich.

  2. Bilder pro Sekunde. Bei heftigem Seeing müssen es viele Aufnahmen pro Sekunde sein. Bei 5 Bildern/Sekunde ist der Hintergrund eigenartig verrauscht, bei 25 Bildern/Sekunde aber schön glatt. Das ist ein wichtiges Kriterium, um Artefakte zu vermeiden.

  3. Viel Brennweite. Auch wenn das Seeing noch so schlecht ist, 3m reichen mitunter nicht aus. Also verwende ich die 2x-Barlowlinse, 6m Brennweite. Auf dem Bildschirm rast ein irres Gebilde aus allen Regenbogenfarben dahin, wie ein in einem Glaskäfig eingeschlossenes, ausserirdisches Lichtwesen. Ob aus diesem Chaos eine sinnvolle Information zu holen ist?


    Ein Rohbild, 1/100s lang belichtet, noch dazu eines der "schärferen" ...

  4. Die Ausarbeitung. Die Bilder werden mit Registax gestackt. Auf "Qualität" kommt es nicht an, also senke ich die Schwelle zunächst auf 40 Prozent. Alle Bilder liegen innerhalb des brauchbaren Bereichs, ich erhöhe auf 70 Prozent, das gibt immer noch fast 400 auswertbare Bilder.

    Das gestackte Bild erinnert an einen sehr diffusen Nebel, aber immerhin habe ich ja mehr als eine Minute lang das heftige Seeing aufgenommen. Ein erster Blick lässt aber eine schöne Gausskurve vermuten, und das ist gut so. Ein Maximum ist klar da. Doch von Sirius B noch keine Spur.

    Jetzt kommt der Wavelet-Filter dran. Doch anders als bei Planeten oder dem Mond kommt es jetzt nicht darauf an, feine Stukturen hervorzuheben; ich hätte so ein Gewirr von Linien erhalten, den "Seeing-Weg" des Sirius. Nein, ich will die groben Strukturen verstärken und so greife ich heute zu den ganz groben Reglern. Zu denen, die bei der Nachbearbeitung von Planeten tabu sind, weil sonst aus dem Saturn ein globiges, leicht diffuses Ei wird. Genau das ist es aber, was ich will - einen globigen, verstärkten Lichtbatzen!

    Ich wähle den exponentiellen Wavelet-Bereich. Stufe 1 - nichts, nur Rauschen verstärkt. Stufe 2 - auch noch nichts, auch noch Rauschen, wenn auch gröber. Ebenso auf Stufe 3. Doch bei Stufe 4 zeigt die Vorschau rechts unterhalb vom Lichtfleck des Sirius A in der Tat eine eindeutige, runde Verstärkung. Ist das Sirius B? Mit Stufe 5 und sogar Stufe 6 wird der Begleiter mehr als deutlich.

    Könnte es ein Reflex des Sirius A in der Barlowlinse sein? Nein, so wie sich Sirius während der Aufname im gesamten Bildfeld verschoben hat, kann nie ein Reflex an der gleichen Stelle entstehen. Es muss der Begleiter sein. Oder?

    Das sekundäre Spektrum hat drei deutlich zu einander verschobene und auch unterschiedlich große Scheiben erzeugt. Mit der RGB-Shift kann ich sie zur Deckung bringen (die Farbfilterung der ToUCam muss recht schmalbandig sein, nicht schlecht). So entsteht eine sehr skurrile Aufnahme des Sirius.


    Sirius, ca. 400 Aufnahmen zu je 1/100s und mit den oben beschriebenen Tricks bearbeitet.

Das am 30. Jänner kann nicht Sirius B gewesen sein, denn:

  • Es steht auf der falschen Seite; bei Verwendung des Zenitspiegels ist Norden oben und Osten rechts und nicht links.
  • Es ist zu klein; das Scheibchen muss durch das Seeing ja fast so gross werden wie jenes des Hauptsterns.
  • Der Abstand paßt nicht. Bei nur 3m Brennweite ist eine Trennung wohl noch nicht mögich.

Ich probiere es auch visuell, doch weder im 14mm Pentax- noch im 7mm Pentax-Okular kann ich den Begleiter visuell erkennen. Er dürfte im Seeing-Scheibchen untergehen.

Ist das vermeintliche Objekt also Sirius B? Die Auswertung der Aufnahme zeigt deutlich: Nein! Es kann nicht sein. Denn der Abstand der beiden Objekte von einander beträgt mindestens 16" das ist das doppelte des Abstandes zwischen Sirius A und B. Somit ist auch dieses Objekt auf der Aufnahme ein Artefakt, wahrscheinlich doch ein Reflex. Weitere Tests werden folgen müssen. Letztlich scheiterten beide Aufnahmen, jene vom 30. Jänner und auch diese, an einem der wichtigsten Prinzipien der Naturwissenschaft: Der Reproduzierbarkeit. Der jeweilige Effekt war nur auf einer einzigen Aufnahmeserie aufgetreten und auf keiner anderen. Schon eine leichte Abweichung von den eingestellten Parametern bei der Ausarbeitung liess ihn verschwinden. Das spricht im Regelfall gegen ein natürliches Phänomen und für einen durch die Beobachtungstechnik selbst hervorgerufenen Effekt. Der Selbstzweifel und das kritische Durchleuchten der Ergebnisse unterscheidet wissenschaftliche Arbeit von der Pseudowissenschaft. Auch wenn's im Nachhinein ein bisserl weh tut, was soll's, der nächste Versuch wird weitere Erkenntnisse bringen.

Es ist jetzt schon nach 23.30 Uhr und im Osten steht ein heller Lichtpunkt am Himmel: Jupiter. Das Seeing lässt noch keine Aufnahme zu, doch visuell ist schon viel da. Die vier hellen Monde alle gut in Elongation, beide EB sehr dunkel und deutlich, auffällig ist eine sehr dunkle NPR. Da kommt Vorfreude auf die Jupiter-Saison auf!

Das Bild ist eigenartig kontrastarm. Ein Blick auf meine Schmidtplatte zeigt: Eis! Mist, ich sollte auch auf der Terrasse eine Taukappe verwenden. Jetzt heisst es, das Instrument abtauen zu lassen. Eine gute Gelegenheit zum Schlafengehen. Es war ein interessanter Abend.

Ach ja! Das Eis auf der Schmidtplatte! Das hat wohl meinen "Sirius B" erzeugt ...