Sommeranfang-Vollmondnacht

Sofienalpe, 21. 06. 2005

20050621api20.html

Beobachter:Alexander Pikhard
Datum:21. 06. 2005
Zeit:20.30 bis 23.30 MESZ
Ort:Sofienalpe
Instrument:viele ...
Bedingungen:
Durchsicht:ausreichend (3)
Aufhellung:ausreichend (3)
Seeing:sehr gut (1)
Temperatur:+23 °C
Wind:kein
Bemerkungen:Leichte Wolken am Horizont - doch genau die wollten wir eigentlich ...
Bericht:

Relativ kurzfristig wird uns bewußt, was für eine Nacht uns heute erwartet; gut, dass vier Planeten am Abendhimmel zu sehen sind, wissen wir. Darum haben wir ja am kommenden Wochenende gleich drei Abende auf der Sofienalpe geplant. Es ist Sommeranfang, die Beobachtungsnacht wird daher kurz. Und es ist Vollmond. Normalerweise ein Grund, keine Beobachtung zu planen. Das helle Mondlicht würde die Beobachtung schwacher Himmelskörper eher unmöglich machen.

Doch heute ist alles anders; nicht trotz, sondern wegen (zweit)kürzester Nacht und Vollmond treffen wir uns heute hier auf der Sofienalpe. Denn der heutige Vollmond findet nahe der tiefsten Stelle der Ekliptik (Winterpunkt - dort, wo die Sonne am Winteranfang steht) in nahezu größter Südbreite statt (5,2° südlich der Ekliptik). Somit wird der Mond heute Nacht nur 14° tief im Süden kulminieren - und das in einer wirklich lauen Sommernacht. Das ist Grund genug, es gemeinsam zu beobachten, zumal ja noch vier Planeten die Dämmerung vergessen lassen. Und selten ist das Ereignis auch; denn wenn in 18,6 Jahren der Mond wieder die gleiche Südbreite erreicht haben wird, wird weder Vollmond noch Sommeranfang sein. Wir brauchen das kleinste gemeinsame Vielfache von siderischem (Sommeranfang), synodischem (Vollmond) und drakonitischem (Südbreite) Umlauf, und das ist wirklich sehr, sehr lang.

Es zeigt sich heute auch, dass auf unsere Beobachter doch Verlass ist, wenn nur das "Programm" am Himmel passt: In Scharen strömen sie mit ihren Instrumenten auf die Sofienalpe, und eine der eindrucksvollsten gemeinsamen Beobachtungsnächte nimmt ihren Lauf.


Aufbau der Instrumente in der Dämmerung. Die Cirruswolken haben ein Einsehen mit uns und gestatten uns ungehinderte Blicke auf die horizontnahen Planeten. Beim Mond sollen sie später für eine unglaubliche Stimmung sorgen ...


Der laue Abend lockt auch viele Spaziergänger auf die Sofienalpe. Unser seltsames Treiben erweckt ihre Aufmerksamkeit und viele schließen sich unserer Gruppe an. Es kommt Stimmung auf, besser als an so manchem offiziellen Sternabend.

Viele unserer hartgesottenen Beobachter sind hier und das Programm beginnt hochinteressant. Merkur, Venus und Saturn warten in der hellen Dämmerung auf uns und dank der hellen Venus sind auch Merkur und Saturn leicht zu finden. Die drei Planeten sind schon recht eng zusammen gerückt, am Wochenende kommt es ja zum großen Showdown.


WAA-Beobachter und interessierte Gäste beim Beobachten der Venus (wer findet sie?)

Unsere gemeinsame Beobachtung wird schon lange, bevor der Mond sichtbar wird, sehr stimmungsvoll. Angesichts der Tatsache, dass das Wetter gehalten hat (am späten Nachmittag machen uns die Cirren vermehrt Sorgen) und angesichts der lauen Temperatur sind alle mehr als gut gelaunt. Offenbar durch unsere gute Stimmung angezogen, schließen sich zahlreiche Spaziergänger unserer Gruppe an, bleiben nicht nur für einen kurzen Blick, sondern verbringen fast den ganzen Abend mit uns. Viele blicken zum ersten Mal durch ein Fernrohr und können es gar nicht fassen, dass sie hier und jetzt die Gelegenheit dazu haben. Für die meisten ist es definitiv der erste Blick zum Merkur, und auch Saturn, obwohl tief und blaß in der Dämmerung, besticht mit seinem Ring. Und dann erst Jupiter ... Ich glaube, etliche hat hier jetzt wirklich das Astronomiefieber gepackt.

Einmal mehr ist das Seeing sehr gut, sogar bei den tief stehenden Planeten in der Dämmerung. Und Jupiter läßt dann niemanden mehr kalt, weder uns noch unsere Gäste. Immer wieder richten wir unsere Fernrohre auf Merkur, Venus, Saturn und Jupiter (so lange es halt bei den drei Dämmerungsplaneten geht). Und auch die Webcam kommt zum Zug. Diese bewährte Aufnahmetechnik erstaunt die Gäste ebenfalls enorm - und sie lernen so nebenbei, dass in der Berufsastronomie eben niemand mehr durch ein Fernrohr schaut. Diesen Luxus können uns nur wir Amateure leisten. Das macht die heutige Nacht ja noch wertvoller.


Merkur; man erkennt hier sogar, was sich auch visuell angedeutet hat, nämlich eine Spur von Oberflächendetail


Venus; hier sind natürlich keine Details zu sehen. Venus ist derzeit eineinhalb Mal so weit entfernt wie Merkur!


Jupiter (21.17 Uhr MESZ); hier erübrigen sich Worte. Was für ein tolles Seeing! Norden ist unten, Osten ist links.

Die drei Aufnahmen entstanden am 12" LX-200 mit 1,5x Barlowlinse (F=4,5m) und sind hier in Originalgröße und gleichem Maßstab wiedergegeben. Ein herrlicher Größen-, Farben- und Phasenvergleich. Dem blassen Saturn erspare ich die Aufnahme. Etwas später wird das Seeing bei den tief stehenden Planeten "wie gewohnt", also schlecht.

Es dauert noch, bis der Mond über den Wald steigt. Bis dahin vertreiben wir uns die Zeit mit Planeten, hellen Sternen und auch Doppelsternen. Ein wunderbarer Sternabend unter herrlichen Wetter- und Naturbedingungen.


Eine große Gruppe hat sich um unsere Fernrohre gebildet. Alle schauen, staunen und genießen.


Naturlich erklären wir alles geduldig. Einmal mehr zeigt sich, wie groß das Interesse für Astronomie ist.


Der Blick durch ein großes Fernrohr ist doch das beste Mittel, Begeisterung für Astronomie zu erzeugen. Zwei Volkssternwarten und unser mobiler Instrumentenpark - welche Stadt kann da mehr bieten?


Ein Lachen als Dankeschön. Wann immer wir Gästen die Sterne zeigen der schönste Moment: Der Blick zu den Sternen macht einfach froh!

Und dann kommt der Moment, auf den wir gewartet haben ...


Here comes the Moon ...

Tief, gelb und - aufgrund der bekannten optischen Täuschung - unglaublich groß taucht der Mond tief am Himmel auf. So tief, dass sein Licht selbst bei der Beobachtung von Deep Sky Objekten nicht viel mehr stört als an manchem weniger klaren Abend das Licht der Stadt. Was für ein Anblick! Das Foto kann die Realität in keiner Weise wiedergeben, leider.


Alle Augen und ...


... alle Rohre sind jetzt zum Mond gerichtet

Vollmond (ein paar Stunden davor, aber das macht nicht viel aus); doch durch die extreme Südbreite erkennt man im Norden der Mondscheibe den Terminator! Klar, wir blicken ja über den Nordpol des Mondes hinaus. Viele erkennen jetzt, dass auch der volle Mond mit seinen wunderbaren Albedostrukturen (Tycho, Plato und viele mehr) im Fernrohr sehr schön ist.


Vollmond im 12" LX-200, Digicam durch 50mm Plössl; eine Spur von Terminator doch noch im Osten
und auch im Norden erkennt man das Relief der Krater, dank der extremen Libration. Man beachte
auch das Mare Humboldtianum oben rechts am Mondrand.

Mond und Jupiter bleiben die dominierenden Gestirne in dieser Nacht, keine Frage. Immer mehr wenden sich wieder dem Riesenplaneten zu, vor allem wegen des guten Seeings.


Visuelle Beobachtung ...


... und Hi-Tech-Fotografie


Eine gute Stunde später als die erste Aufnahme, um 22.32 Uhr MESZ, hat sich Jupiter aufgrund seiner raschen
schon merklich weitergedreht. Man beachte die vielen weißen Ovale in der südlichen (oberen) gemäßigten Zone und die
seltsamen, grauen Wolken in der STZ. Das NEB (unten) zeigt gleich drei dunkle Spots und gleich in deren Nähe auch helle;
nein, es sind keine drei Monde samt Schatten, sondern um atmosphärische Strukturen.

Dass so ein riesiger Planet so rasch rotieren kann, begeistert unsere Gäste; ich bringe es auf den Punkt: Astronomie wirkt nicht aus dem Moment heraus. Astronomie muss man lange und intensiv erleben, erst dann entfaltet sie ihren vollen "Geschmack". Dabei muss man, vor allem wegen des Wetters, immer wieder Frustrationen in Kauf nehmen.

Sternstunden im wahrsten Sinn des Wortes wie die heutige Beobachtungsnacht auf der Sofienalpe machen Astronomie lebendig, denn sie lebt vor allem von der Freude derer, die sie verbreiten; wahrscheinlich haben wir heute Nacht viele neue Freunde gefunden, denn der Funke der Begeisterung ist definitiv übergesprungen. Astronomie braucht besondere Ereignisse und die Gelegenheit, diese zu genießen. Solche zu finden, publik zu machen und diese Gelegenheit zu bieten, das ist unsere Aufgabe. Eine schöne Aufgabe!