Beobachter: | Alexander Pikhard | ||||
Datum: | 25. 10. 2005 | ||||
Zeit: | 18.00 bis 23.00 | ||||
Ort: | Hohe Wand, beim Gasthof Postl | ||||
Instrument: | diverse | ||||
Bedingungen: |
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Bericht: | Werte Leserinnen und Leser, ich muss Sie warnen: Ich bin sauer, und zwar gründlich. Der Grund liegt an diesem 25. Oktober auf der Hand. Praktisch stündlich spricht der Wetterbericht im Radio von einem sonnigen, warmen Herbsstag und dass sich die Nebelfelder in den Niederungen "bald" auflösen werden. Auch die Webseite der ZAMG verkündet den gleichen Unsinn und auch die von mir so geschätzte Austrocontrol kann sich offenbar nicht ganz mit der Realität anfreunden. Es ist 14 Uhr und der Blick aus dem Fenster fällt nicht weit, er bleibt bald im Nebel stecken. Das Satellitenbild und BOLAM - wirklich bewundernswert, dieses Modell - zeigen Österreich darüber hinaus unter dem fast geschlossenen Wolkenband einer Störungsfront. Wo bitte soll da sonniges Herbstwetter herrschen? Nach 14 Uhr sieht die auch ZAMG ein (nicht schwer, sie sitzen ein paar Gassen weiter von meinem Büro, ein Blick aus dem Fenster genügt), dass sich der Nebel nicht lichten wird. Es ist ärgerlich: Warum verbreitet man einen so offensichtlich falschen Wetterbericht? Ich muss handeln und habe drei Alternativen. Alternative 1: Pokern und darauf hoffen, dass sich der Nebel doch noch auflöst, bis um 19 Uhr die Starparty auf der Sofienalpe beginnt. Alternative 2: Das ganze einfach absagen. Alternative 3: Ausweichen auf einen höher gelegenen Platz, in der Hoffnung, dass wenigstens die Wolken über dem Nebel abziehen. Ich muss die beste Lösung für unsere Mitglieder finden, das ist klar, zumal die Begeisterung für unsere Veranstaltungen ohnedies auf einem Tief angelangt ist. Variante 1 kann ich ausscheiden: Niemand plant, um 19 Uhr zu einer Starparty zu kommen, wenn die Gegend den ganzen Tag in grauem Nebel versinkt. Variante 2 ist mir zu simpel. Ein Blick aufs Satellitenbild zeigt, dass die Wolken in der Tat weniger werden könnten. Also verlege ich die Vienna (?!) Star Party auf die Hohe Wand und kommuniziere das auch. Wenig später, viel Zeit ist nicht mehr, packe ich meine Ausrüstung und Sibylle (sie hat ihr Büro im Block nebenan) zusammen und breche Richtung Hohe Wand auf. Die Fahrt gestaltet sich zügig, von (Pseudo)wochenendverkehr keine Spur, und (erst) nach Winzendorf komme ich aus dem Nebel heraus. Sch...öne Bescherung! Über der Hohen Wand liegt eine geschlossene Wolkendecke, durch die selbst die Sonne nur schemenhaft herauskommt. In diesem Moment die ersten Anrufe. Ich vertöste sie auf in ein paar Stunden. Von oben betrachte ich das ganze Schlamassel, diese Existenz zwischen zwei Wolkenschichten (so muss sich die Galileo-Sonde auf Jupiter gefühlt haben).
Es ist jedenfalls sehr warm hier oben, gut 16°C. Nach und nach treffen doch einige WAAler ein. Was tun, lautet die Frage.
"Wir sind jetzt schon hier, also bleiben wir", ist die einhellige Devise ("gekommen, um zu bleiben" sozusagen). Und es passiert Wunder Nummer eins an diesem Abend: Trotz dunkler Wolken und gar keiner Aussicht auf Beobachtung wird die Stimmung in unserer Runde immer besser!
Irgendwer sieht Venus aus den Wolken herausleuchten, dann Vega, dann Altair und dann auch noch ein paar schwächere Sterne. Es ist nicht zu fassen, aber es beginnt - der Aufbau der Instrumente! Und so wenige sind es gar nicht.
Zunächst wählen wir die Beobachtungsobjekte nach Wolkenlöchern: Polarstern, M103, NGC 457, Albireo. Die Sicht ist anfänglich auch nicht so toll, auch nicht in den Wolkenlöchern, aber die Situation bessert sich mehr und mehr. Wunder Nummer zwei. Die Wolkenlöcher werden größer und klarer, und bald dürfen wir die Milchstraße bewundern, und zwar gar nicht so schlecht. Die Wolken zeigen aber auch Unerfreuliches: Ein Skybeamer aus Wr. Neustadt treibt im Nordosten sein Unwesen. Jetzt ist Deep Sky angesagt. M2 und M15, die beiden herrlichen Kugelsternhaufen, vom Seeing etwas in Mitleidenschaft gezogen, aber ansonsten wunderschön (Beschreibungen siehe den Bericht vom 22. vom gleichen Ort). Und gleich weiter mit Cirrusnebel (eine Wucht, in der Tat) und Crescent-Nebel. Es macht einfach Freude!
Partystimmung kommt auf. Wir erfreuen uns über die schönen Blicke durch die Fernrohre, tauschen aber auch jede Menge lustiger Geschichten aus unserem langjährigen Erfahrungsschatz aus. Den Höhepunkt erreicht die Stimmung sicher, als - mitten in der Nacht - von einem der Instrumente das Wort "Protuberanz" fällt. Stille, Nachdenken, dann helles Gelächter. Des Rätsels Lösung: Christine hat nicht am 10" LX200 die trillionenfache Vergrößerung bei Vega gewählt, sondern zeigt auf ihrem Laptop Fotos her. Fernsehen mitten in klarer Sternennacht? Ach so, wieder ein paar Wolken. Plötzlich ein Aufschrei, der sich wie eine Welle durch unsere Teleskoplandschaft fortpflanzt. Wa...? Huch, ist das warm! Eine Welle warmer Luft, gut 20°C oder mehr, strömt über uns hinweg. Föhn! Das passiert jetzt laufend und verheisst für das Seeing nichts gutes. Der Winterhimmel steigt hoch. H+χ Persei sind traumhaft, auch die Pleiaden. Höher steht schon der Andromedanebel. Ich will Rolands 30mm Okular noch einmal testen, doch er zieht etwas viel, viel besseres aus dem Koffer: Es! Das 30mm Pentax XW-Okular, dankenswerter Weise geborgt von Gerald Rhemann. M31, h+χ, die Pleiaden mit diesem Okular, einfach eine Wucht. Keine Frage, dieses Okular schlägt leistungsmäßig sowohl das 31mm Nagler als auch das Meade 30mm UWA. Das Einbilcksverhalten bei Pentax und die Randschärfe sind einfach unschlagbar. Da macht das mit 70° doch kleinere Gesichtsfeld wirklich nichts mehr aus. Auch NGC 188 muss ich noch einmal besuchen; heute kommt mir der Haufen deutlicher vor als am 22., ich habe einen besonders klaren Moment erwischt. Und Mars? Na ja. Nicht umwerfend. Eigentlich sogar schlecht. Ach ja, die Föhnwellen (man beachte das "h"). Christine und Kurt können es nicht lassen und nehmen mit der Webcam auf. Ich zögere. Na gut, ein paar Serien mache ich auch. Mal sehen, was dabei herauskommt.
Ich scheue mich nicht, auch einmal ein schlechtes Marsfoto zu veröffentlichen, also bitte, hier ist es. Eigentlich ist mehr darauf zu erkennen, als ich erwartet hätte. Die Wolken werden wieder mehr und auch der Wind wird heftiger. Wir entschliessen uns, abzubauen. Wir hatten eine Starparty, das ist das grosse Wunder dieses Abends, in doppeltem Sinn, denn wir hatten Stars und Party. Allerdings nicht in Vienna. Zar hat sich der Nebel dort doch rechtzeitig gelichtet, und sich auch einige wenige Leute nach der Sofienalpe erkundigt, aber die Entscheidung zur Verlegung hierher war schon richtig. Und wer hat diesen schönen Abend möglich gemacht? Die, die gekommen sind! In Wien braucht es keinen Verein, um sich mit Astronomie zu beschäftigen, sich dann und wann etwas anzuhören. Es gibt ein Planetarium und zwei sehr schöne Volkssternwarten, Volkshochschulen, die Universitätssternwarte. Unser Programm aber lebt vom aktiv mitmachen, je mehr mittun, desto besser wird es (für alle). Und die Party geht weiter. Kommenden Samstag und Sonntag, wenn Mars den Höhepunkt seiner Sichtbarkeit erreicht. Wann? Das steht fest. Wo? Das werden wir genau so flexibel entscheiden wie heute ... |