"Nacht-Kurzsichtigkeit" und Mars

Edlach/Rax, 30. 10. 2005

20051030sfl20.html

Beobachter:Thomas Schröfl
Datum:30. 10. 2005
Zeit:20.15 bis 23.30 MESZ
Ort:Edlach/Rax
Geogr. Länge:47 41 21
Geogr. Breite:15 48 11
Seehöhe:600
System:
Instrument:freisichtig, NexStar 11 GPS
Bedingungen:
Durchsicht:gut (2)
Aufhellung:gut (2)
Seeing:schlecht (4)
Freis. vis. Grenzgroesse:5.5
Temperatur:10 °C
Luftfeuchtigkeit:70
Bemerkungen:im Zenith sehr gute Durchsicht, bis ca. 30 Grad etwas nebelig
Bericht:

Schon im August habe ich mit Interesse in der September-Ausgabe von Sky & Telescope den Artikel über die Nacht-Kurzsichtigkeit gelesen. Wolfgang Vollmann hat schon am 4.9.05 in seinem Bericht darüber geschrieben, mit dem Ergebnis, daß er als Kurzsichtiger eine stärke Astrobrille ganz oben auf seinem Wunschzettel stehen hat. Umso mehr hat mich interessiert was bei mir bei einem solchen Test herauskommt. Meine Ausgangslage: links und rechts minus 6,25 bzw, 6,5 Dioptrien, leichter Astigmatismus (Zylinder) und dazu seit einigen Jahren Altersweitsichtigkeit, also eine extra Lesebrille bzw. für den Alltag Gleitsichtgläser, aber keine reine Fernbrille vorhanden. In der Perseidennacht war das ein richtiger Spaß, als mich die Gleitsichtbrille nur einen Himmelsstreifen scharf sehen ließ und je weiter ich in den Lesebereich blickte umso größer und aufgeblasener wurden die Sterne. Das hat mich zwar sehr ans SCT-Kollimieren mit dem Sekundärspiegelschatten erinnert, aber das Beobachtungsvergnügen war doch etwas schaumgebremst, sieht man von der tiefschürfenden Frage ab, wie scharf man denn die Lichtspur eines Meteoriten sehen will. Als ich mir kürzlich die Drittbrille für Bildschirmdistanz bei meinem Optiker zulegte, konnte ich mir von ihm auch das Köfferchen mit Brillengestell und auswechselbaren Linsen aller Stärken zum Testen ausborgen. Mein Augenarzt, der mir das im S&T beschriebene Phänomen bestätigte, schätzte den zusätzlichen Bedarf beim Nachtsehen auf ca. +0,75 Dioptrien, doch da alle Methoden der Augenuntersuchung bei Licht arbeiten, läßt sich die Nacht-Kurzsichtigkeit nur in der Praxis austesten. Gestern war außer einem kurzen Blick auf Mars Sense, denn die anfänglichen Cirren verdichteten sich zu regelrechten Wolken und dann fiel noch Nebel ein und zuvor war das Seeing alles andere als berauschend. Doch heute ist eine mondlose klare Nacht mit wenig Aufhellung und sehr guter Durchsicht, vor allem im Zenith, also steht dem Test-Sehen nichts im Wege und nach 15 Minuten Dunkeladaption kann es losgehen.

Den Anfang im hochmodischen Brillengestell macht die normale Korrektur analog meiner Alltagsbrille. Durch Vorhalten bzw. Auswechseln teste ich in 0,25 Dioptrienschritten den Bereich zwischen zusätzlichen +0,25 bis +1,0 durch. Bei meiner Alltagsbrille hatte ich schon immer den Eindruck die Sterne könnten schärfer sein. Auch beim nächtlichen Autofahren ist mir schon seit langem eine leichte Unschärfe bei annähernd punktförmigen Lichtquellen aufgefallen. So probiere ich zunächst welche Stärke möglichst punktförmige Sterne ergibt. Schnell stellt sich heraus, daß ein Plus von +0,75 bis -1,0 Dioptrien dafür notwendig ist. Nach vielem Pröbeln entscheide ich mich für zusätzliche +0,75 Dioptrien; -1,0 ist schon etwas überkorrigiert, es entsteht der sicherlich sehr subjektive Eindruck von +zu scharf+. Die Erhöhung um +0,75 Dioptrien bringt für mich ein deutlich schärferes Sternbild; ich würde es am ehesten vergleichen mit dem Unterschied des Sternpunktes in einem SCT und einem Apo: kleiner, feiner und schärfer. Damit steigt quasi als Nebeneffekt auch die Trennschärfe, wie bereits Wolfgang Vollmann an der visuellen Beobachtung von Doppelsternen nachgewiesen hat.

Dann konzentriere ich mich auf das Testen der freisichtigen Grenzgröße und vergleiche meine Alltags-Korrektur gegen die um +0,75 Dioptrien verstärkte Brille. Das Sternbild Ursa Minor ist dafür ein gutes Testgebiet mit recht vielen Sternen 5. bis 6. Magnitude. Wolfgang Vollmann + von allen, die ich aus der Astroszene kenne, wohl Erfahrenste was Helligkeitsschätzungen betrifft - hat den Zugewinn auf 0,3 bis 0,4 Größenklassen geschätzt. Ich hätte ohne seine präzise Vorgabe etwas gröber rund 0,5 mag gesagt. Was mit der +normalen+ Brille nicht zu sehen ist oder höchstens bei indirektem Sehen etwas funselt, ist mit der richtigen Nachtbrille zwar schwach aber doch deutlich zu sehen.

Nach diesem Test ist mir klar: über kurz oder lang wird es für mich eine Fünftbrille geben. Neben Gleitsicht-, Lese-, PC- und Sonnenbrille nun auch eine Sternenbrille.

PS: Wer sich ebenfalls mit dem Gedanken der Anschaffung einer Astrobrille befaßt, sollte jedenfalls den Artikel in S&T nachlesen. Nicht jede Glassorte ist dafür geeignet. Vor allem die heute gängigen Kunststoffgläser dürften optische Eigenschaften haben, die sie für Astrobrillen nicht empfehlenswert erscheinen lassen. Jedenfalls gut entspiegelte Gläser nehmen und keine Tönung sonst ist der Magnituden-Zugewinn wieder futsch.

PPS: Ja übrigens den Mars wollte ich heute auch noch beobachten. Nur so viel: gesehen habe ich ihn, beobachtet kann man es aber wahrhaft nicht nennen. Einmal mehr zeigt sich, daß das Gebiet der Alpenausläufer mit denkbar schlechten Seeingbedingungen gesegnet ist. Bei 200x kann ich nicht mehr von einer halbwegs runden Planentenschreibe sprechen, sondern eher von einem permanent gekneteten Laberl. Nicht einmal ansatzweise sind Hell-Dunkel-Bereiche zu sehen. Meine Entscheidung war also nicht schlecht die Marssaison 2005 in den Garten eines Freundes im 22. Bezirk zu verlegen.