Extrem selten: Bedeckung 69 Vir

Wien 20, Ospelgasse, 30. 06. 2009

20090630twe20.html

Beobachter:Thomas Weiland
Datum:30. 06. 2009
Zeit:20:45 bis 21:30 Uhr UT
Ort:Wien 20, Ospelgasse
Instrument:Maksutov-Newton 127/762 mm
Bedingungen:
Durchsicht:ausreichend (3)
Seeing:ausreichend (3)
Sonstige Bedingungen:Stark bewölkt (Wolkenlücke), dunstig
Bericht:

Unter normalen Umständen wäre die totale Bedeckung eines Sterns 5. Größe durch den Mond zwar hübsch anzusehen, aber kaum besondere Erwähnung wert. Jene von 69 Virginis (ZC 1931; +4,9mag), welche am 30. Juni 2009 über Österreich stattfand, macht hingegen eine Ausnahme, handelt es sich dabei (bezogen auf Sterne ≥ +5,4mag) doch um eines der seltensten Bedeckungsereignisse für mittlere nördliche Breiten. Grund dafür ist der große Abstand des Sterns von der Ekliptik (β = -6°19'; 2000.0), der dazu führt, dass ihn der Mond nur sehr selten "erwischt".

Grundsätzlich ist die Mondbahn von der Erdmitte aus gesehen um durchschnittlich 5°09' geneigt, infolge zusätzlicher Faktoren (Horizontalparallaxe, Mondhalbmesser, schwankende Entfernung des Mondes von der Erde etc.) kann unser Trabant auch noch Sterne, die 6°36' von der Ekliptik abstehen, bedecken.

Sternbedeckungen laufen bekanntermaßen in Form von Serien ab, bei ekliptiknahen Sternen ereignen sich innerhalb von 18,6 Jahren (entspricht einem vollständigen Umlauf der Mondknoten um die Ekliptik) derer zwei, ab einer ekliptikalen Breite von |β| = 3°56' findet hingegen nur mehr eine statt. Auch ihre Dauer hängt von der ekliptikalen Breite ab, wobei die maximal mögliche Zeitspanne bei einem |β| von etwa 4° erreicht wird (ca. 6 Jahre), bei größerem Abstand nimmt die Länge wieder ab. Dies ist an der derzeit laufenden, 1½ Jahre dauernden Serie von 69 Vir mit ihren weltweit 14 Einzelbedeckungen ersichtlich:

2009 01 17 – 2009 02 14 |Unterbrechung| 2009 06 03 – 2009 06 30 – 2009 07 28 – 2009 08 24 – 2009 09 20 |Unterbrechung| 2009 11 14 – 2009 12 11 – 2010 01 08 – 2010 02 04 – 2010 03 03 |Unterbrechung| 2010 06 21 – 2010 07 18

Auffällig ist, dass die Serie dreimal unterbrochen wird, was auf periodische Schwingungen der Mondbahn zurückzuführen ist, die sich bei ekliptiknahen Sternen nur zu Beginn bzw. am Ende, bei ekliptikfernen Sternen auch inmitten der Serie bemerkbar machen. Da überdies die Neigung der Mondbahn ihren (periodisch) maximalen Wert erreicht, wenn die Knotenlinie zur Sonne gerichtet ist (alle 173,3 Tage), finden Bedeckungen von Sternen mit großer ekliptikaler Breite vor allem um das Erste bzw. Letzte Viertel des Mondes statt.

Bedeckungen von 69 Vir sind nur auf der Nordhalbkugel der Erde sichtbar. Da die Parallaxe stets in Gegenrichtung wirkt, werden, wie im speziellen Fall, Sterne mit großer negativer ekliptikaler Breite nur auf der Nordhalbkugel bedeckt, bei jenen mit positivem Vorzeichen ist es umgekehrt. Dies gilt unabhängig von der Deklination des jeweiligen Sterns.

Betrachtet man nun das von der Bedeckung 2009 06 30 betroffene Gebiet (Abbildung 1), so kann man erkennen, dass jener Bereich der Erdoberfläche, der sowohl die Voraussetzung ausreichender Sonnentiefe als auch entsprechender Höhe über dem Horizont erfüllt, ziemlich schmal erscheint (südliche Begrenzung: durch weiße Punkte gekennzeichnet – bei Tag, rote Linie – in der Dämmerung, weiße Linie – bei Nacht; nördliche Begrenzung bzw. Auf-/Untergangsbereich – blau).


Abbildung 1: Sichtbarkeitsgebiet der Bedeckung von 69 Vir 2009 06 30 (OCCULT 3.1.0)

Daraus folgt, dass die Kombination aus kurzer Serie und eng begrenztem Gebiet nur äußerst selten zu Bedeckungen für einen bestimmten Ort führt. In der Tat: wie eine diesbezügliche Nachschau ergab, fand für Wien seit dem Jahr 1957 (erstmaliges Erscheinen des Österreichischen Himmelskalenders) keine Bedeckung von 69 Vir statt, und auch während des betrachteten Zeitraums bis Anfang 2040 (Lunar Occultation Workbench 3.1) ist mit keiner weiteren Gelegenheit mehr zu rechnen!

Leider war zur kritischen Zeit die Wetterlage nicht sehr kooperativ: schon seit Tagen hatte ein mächtiges Tiefdrucksystem Süditalien und den Balkan fest im Griff und in der Folge gewaltige Regenmengen nicht nur über unser Land entladen. Auch am Abend des 30. Juni türmten sich erneut Quellwolken über Wien, schlussendlich hatte der Wettergott jedoch Einsehen mit mir: ein kleines, aber feines Wolkenloch kam, blieb zur rechten Zeit, und so konnte ich das Verschwinden des Sterns einwandfrei um 21h18m56,9s UTC (persönliche Gleichung 0,3s; abgezogen) beobachten.