Gab es den Weihnachtsstern?

Alexander Pikhard

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Es geht um die Legende vom "Stern von Bethlehem", der, meist in Form eines Kometen, aus keiner Weihnachtsdekoration wegzudenken ist. Woher stammt diese Legende und gab es wirklich ein Himmelsereignis, das die Geburt Christi ankündigte? In diesem Artikel möchte ich nur Fakten zusammenfassen, er enthält keine neuen Erkenntnisse zu diesem Thema.

Hintergrund

Im Evangelium nach Matthäus (Mt 2,1) wird ein Stern (sic) beschrieben, der "Magier" aus dem Osten veranlasst haben soll, nach Bethlehem zu pilgern, um dem neugeborenen König der Juden zu huldigen:

Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Bethlehem in Judäa geboren worden war, kamen Magier aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen. ... Und der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis er stehen blieb über dem Ort, wo das Kind war.


Die Sterndeuter aus dem Morgenland (Mosaik aus Sant'Apollinare Nuovo in Ravenna, um 565) © José Luiz Bernardes Ribeiro.

Worum kann es sich dabei gehandelt haben?

Ein Komet


Eine große Kometenerscheinung: Komet McNaught 2006 über dem Paranal. © ESO.

Gegen die Theorie, der Weihnachtsstern könnte ein Komet gewesen sein, sprechen viele Punkte:

  • Es ist definitiv von einem Stern die Rede. Für andere Himmelsobjekte gab es auch damals schon andere Bezeichnungen.

  • Kometen galten auch im Altertum als Vorboten von Unglück. Die Erscheinung eines Kometen als Zeichen für ein so freudiges Ereignis zu deuten, entspricht absolut nicht dem damaligen Zeitgeist.

  • Kometenerscheinungen wurden, eben wegen ihres negativ besetzten Rufs als Gestirne, die sich nicht an die "göttliche Regelmäßigkeit" des Himmels hielten, überall genau aufgezeichnet. Es gibt aber im fraglichen Zeitraum keinerlei Beobachtungen eines hellen Kometen in anderen Kulturen.

  • Kometen galten im Altertum verbreitet nicht als Gestirne, sondern als Erscheinungen der Lufthülle der Erde ("Ausdünstungen der Erdatmosphäre" nach Aristoteles).

  • Die einzige überlieferte Erscheinung eines hellen Kometen ist jene des Halleyschen Kometen aus den Jahren 12 bis 11 v. Chr. Auch diese konnte von den "Magiern" nicht vorhergesagt werden und sie liegt zeitlich in einem Bereich, der zu anderen historischen Widersprüchen führt. Historisch belegt muss die Geburt Christi zwischen 7 v. Chr. und dem Tod von Herodes 4 v. Chr. liegen.

Wie kommt es aber dazu, dass die Sternsinger heute einen Kometen vor sich hertragen? Die Antwort liegt in den Jahren 1304 bis 1306. Giotto die Bordone malt in diesen Jahren einen Freskenzyklus in der Scrovegni-Kapelle in Padua, darunter auch das berühmte Fresko Die Anbetung der Könige. Giotto hatte im Jahr 1301 den Halleyschen Kometen beobachtet. Unter dem Eindruck dieser Kometenerscheinung und mit dem Matthäus-Evangelium im Hintergrund stellt Giotto den Kometen über der Geburtsszene Christi dar. Es ist dies definitiv die älteste künstlerische Darstellung eines Weihnachtskometen. Ältere Darstellungen zeigen nur einen "normalen" Stern.


Die Anbetung der Könige von Giotto die Bordone

Ein Komet kann also mit hoher Wahrscheinlichkeit als Stern von Bethlehem ausgeschlossen werden.

Anmerkung: Die Erscheinungen des Halleyschen Kometen 12/11 v. Chr. bzw. 1301 n. Chr. wurden, wie alle anderen seit 240 v. Chr., natürlich noch nicht als Wiederkehr desselben Kometen erkannt, sondern als neue Kometenerscheinungen. Der Komet trägt erst seit der von Edmond Halley vorhergesagten Wiederkehr 1758/59 dessen Namen.

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Eine Supernova

Gegen die Theorie, der Weihnachtsstern könnte eine Supernova gewesen sein, sprechen zunächst die gleichen Punkte wie bei einem Kometen. Allerdings erscheint sie wirklich als Stern. Eine Supernova in unserer Milchstraße kann, bei einer Entfernung von einigen wenigen Tausend Lichtjahren, durchaus heller am Himmel erscheinen als der Planet Venus und dies über mehrere Wochen hinweg. Aber sie bewegt sich nicht ("zog vor ihnen her, bis er stehen blieb, wo das Kind war"). Es gibt auch hier keinerlei Aufzeichnungen aus anderen Kulturen, z.B. aus China, wo die Supernova von 1054 n. Chr. genau beschrieben wurde.

Hinzu kommen noch astrophysikalische Fakten. Eine Supernova hinterlässt einen Überrest, der nach 2000 Jahren defintiv beobachtbar sein müsste, so wie im Fall der Supernovae von 1054 (Crab-Nebel Messier 1), 1572 (beobachtet von Tycho Brahe) oder 1604 (von Kepler beobachtet). Ein solcher Supernova-Überrest wurde aber nicht beobachtet. Eine sehr nahe Supernova (wenige 100 Lichtjahre entfernt), die dann am Himmel heller strahlen würde als der Vollmond, wäre wohl überall dokumentiert worden. Sie hätte Auswirkungen auf die Entwicklung der Erde und des Lebens auf ihr gehabt, ließe sich auch geologisch nachweisen, davon zeugt allerdings nichts.


Der Crab-Nebel, Überrest der Supernova von 1054. © NASA.

Wir können also auch die Supernova als Kandidat für den Weihnachsstern streichen.

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Eine Finsternis


Totale Sonnenfinsternis am 21. Juni 2001 in Sambia. © Alexander Pikhard.

Sonnen- und Mondfinsternisse waren um Christi Geburt schon vorhersagbar. Doch die Beschreibung im Matthäus-Evangelium passt defintiv nicht auf eine Finsternis. Es ist explizit vom einem Stern die Rede.

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Ein Meteor oder Feuerball

Diese Erscheinung ist viel zu kurzlebig, um als "Zeichen" gedeutet zu werden. Sie konnte von den "Magiern" nicht vorhergesagt werden und lässt aufgrund ihres sehr lokalen Charakters keinen Rückschluss auf einen weiter entfernten Ort zu.

Die "Magier" müssten sich schon im Nahbereich von Jerusalem / Bethlehem aufgehalten haben, dagegen spricht die Texpassage, nach der sie weit von Osten ("von den Aufgängen [der Sterne]") gekommen waren.

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Eine besondere Konstellation

Betrachtet man den Text des Matthäus-Evangeliums ganz genau und vor allem in der einzig erhaltenen altgriechischen Übersetzung, dann ist dieser gespickt mit astronomischen oder genauer astrologischen Fachbegriffen.

Es ist von einem Stern die Rede; dessen Bewegung am Himmel wird sehr genau beschrieben, vor allem die Passage "bis es im Gehen stehenblieb", was natürlich leicht als Stationärpunkt eines rück- oder rechtläufig werdenden Planeten interpretiert werden kann. Dagegen spricht an sich aber, dass nicht explizit von einem Planeten die Rede ist.

Johannes Kepler hat als erster eine besondere Konstellation der beiden Planeten Jupiter und Saturn ins Spiel gebracht. Die beiden langsamsten mit freiem Auge sichtbaren Planeten begegnen einander am Himmel nur etwa alle 20 Jahre. Kepler zog allerdings noch Mars hinzu und die von ihm beobachtete Supernova und schloss, dass die Begegnung von Mars, Jupiter und Saturn den "neuen Stern" verursacht hätte. Kepler vermutet, ein ähnliches Ereignis könnte der Stern von Bethlehem gewesen sein.


Kapitelüberschreift aus Johannes Keplers De Stella Nova, 1506,
"Über das wahre Geburtsjahr Jesu Christi unseres Herrn".


Mars, Jupiter und Saturn im Februar 7 v. Chr. in Palästina. © WAA.

Im Jahr 7 v. Chr. kommt es tatsächlich zu einer seltenen dreifachen Begegnung (Konjunktion) von Jupiter und Saturn. Diese kann nur eintreten, wenn die Oppositionen der beiden Planeten innerhalb von maximal 1,7 Tagen stattfinden.


Die dreifache Konjunktion von Jupiter und Saturn im Jahr 7 v. Chr. im Sternbild der Fische.
Jupiter ist der nördliche (obere, schnellere), Saturn der südliche (untere, langsamere) Planet. © WAA.

Der österreichische Astronom Conradin Ferrari d'Occhieppo untersuchte den Text des Matthäus-Evangeliums noch genauer und brachte vor allem die babylonische Astrologie und Astronomie mit ins Spiel. Er vermutete im Text des Evangeliums noch eine Vielzahl weiterer astronomisch/astrologischer Zitate wie etwa den gemeinsamen kosmischen Aufgang von Jupiter und Saturn [der kosmische Aufgang ist das Aufgehen eines Gestirns mit Sonnenuntergang, das nahe der Opposition stattfinden muss und in der Astronomie eine untergeordnete Rolle spielt].


Der gemeinsame kosmische Aufgang von Jupiter und Saturn über der Wüste von Palästina. © WAA.

In Ferraris Interpretation steht in der babylonischen Astrologie, die - wie jede Astrologie - jeweils viele Interpretationen parat hat, Jupiter für den höchsten König, Saturn für das jüdische Volk und das Sternbild Fische für Palästina. Somit wäre es für die "Magier", die wohl als mesopotamische Astrologen zu interpretieren sind, leicht gewesen, Ort und Zeitpunkt der Geburt des Königs der Juden vorherzusagen. Während die erste (Jupiter) und dritte (Fische) Deutung durch Keilschrifttexte belegt sind, fehlt eine solche Quelle allerdings für die zweite (Saturn).

An dieser Stelle wurde ich vor einigen Jahren stutzig. Wie kann es denn sein, dass Astronomen stets gut gegen Astrologie argumentieren können, und dann eine definitiv astrologische Prophezeihung von der Geburt Christi als zugetroffen verwenden, um jene zu datieren? In der Tat muss hier der Umkehrschluss gezogen werden, der auch erklären könnte, warum wird der Stern von Bethlehem in keinem anderen Evangelium erwähnt wird, sondern nur bei Matthäus.

Es liegt die Vermutung nahe, dass Matthäus durch das Zitieren bekannter astronomisch/astrologischer Fakten der Geburt Christi eine über das menschliche Maß hinausgehende "kosmische" Bedeutung verleihen wollte - wenn denn diese Textpassage überhaupt im ursprünglichen Text vorgekommen ist und nicht erst später hinzugefügt wurde. Dabei kann es sein, dass wirklich Bezug auf die dreifache Konjunktion von Jupiter und Saturn im Jahr 7 v. Chr. genommen wird. Wenn die Geschichte mit dem Stern von Bethlehem wirklich von Anfang an im Matthäus-Evangelium enthalten war, dann war Matthäus wohl die mesopotamische Gestirnreligion bekannt und fand, obwohl die Anbetung von Gestirnen bei den Juden verboten war, zumindest als zulässige Deutung Einzug in das zweite Buch seines Evangeliums.

Sinngemäßes gilt für ähnliche Konjunktionstheorien, die etwa auch die Planeten Mars und Venus oder den Stern Regulus miteinbeziehen.

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Eine Legende

Sowohl die heutige Bibelforschung als auch die heutige Geschichtsforschung gehen davon aus, dass es sich beim Stern von Bethlehem um eine bewusst geschaffene Legende ohne realen Hintergrund handelt. Dabei sei das Stern-Motiv symbolisch für das Göttliche zu sehen. Keines der Evangelien ist ein Augenzeugenbericht der Geburt Christi. Und speziell die Herkunft des Matthäus-Evangeliums ist Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Diskussion.

Durch die Vermutung, dass ein astronomisch / astrologischer Hintergrund für die Geburt Christi bewusst erfunden wurde, ist jedoch eine genaue Datierung der Geburt basierend auf diesen astronomischen Fakten nicht möglich.

Vieles deutet darauf hin, dass die Geburt Christ nicht Ende Dezember stattgefunden haben kann. Um diese Jahreszeit ist es in Palästina definitiv zu kalt für einen Aufenthalt quasi im Freien. Dass wir Weinachten Ende Dezember feiern, liegt wohl daran, dass das frühe Christentum sich an das römische Fest der Wintersonnenwende ("sol invictus" - der unbesiegte Sonnengott) angelehnt hatte, das ein etabliertes großes Fest war. Durch die Kalenderreform Julius Cäsars (julianischer Kalender) fiel dieses Fest auf den 25. Dezember.

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Literatur und Quellenangaben


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