Freisichtige Himmelsbeobachtung und die Nacht-Kurzsichtigkeit

Wien 21, 25. 09. 2005

20050925wvo21.html

Beobachter:Wolfgang Vollmann
Datum:25. 09. 2005
Zeit:21.00 MESZ
Ort:Wien 21
Instrument:Freies Auge und 2 Brillen
Bedingungen:
Freis. vis. Grenzgroesse:5.0
Bericht:

Meine ersten Experimente zur "Nacht-Kurzsichtigkeit" habe ich im Beobachtungsbericht vom 4.Sep.2005 beschrieben.

Mittlerweile habe ich ein paar weitere Experimente und Beobachtungen zu diesem Thema gemacht. Ich borge mir öfters die neue Brille meiner Frau aus (eine Dioptrie Korrektur auf Kurzsichtigkeit). Ich halte sie vor meine normale Brille (3 bzw. 5 Dioptrien Korrektur auf Kurzsichtigkeit) und voila -- sehe den Himmel viel schärfer und besser!

Ein interessantes Projekt ist es den Mond auf diese Art zu beobachten. Es sind neben den dunklen Flecken der Mondmeere viele weitere Einzelheiten zu erkennen: z.B. der helle Fleck des Kraters Kopernikus und die hellen Gebirgsbogen die das Mare Imbrium umrahmen. Jedenfalls sehe ich ohne Fernglas viele Einzelheiten die z.B. auf der Liste des Mondklubs erst für die Beobachtung im Fernglas beschrieben sind. Es wundert mich jetzt noch mehr als früher warum es keine Mondkarten vor der Erfindung des Fernrohrs gibt. Ich kenne auch keine Beschreibungen der Einzelheiten mit freiem Auge aus der vorteleskopischen Zeit. Was könnte der Grund dafür sein? Immerhin könnte aus Beobachtungen mit freiem Auge die gebundene Rotation (Mond kehrt uns immer die selbe Seite zu) und sogar die Libration (ein wenig wackelt er ja doch herum) festgestellt werden. Einen sehr schönen Artikel zur Wahrnehmung des Weltalls hat Virginia Trimble geschrieben: The Stained and Spotty Heavens.

Die Sonne (natürlich mit Sonnenfinsternisbrille) ist ebenfalls mit der Überkorrektur der zusätzlichen Brille schärfer und genauer zu sehen. Ich habe schon viele Sonnenflecke mit freiem Auge erkennen können und sogar die Rotationsdauer der Sonne habe ich auf diese Art erkennen und nacherleben können (siehe z.B. meine Sonnenbeobachtungsberichte). Den recht grossen Sonnenfleck der letzten Tage konnte ich aber am Samstag den 24.Sep.2005 nicht mit freiem Auge sehen. Ich benötigte ein kleines 3mal vergrösserndes "Fernrohr" um ihn eindeutig zu erkennen: hier das SOHO-Bild dieses Tages dazu:

Auch Doppelsterne habe ich weiterbeobachtet: Epsilon Lyrae mit 3,5 Bogenminuten Distanz konnte ich schon mehrfach mit freiem Auge auflösen. Ein derzeit gut platzierter Doppelstern für das freie Auge ist auch 30 und 31 Cygni: 5 Grad westlich von Deneb sind zwei fast genau ein Grad entfernte Sterne zu erkennen: 31 Cyg (3,8mag) im Süden und 32 Cyg (4,0mag) im Norden. Der südliche Stern 31 Cyg hat noch einen Begleiter 4,8mag in 5,6 Bogenminuten Abstand in nordwestlicher Richtung: 30 Cyg. Auch der ist mit freiem Auge erkennbar! 30 und 31 Cygni sind durch ihre sehr unterschiedliche Färbung (Spektraltypen K bzw. A) auch im Fernglas bzw. kleinen Fernrohr sehr lohnende Beobachtungsobjekte. Einen sehr lesenswerten Artikel über Deep-Sky Beobachtung mit freiem Auge hat Matthias Juchert geschrieben: das lädt zum Nachbeobachten ein!

Eine ungelöste Frage gibt es aber noch: gilt das eigentlich noch als "freisichtige Himmelsbeobachtung" wenn ich mit meinen zwei Brillen da im Dunklen im Liegestuhl sitze?

Viele Grüsse, Wolfgang