Doppelsterne für Juniabende, Teil 2

Wien 21, 21. 06. 2005

20050621wvo23.html

Beobachter:Wolfgang Vollmann
Datum:21. 06. 2005
Zeit:23.00 bis 01.00 MESZ
Ort:Wien 21
Instrument:Refraktor 130/1040mm
Bedingungen:
Seeing:gut (2)
Bericht:

Die langen hellen Juniabende haben oft recht ruhige Luft -- gutes Seeing. Zur Beurteilung des Seeing eignet sich gut die Pickering-Skala, die von Damian Peach schön illustriert wurde: http://uk.geocities.com/dpeach_78/pickering.htm. Nach meinem ersten Doppelstern-Bericht Doppelsterne für Juniabende beobachtete ich am 21.Juni weitere schöne und interessante Objekte. Dazu verwendete ich wieder meinen Refraktor 130/1040mm.

39 Bootis = STF1890 = WDS 14497+4843 (das ist der Ort 2000.0 = 14h49.7m +48°43').
Hoch oben beim Kopf des Bärenhüters steht 39 Boo. Das Sternpaar war schon bei 208x deutlich getrennt mit viel "Zwischenraum". Die beiden Sterne haben einen deutlich merkbaren Helligkeitsunterschied von etwa 1/2 Grössenklasse und sind weiss; ich finde es ist ein hübsches Paar! Den Positionswinkel schätzte ich auf 40 Grad. Im Washington Double Star Catalog (WDS) sieht man dass sich die beiden Sterne seit den ersten Messungen 1783 deutlich bewegt haben, es sich also um einen physischen Doppelstern handeln dürfte. Allerdings ist die Umlaufzeit offenbar sehr lange, wahrscheinlich mehr als 1000 Jahre.
Der WDS hat folgende Messungen:
JahrDistanzPositionswinkel
17834,0"52°
20042,7"46°

44 Bootis = STF1909 = WDS 15038+4739.
Nicht weit östlich von 39 Boo steht 44 Boo. Diesen Doppelstern habe ich schon mit der Webcam vermessen: siehe Beobachtungsbericht vom 27.Mai 2005. Heute schaute ich wieder kurz dort vorbei: bei 208x war er auch gut trennbar mit Zwischenraum, aber deutlich etwas enger als 39 Boo, nur etwa 3/4 der Distanz (nach der Ephemeride 2,0 Bogensekunden). Das Paar hat einen deutlichen Helligkeitsunterschied von einer Grössenklasse und auch die Farben der beiden Sterne sind nicht gleich: den Hauptstern sah ich als etwas gelblich und den Begleiter als noch deutlicher gelblich. Der WDS enthält für die beiden Sterne die Spektraltypen F7 V und K4 V -- also ist der Hauptstern wirklich etwas weisser als die Sonne und der Begleiter etwas gelber.

Es ist interessant dass bei vergleichbarem Winkelabstand 39 Boo eine sehr langsame Bewegung zeigt und bei 44 Boo schon ein guter Teil der Bahn beobachtet werden konnte, da die Umlaufzeit der beiden Sterne viel kürzer ist. 39 Boo muss also viel weiter entfernt sein damit bei annähernd gleicher Winkeldistanz des Doppelsterns die beiden Sterne im linearen Massstab in Kilometer weiter auseinander stehen und daher die Umlaufzeit viel länger ist. Die in Simbad abrufbaren Entfernungsmessungen bestätigen das: 39 Boo ist 230 Lichtjahre von uns entfernt und 44 Boo nur 42 Lichtjahre. Eine Winkeldistanz von 2,0 Bogensekunden entspricht daher bei 39 Boo eine Distanz der beiden Sterne von etwa 140 Astronomischen Einheiten (AE) -- deutlich mehr als der Durchmesser des Sonnensystems. Bei 44 Boo ist die projizierte lineare Distanz nur etwa 25 AE -- also etwas mehr als die Entfernung Sonne-Uranus.

My Bootis (μ Boo) = STF1938 = WDS 15245+3723.
Der Bärenhüter ist voller schöner Doppelsterne! My Boo ist sogar ein Dreifachstern: der helle Hauptstern erscheint deutlich etwas gelblich. 107 Bogensekunden Richtung Süden steht das Sternpaar B-C: es ist viel schwächer und enger und hat ebenfalls einen deutlichen Helligkeitsunterschied von 1/2 Grössenklasse. Bei 208x konnte ich B-C aber gut auflösen und schätzte den Positionswinkel auf 10 Grad. Für My Boo B-C wurde schon eine Bahn mit einer Umlaufzeit von 257 Jahren berechnet. Die daraus berechnete Ephemeride gibt momentan eine Distanz von 2,3 Bogensekunden und einen Positionswinkel von 7 Grad an. Die Bahnbewegung erfolgt allerdings derzeit so langsam, dass sich die letzten 10 Jahre und die nächsten 10 Jahre kaum eine Änderung von Distanz und Positionswinkel wahrnehmen lässt: das Sternpaar B-C befindet sich nahe des Apastrons.
Bahndiagramm von My Boo B-C von Richard Dibon-Smith:

26 Draconis = BU962 = WDS 17350+6152.
Im Nordosten ist das Seeing nicht so gut wie vorher bei den Beobachtungen im Süden: von meiner Dachterrasse aus sehe ich Richtung Süden über einige Gärten, das nächste Haus ist doch etwa 50 Meter entfernt. Richtung Nordosten zielt das Fernrohr aber über das Blechdach, das von einem heissen Sonnentag aufgeheizt ist und auch nach 23 Uhr noch Wärme abgibt -- und das ist im Fernrohr deutlich zu sehen. Nur gelegentlich sehe ich bei 350x das Beugungsscheibchen und den ersten Beugungsring einigermassen ruhig. In den besseren Momenten kann ich aber den Begleiter ziemlich am 1.Beugungsring erkennen: er ist mit 8,5mag viel schwächer als der Hauptstern mit 5,3mag. Ich schätze den Positionswinkel auf 345 Grad. Das wird durch die Ephemeride einigermassen bestätigt: 1,4 Bogensekunden Distanz und ein Positionswinkel von 325 Grad wird aus der Bahn im WDS mit 76 Jahren Umlaufzeit erhalten.
Bahndiagramm von 26 Dra:

Wie die Ephemeride zeigt wird 26 Draconis in den nächsten Jahren ein immer schwierigerer Doppelstern, wenn sich die beiden Sterne zum etwa im Jahr 2023 eintretenden Periastron annähern (jeweils für die Jahresmitte des angegebenen Jahres berechnet):
JahrDistanzPositionswinkel
20051,43"325,1°
20071,28"322,2°
20091,10"318,5°
20110,89"313,1°
20130,66"304,2°
20150,44"285,9°
Der Hauptstern von 26 Dra erscheint mir übrigens gelblich. Er ist nach seinem Katalog-Spektraltyp G0 V ein der Sonne sehr ähnlicher Stern: die Sonne ist ein ganz wenig kühlerer Hauptreihenstern vom Spektraltyp G2 V. 26 Dra ist 46 Lichtjahre von uns entfernt.

Antares (Alpha Scorpii, α Sco) = WDS 16294-2626.
Das gute Seeing im Süden lässt mich wieder einmal Antares versuchen. Die Distanz von 2,5 Bogensekunden ist an sich kein Problem für den Fünfzöller und der Helligkeitsunterschied der beiden Sterne von 1,0 und 5,4mag ist zwar gross aber nicht so enorm wie bei Sirius. Aber Antares hat eine Deklination von -26,4 Grad und kulminiert in Wien nur in 15,4 Grad Höhe -- und dort ist die Luft meistens ziemlich unruhig. Daher befolge ich den Rat des Doppelsternbeobachters Paul Couteau und beginne die Beobachtung schon 1/2 Stunde vor der Kulmination und beobachte lange. In Anbetracht der geringen Höhe ist bei 208x das Seeing heute gar nicht so schlecht, gelegentlich sehe ich das Beugungsscheibchen und eine Andeutung von 2 oder 3 Beugungsringen (Antares ist ein heller Stern!). Aber es ist kein Beugungsscheibchen sondern eher ein Beugungsfarbenband: das Luftspektrum zieht das Bild von Antares A deutlich in ein Nord-Süd angeordnetes Regenbogenfarbenband auseinander in dem ich von oben (Nord) nach unten (Süd) deutlich blau, grün, gelb und rot erkennen kann! Aber der Begleiter ist eindeutig sichtbar -- er steht im Westen und geht in der täglichen Bewegung voran -- da stört das atmosphärische Spektrum nicht sehr. Ich kann den Begleiter relativ einfach sehen und auch für längere Zeit halten -- die Beobachtung ist einfacher als die des Siriusbegleiters heuer im Winter. Hurra, jetzt hab ich Antares B auch das erste Mal ausserhalb einer Bedeckung durch den Mond gesehen (siehe Bericht vom 27.April 2005). Der Begleiter erscheint mir nicht genau im Westen zu stehen, sondern etwas nördlicher: den Positionswinkel schätze ich auf 275 oder 280 Grad.
Die Länge des Antares-Spektrums ist übrigens sogar etwas länger als die Distanz des Begleiters, also so etwa 3 Bogensekunden!

Theta Serpentis (θ Ser) = STF2417 = WDS 18562+0412.
Ein ganz einfacher aber umso schönerer Doppelstern ist Theta in der Schlange: die beiden nur wenig unterschiedlich hellen Sterne sind strahlend weiss und stehen in 22 Bogensekunden Abstand. Ich kann sie gerade noch mit dem aufgestützten Fernglas 10x50 auflösen. Besonders schön finde ich sie bei einer Vergrösserung von 15 oder 19x, die mein kleiner Newton 105/445mm bietet. Aber auch der Refraktor bei 35x zeigt das Sternpaar zwar schon recht weit getrennt aber noch nahe genug damit sie einfach schön aussehen.
Die beiden Sterne dürften wirklich miteinander verbunden sein: sie zeigen bei den Messungen zwischen 1755 und 2003 keine gegenseitige Eigenbewegung. Simbad hat eine Entfernung von 132 Lichtjahren -- die projizierte lineare Distanz der beiden Sterne ist daher 890 Astronomische Einheiten -- etwa der 10-fache Durchmesser des Sonnensystems. Kein Wunder dass keine Bahnbewegung erkennbar ist, die Umlaufzeit muss sehr lange sein.

Es ist schon nach Mitternacht als ich ins Bett komme und am nächsten Tag ist Arbeitstag und um 6 Uhr aufstehen....