Das war die schwarze Sonne über Österreich

Unser Bericht

Die totale Sonnenfinsternisvom 11. August 1999 wird uns noch sehr lange in Erinnerung bleiben. Siewar Krimi, großes Naturschauspiel, Mega-Event und Sommerparty ineinem. Und daher in Summe wunderschön.

Nieund nie in meinem ganzen Leben war ich so erschüttert, von Schauerund Erhabenheit so erschüttert, wie in diesen zwei Minuten, es war nicht anders, als hätte Gott auf einmal ein deutliches Wort gesprochenund ich hätte es verstanden. - A. Stifter

Einzelberichte:

Helfried Adametz (Weyregg/Att. - HE GOT IT !)
Foto Andraschek GmbH, Horn (tolle Bilder aus Pöttelsdorf)
Markus Dewath (Fotogalerrie und Real Audio Sound)
Martin Kellner (Bilder)
Wolfram Patzl (sehr stimmungsvoller Bericht, viele Bilder)
Alexander Pikhard (viele Bilder von der Finsternis)
Gerhard Rehak (Bilder vom Event, Totalität)
Gerald Rhemann (tolle Stimmungsbilder)
Ingeborg & Helmut Skerjanz (schöne Bilder aus Siófok, Ungarn)
Hans Spazierer (Temperaturmessungen)
Georg Zotti (Bilder und Bericht)

Der Krimi

Wir hatten unseren Beobachtungsplatz in Neutal aus verschiedenen Gründen gewählt, unter anderem des Wetters wegen. Eine letzte Entscheidung, ob Osten oder Westen fiel am Montag Abend. Der Dienstag brachte die allgemein erwartete Front, doch schon am Abend lockerten sich die Wolken und der Regen hörte auf. Die Nacht von Dienstag auf Mittwoch war sternenklar!

Mittwoch, 11. August1999, 5.00 Uhr: Regen! 6.00 Uhr: Ein Blick aus dem Fenster. Was war das?Blaugrau. Die Dämmerung an einem leicht nebeligen, aber ansonstenmakellos klaren Tag? Einige Minuten später war es klar: Geschlossene Bedeckung! 7.00 Uhr: Es begann wieder zu regnen ... Ungläubig standen schon viele um ihre Zelte und Autos herum. Was tun? 9.00 Uhr: Es regnet nicht mehr, wir bauen auf. Hektisches Treiben und viele, viele fragende Blicke nach oben. Keiner redet vom Wetter. Aber jeder denkt daran. 10.30 Uhr: Die Sonne scheint! Ein Aufschrei, wie sonst nur beim 2. Kontakt, geht durch die Menge. Szenenapplaus für die Natur. 11.23.52 Uhr: Erster Kontakt. Bilderbuch. Keine Wolkenfaser trübt die Sonne, die dichten, zum teil noch abregnenden Wolken ziehen ab, von Westen her kommt mehr und mehr blauer Himmel. 12.00 Uhr: Mehr Wolken, die die Sonne oft 10 Minuten lang verdecken. Zu lang, zu lang. 12.30 Uhr: Die Bewölkung lockert auf. Fahles Finsternislicht, die berühmte gespenstische Dämmerung. Eine Sichelsonne zwischen Wolken, aber die Lücken werden größer.

12.40 Uhr. Noch wenigeMinuten. Es wird dunkel. Und kalt. Viel, viel kälter als vorhergesagt.Keine 3° Temperaturabfall, sondern mindestens 10. Wir frieren, teilsaus Aufregung, teils vor Kälte, war es doch vor kurzem noch so richtigheiß gewesen. 12.44 Uhr. Noch zwei Minuten. Es wird sehr, sehr finster.Selbst kleine Wolken wirken bedrohlich wie schwere Gewitter. Eine unheimlicheStimmung! Von Westen her nähert sich abgrundtiefes Schwarz: Der Kernschatten!Eine hauchdünne Sichel kämpft sich durch Wolkenfetzen. Der Hroizontverfärbt sich in tiefem Orange. Im Süden wächst eine Kumuluswolkeempor, sie stahl für einen Augenblick der Sonne die Schau: Wie dieSkulptur eines Frauenkopfes, die dem Schatten entgegenblickt [hoffentlichhat das irgendwer fotografiert!]. Dann dunkel. 12.47 Uhr. Die innere Coronakämpft sich durch ein Wolkenloch. Wieder ein Aufschrei. Unglaublichhelle und große Protuberanzen stehen am Sonnenrand, drei, vielleichtauch vier. So groß, daß man sie schon mit freiem Auge sehenkann! 12.48.06: Ein Aufschrei, ein Jubel, wieder Szenenapplaus: Der Diamantringdes dritten Kontakts. So hell, so brilliant, schon mit freiem Auge wieauf einem Foto. Ein krönenender Höhepunkt. Und als hättejemand das Licht aufgedreht, war es wieder hell...

Schnell wieder die Filterauf die Instrumente. Wo war denn gleich die Finsternisbrille, hastig weggeworfen,als es dunkel wurde. War das spannend. Was für ein Aufatmen. Einige- wenige! - enttäuschte Gesichter, denn es war natürlich nichtungetrübt. Aber viele, die erst einmal verdauen mußten, wassie gesehen hatten.

12.50 Uhr: Es geht normalweiter. Wir verfolgen die partiellen Phasen. 14.15 Uhr: Die Wolken werdenwieder dichter; die letzten Phasen werden kaum mehr beobachtet. Nur teils,weil die Wolken zu dicht sind. 14.10 Uhr: Die Sonne zeigt sich. Kein Mondmehr. Es ist vorbei!

Unfaßbar, daßetwas vorbei sein kann, auf das man seit Jahrzehnten gewartet hat ...


Die Totalität - aufgenommen von GerhardRehak


Corona und Protuberanzen hinter einen dünnenWolkenschicht
(Alexander Pikhard)

Das Naturschauspiel

Es war die "großeBühne" der Natur. Sie hat uns ein Gesamtkunstwerk geboten, in demdie Finsternis ein Teil war. Und gezeigt, wie sensibel dieses System ist:Nimmt man die Energie der Sonne weg, so fallen die großen, hohenWolken in sich zusammen, aber kleine, tiefe steigen auf. Die Finsternishat fast alle unserer Sinne angesprochen: Die Farben, in denen sich derHimmel zeigte [schrieb nicht auch Adalbert Stifter über "Farben, dienoch nie ein menschliches Auge gesehen hat"?]; die Kälte vor der Totalität;die Stimmen der Natur und der Beobachter.

Man kann nüchternsagen, wir hatten ein 50%ige Chance, die Finsternis zu sehen, und wir bekamen50%: Etwa die Hälfte der partiellen Phasen war zu sehen, etwa dieHälfte der Totalität. Aber emotionell, in unseren Herzen, warenes 100%.

Der Mega-Event

Noch nie zuvor hatten wireinen derart großen Event organisiert: 136 Beobachter scharten sichum 87 Instrumente! Dabei sind da die Besucher aus der Gemeinde Neutal garnicht mitgezählt. Ohne die grandiose Organisation, für die AlbertRichter (er stammt aus Neutal) und Anneliese Haika hauptverantwortlichzeichneten, und ohne die einmalige Hilfe der Gemeinde Neutal wäredas nicht möglich gewesen. Einige Highlights:

Eine Wiese wurde füruns als Beobachtungsplatz abgemäht, eine weitere als Parkplatz fürdie rund 50 Fahrzeuge. Die freiwillige Feuerwehr stellte uns einen Rüstwagen(als Aussichtsplattform!), ein Mannschaftszelt [es war in den verregnetenStunden ein Segen!]  und ein Stromaggregat zur Verfügung. DieGemeinde Neutal spendete Essen und Getränke für alle, eine Feldküchesorgte nach der Finsternis für das leibliche Wohl, unzähligeTische und Bänke waren aufgestellt worden. Und viele, viele freiwilligeHelfer unter dem "Kommando" der Familie Landauer (Alberts Neffe) halfenbeim Auf- und Abbauen.

Als Krönung wurdeuns sogar ein Denkmal gesetzt! Ein runder Vulkanstein, vom nahen Paulibergherangeschafft, wird mit einer Inschrift versehen, die an das WAA-Campin Neutal aus Anlaß der totalen Sonnenfinsternis erinnert.

Gerhard Rehak organisierteuns eine Kinderstation und medizinische Versorgung, und ein mobiles WCsorgte dafür, daß wir den Platz und den angrenzenden Wald soverlassen konnten, wie wir ihn angetroffen hatten.

Zu unserer Gruppe geselltensich unsere Freunde von Antares aus St. Pölten, Gerald Rhemann undsein Team sowie eine Gruppe aus Slowenien. Mit unseren Mitgliedern ausden Niederlanden und Gästen aus den USA waren wir wirklich international!

Großer Dankan alle, auch die, die ich in der Eile jetzt nicht erwählt habe.

Die Sommerparty

Letztlich war es ein Fest,das eigentlich schon am Sonntag begann und mit der Finsternis als Höhepunktendete. Und eigentlich sollte es nicht die letzte sein... sondern der Beginneiner neuen Institution. Am nächsten Tag, als wir die Ereignisse ersteinmal überschlafen hatten, hatten wir die Idee, jedes Jahr auf dieserWiese die Summer Star Party der WAA zu veranstalten. Unddie Finsternis, da erst im nachhinein benannt, war sozusagen die "nullte".Wir werden sehen, ob sich das organisieren läßt.

Und zuletzt: Amateurastronomen, eine große Familie

Das gemeinsame Erlebender totalen Sonnenfinsternis hat uns Amateurastronomen letztendlich wirklichzu einer großen Familie zusammenwachsen lassen; auch jene, die nichtin Neutal waren, sondern anderswo - mit weniger oder auch viel mehr Wetterglück- haben mit ihren stimmungsvollen Berichten das gemeinsame Erleben nochverstärkt.


Letztendlich war es für uns alle so, oder?
(Foto: Helmut Skerjanz, Siófok,Ungarn)

War es nach anderenastronomischen Großereignissen doch fast immer so, daß dasallgemeine Interesse an gemeinsamen Aktivitäten abflaute, so war diesmaldas Gegenteil der Fall, und der Wunsch nach mehr gemeinsamen Erleben desSternenhimmels ist größer denn je. Den tragen wir Rechnung;und spätestens im Juni 2001sehen wir uns wieder zu einer totalen Sonnenfinsternis!
 

Alexander Pikhard

[Finsternis-Links]
[Homepage der Wiener Arbeitsgemeinschaft für Astronomie]
 
 

    Eigentümerund Herausgeber: Wiener Arbeitsgemeinschaft für Astronomie. Gestaltung,Erstellung und für den Inhalt verantwortlich: Dipl.-Ing. AlexanderPikhard.